die entfesselten Kräfte dieses Sturmes anzukämpfen. Wie von Riesenfäusten wurde er gepackt, durch die Luft geschleudert, und dann landete er schließlich zwischen den Zweigen eines umgestürzten Baumes.
Er kämpfte sich frei und suchte sich auf Händen und Knien einen Weg durch das Unterholz. Um ihn her krachten Bäume zu Boden und oft genug rettete ihn nur seine Geistesgegenwart vor dem tödlichen Schlag eines herabsausenden Astes.
Der Tornado hatte ihn so oft herumgewirbelt, dass es ihm einen Augenblick schwerfiel, die Himmelsrichtungen festzustellen. Doch dann bahnte er sich mit untrüglichem Orientierungssinn seinen Weg zu jener Stelle im Mittelpunkt der Safari, wo er zuletzt seinen Vater gesehen hatte. Das erste, was er sah, war die völlig zerschmetterte Tragbahre, auf der sein Vater getragen worden war. Von seinem Vater selbst war nichts zu sehen.
Auch Gibo und Wafi waren nicht da. Vielleicht waren die drei zusammen entkommen und warteten in der Nähe angsterfüllt das Ende des Sturmes ab. Die Wucht des Sturmes hatte inzwischen soweit nachgelassen, dass Bomba versuchen konnte, die Aufmerksamkeit durch Rufe auf sich zu lenken.
Zuerst bekam er keine Antwort; doch nach einigen Wiederholungen drang das schwache Echo einer Menschenstimme durch das Heulen des Windes an sein Ohr. Es klang so, als habe Gibo gerufen, und Bombas Herz klopfte freudig erregt bei dem Gedanken, dass sein treuer Gefährte noch am Leben war. Vielleicht war auch sein Vater dort, wo Gibo war.
Er rief wieder, und diesmal ertönte die Antwort schon näher. Der Klang der anderen Stimme lenkte die Suchenden immer näher zueinander hin, und kurze Zeit später stand Bomba seinem Gefährten gegenüber.
„Bomba!“, rief Gibo überfroh. „Ich fürchtete schon, dir sei etwas zugestoßen! Mögen die Götter gepriesen sein, dass du noch am Leben bist.“
„Das ist mir aus der Seele gesprochen“, rief Wafi, der dem anderen dicht auf den Fersen gefolgt war.
„Wo ist mein Vater?“, fragte Bomba unruhig.
Seine beiden Gefährten schauten einander vielsagend an.
„Wir haben ihn gesucht und nach ihm gerufen, aber wir konnten ihn nicht finden.“
Ein Gefühl von Furcht krampfte Bombas Herz zusammen. Sollte er seinen Vater, nachdem er ihn endlich gefunden hatte, so schnell wieder verlieren?
„Sucht weiter“, befahl er. „Er muss doch hier in der Nähe sein. Wir müssen ihn finden. Wir —“
Eine unheimliche, krächzende Stimme ganz in der Nähe unterbrach ihn.
„Ihr werdet den weißen Mann nie finden. Der Flussdämon hat ihn zu sich genommen.“
2 Opfer für die Flussdämonen
Einen Augenblick standen die drei wie festgebannt auf der Stelle. Doch im nächsten Moment stürmten sie schon durch die Büsche. Gleich darauf erreichten sie das Ufer eines breiten, düster aussehenden Flusses, der jetzt hoch angeschwollen war und in seinen trüben Wassern das Treibgut des Unwetters mit sich führte.
Auf einem Felsvorsprung seitlich über dem tosenden, lehmgelben Wasser waren mehrere Eingeborene eines Stammes, den Bomba und seine Gefährten bisher noch nie gesehen hatten. Mit ihrer grässlichen Bemalung boten sie einen finsteren, abschreckenden Anblick.
Sie schienen mit einem merkwürdigen Ritus beschäftigt zu sein, und obwohl Bomba und seine Gefährten so kriegerisch durch die Büsche gestürmt waren, zeigten die bemalten Männer keine Feindseligkeit. Sie schienen zu sehr mit sich und ihrer Zeremonie beschäftigt zu sein. Einige wirbelten unaufhörlich in einem verrückten Tanz herum, und dieser Springtanz wurde immer wilder, je mehr Männer daran teilnahmen.
Ein großer, hagerer Eingeborener, den sein besonderer Schmuck als Häuptling kennzeichnete, leitete die Zeremonie. Er bestimmte mit einem schrillen, krächzenden Gesang den Rhythmus des Tanzes, und Bomba wusste, dass es diese Stimme war, die er zuvor gehört hatte.
Er trat rasch vor und machte mit erhobenen Händen und den Handflächen nach außen das Zeichen des Friedens. Der Häuptling rief sofort einen schrillen Befehl, und der Tanz hörte auf. Ohne auf Bomba zu achten, trat der Häuptling aus dem Kreis heraus und gab weitere Anweisungen. Daraufhin schleppten vier Eingeborene einen Körper aus dem nahen Dickicht und trugen ihn zum Ufer hin. „Möge der Flussdämon ihn zu sich nehmen!“, rief der Häuptling und hob seine Hand.
Die Träger machten eine Wendung, und in diesem Augenblick erkannte Bomba mit Schrecken, dass das hilflos gefesselte Menschenbündel sein Vater war.
Es war nur ein Augenblick der Lähmung, und dann handelte er bereits. Er riss blitzschnell den Bogen von der Schulter, legte einen Pfeil auf die Sehne und schnellte ihn ab. Der vorderste Träger stieß einen Schrei aus und sank, vom Pfeil getroffen, zu Boden. Fast noch ehe er die Erde berührte, traf ein weiterer Pfeil den nächsten Träger.
Mit Schreckensrufen ließen die anderen ihre Last fallen und flohen in das Unterholz, das das Flussufer säumte.
Der Häuptling und die Gruppe der Tänzer standen kurze Zeit wie erstarrt da. Bevor sie sich noch von ihrer Verblüffung erholt hatten, sprang Bomba bereits mit seinem Buschmesser in der Hand auf sie zu. Gibo und der riesige Wafi stürmten ihm nach, die großen Speere wurfbereit schwingend.
Dieser Überraschungsangriff erfüllte die Eingeborenen mit panischem Schrecken. Obwohl sie in der Überzahl waren, stoben sie kopflos auseinander und jagten in wilder Flucht davon.
Bomba verschwendete keine Zeit damit, sie zu verfolgen. Im nächsten Augenblick kniete er an der Seite seines Vaters nieder, durchschnitt die Fesseln, hob ihn wie eine leichte Last hoch und wandte sich in den Dschungel zurück.
„Haltet Wache“, keuchte er, als Gibo und Wafi herankamen.
Er bettete den Körper behutsam auf den Boden, öffnete die Jacke seines Vaters und legte die Hand an dessen Herz. Es schlug sehr schwach, doch ein Schauer der Erleichterung rieselte bei dieser Entdeckung durch Bombas Körper.
Mit geschickten Händen tastete er den Oberkörper und die Glieder des Liegenden ab; er stellte fest, dass keine Knochen gebrochen waren.
Er rieb die Handgelenke und Schläfen des Ohnmächtigen warm, doch es gelang ihm nicht, ihn zum Bewusstsein zu bringen. Als er vorsichtig ein Augenlid des Liegenden hob, stellte er fest, dass die Pupille wie unter dem Einfluss einer Droge geweitet war. Er wusste, dass die Eingeborenen ihre für den Götzendienst bestimmten Opfer mit bestimmten Betäubungsmitteln zu behandeln pflegten, und er schauderte noch bei dem Gedanken, dass sein Vater solch einer Opferung nur knapp entronnen war.
Nachdem er den Ohnmächtigen so bequem wie möglich hingelegt hatte, eilte er zu der Stelle zurück, an der Gibo und Wafi Wache hielten. Mit einem schnellen Blick erkannte er, dass die Eingeborenen sich ein Stück flussaufwärts zurückgezogen hatten. Dort glaubten sie vor den tödlichen Pfeilen sicher zu sein, die von dem Bogen des weißen Jungen kamen. Kein normaler Bogenschütze konnte so weit schießen; aber sie wussten nicht, dass Bomba schon oft einen tödlichen Pfeil über noch weitere Entfernungen gesandt hatte.
Bomba hatte nicht die Absicht, einen Kampf zu führen, wenn er ihn vermeiden konnte. Nachdem ihm die Rettung seines Vaters gelungen war, hielt er seine Aufgabe für erfüllt. Er tötete nie, wenn es sich vermeiden ließ.
Wenn es jedoch darum ging, zu töten oder selbst getötet zu werden, gehorchte er dem obersten Gesetz der Wildnis — jenem grausamen Gesetz, welches bestimmt, dass nur der Stärkste und Geschickteste überleben darf. Doch Bomba war immer großmütig, wenn er es sein konnte. Trotz seines Mutes und seiner Stärke hatte er das sanfte Herz eines Kindes.
„Sie sammeln sich zu einem neuen Angriff“, erklärte Wafi.
„Nein“, sagte Gibo, als ein langgezogener Klagegesang in die Luft stieg. „Das ist kein Kampfsignal — das ist ihre Todesklage. Ich habe jedenfalls noch nie ein so jammervolles Kampflied gehört.“
Bomba nickte zustimmend. Er hatte die Lage sofort erkannt. Da der Versuch der Eingeborenen, ihr auserwähltes