Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Hände weg von Nancy


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— außer, daß es sich bei der Reedrei um eine reichlich obskure Firma handelt. Um es kurz zu machen: Er glaubt, daß die Reederei Schmuggelgeschäfte mit Mexiko betreibt.“

      „Reichlich unwahrscheinlich, daß sie sich einen Skipper anheuerten, der in diese Geschäfte nicht eingeweiht war.“

      „Sie standen vermutlich unter Zeitdruck. Der richtige Skipper der Hennessy mußte wenige Stunden vor dem Auslaufen ins Krankenhaus. Da haben sie kurz entschlossen Jeff angeheuert. Er sollte nur diese eine Fahrt machen.“

      „Das wäre eine Erklärung“, gab Joe zu. „Ohne Skipper mit Kapitänspatent durfte das Schiff nicht auslaufen. — Wie kommt der Anwalt auf mich?“

      „Er kennt Sie, und er behauptet, Sie seien der beste Detektiv, dem er je begegnet ist.“

      „Sein Name?“

      „Carnegie — Bruce Carnegie!“

      „Bruce?“ rief Joe überrascht aus. „Natürlich kenne ich ihn. Er war früher in New York und arbeitete im Büro des Staatsanwalts. Er wollte eines Tages zum Staatsanwalt avancieren. Aber dann ist er nach dem Süden gegangen und hat irgendwo in Texas eine Kanzlei aufgemacht. Ich wußte allerdings nicht, daß er seine Zelte in Galveston aufgeschlagen hat.“

      „War es Ihrer Meinung nach richtig, seinem Rat zu folgen?“

      „Sie wollen wissen, ob ich bereit bin, den Fall zu übernehmen?“ Joe faltete seine Serviette zusammen. „Ich will ganz ehrlich sein, Nancy. Sollte Ihr Verlobter einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein, sind die Chancen, es aufzuklären, minimal. Es mag mir vielleicht gelingen, nachzuweisen, daß die Reederei Schmuggelgeschäfte betreibt. Aber darum geht es nicht. Es geht um den Nachweis eines Verbrechens, das an Bord eines Schiffes geschah, dessen Mannschaft spurlos verschwunden ist. Ich sehe da, offen gesagt, keinen Ansatzpunkt. Es passiert übrigens gar nicht selten, daß Schiffe — auch große Schiffe — spurlos verschwinden. Was soll man da tun?“

      „Ich weiß es nicht“, sagte sie. „Es geht mir nicht darum, an irgend jemanden Rache zu nehmen. Mir ist nur die Ungewißheit unerträglich. Jeff ist tot und niemand weiß, weshalb er gestorben ist. Vielleicht ist es dumm von mir. Jeff ist tot, und alles andere ist unwichtig. Aber ich finde keine Ruhe. Mir ist seit einer Woche, als liefe ich dauernd gegen eine Gummiwand. Die Behörden verschanzen sich hinter ihren Vorschriften, die Reederei spricht ihr höfliches Bedauern aus und schiebt ihre Anwälte vor. Niemand ist da, der etwas unternimmt. „Und mir ist, als müßte ich noch etwas für Jeff unternehmen.“

      „Das kann ich Ihnen nachfühlen“, sagte Joe. „Also gut, ich werde mich mit dem Fall beschäftigen und Ihnen dann sagen, ob ich eine Möglichkeit sehe, dem verschwundenen Schiff und seiner verschollenen Mannschaft auf die Spur zu kommen. Einverstanden?“

      Sie hob den Kopf und ließ den Tränen, die sie so lange zurückgedrängt hatte, freien Lauf.

      „Danke“, sagte sie. „Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie mir schon damit helfen. Bruce hat mir viel von Ihnen erzählt. Ich vertraue Ihnen.“

      Joe erhob sich.

      „Ich bringe Sie jetzt in Ihr Hotel“, sagte er. „Sobald ich etwas weiß, rufe ich Sie an.“

      *

      In seiner Wohnung nahm Joe die Whiskyflasche aus dem Eisschrank und warf sich in einen Sessel. Die Jagd nach de Soto war mörderisch gewesen. Am liebsten hätte er jetzt vierundzwanzig Stunden geschlagen. Seufzend angelte er nach dem Telefonhörer und ließ sich eine Nummer in Texas heraussuchen.

      Während er auf die Verbindung wartete, ließ er sich die Geschichte des Mädchens noch einmal durch den Kopf gehen. Es gab mindestens ein halbes Dutzend Erklärungen für das Verschwinden der Hennessy. Eine Kesselexplosion, zum Beispiel. Aber wie sollte man das nachweisen? Man konnte schließlich nicht den ganzen Meeresboden absuchen.

      „Ihre Verbindung“, sagte das Mädchen und gleich darauf hörte er eine wohlbekannte Stimme im Hörer.

      „Carnegie!“

      „Bruce, hier spricht Joe Barry, der Straßenschreck aus New York.“

      „Hallo, Joe“, trompetete es aus der Muschel. „Wir haben ja Ewigkeiten nichts mehr voneinander gehört. Wie geht’s in New York?“

      „Die Gangster vermehren sich wie Kaninchen. Hören Sie zu. Ich habe eben mit Nancy Shaw gesprochen.“

      „Sie wollte unbedingt zu Ihnen. Ich konnte es ihr nicht ausreden.“

      „Sie haben es also versucht. Das heißt, Sie halten den Fall für hoffnungslos?“

      „Mit juristischen Mitteln ist da jedenfalls nichts zu machen.“

      „Früher waren Sie nicht nur Jurist“, spielte Joe auf Bruces Vergangenheit in der New Yorker Mordkommission an.

      „Da war ich auch noch jung und beweglich. Inzwischen hat mich der Wohlstand eingelullt. Ich habe eine unverschämt lukrative Kanzlei — und, na, Sie wissen ja, wie das ist, wenn man sich alle Annehmlichkeiten des Lebens leisten kann.“

      „Was wissen Sie über die Reederei?“ erkundigte sich Joe.

      „Ein obskurer Laden. Gehört einem Burschen namens Sammy Duke. Sein Spitzname ist Iron Duke. Er hat ein halbes Dutzend Schiffe, die im Trampdienst die Küste entlangtuckern — alles Eimer zwischen neunhundert und zweitausend Tonnen.“

      „Also genau die richtige Größe, um irgendwo in einer verschwiegenen Bucht kurz vor Anker zu gehen?“

      „Der zuständige Attorney glaubt, daß sie mit Waffen schmuggeln. Aber bislang war nichts nschzuweisen.“

      „Hat man es versucht?“

      „Nicht besonders intensiv. Sie wissen ja, wie das ist. Solange die Burschen nicht gerade Waffen nach Cuba bringen, regt sich keiner sonderlich auf. Außerdem ist es sehr schwer, die Küsten zu überwachen. Schließlich ist die Küste von Texas die längste der Welt.“

      „Sie reden, wie ein texanischer Rinderkönig!“

      „In dieser großmäuligen Umgebung kann man sich nur behaupten, wenn du selbst ein großes Maul hast.“

      „Mag sein. Man müßte sich mal ernsthaft mit Iron Duke unterhalten.“

      Carnegie schnaufte vernehmlich. „Das ist nicht einfach. Iron Duke ist Tag und Nacht von einem Rudel Leibwächter umgeben.“

      „Das bedeutet, daß er Feinde hat.“

      „Er gehört zu den zehn meistgehaßten Männern in Texas.“

      „Wie wäre es mit einem Racheakt als Erklärung. Sagen wir, eine Konkurrenzbande schnappt sich das Schiff, um Iron Duke zu ärgern.“

      „Auch eine Möglichkeit. In jedem Fall war Jeff Baxter das unschuldige Opfer, das daran glauben mußte. Ich habe Jeff gut gekannt. Er war ein netter Kerl. Und er hat sich unbändig über sein erstes Kommando gefreut. Wir waren noch am Abend vor dem Auslaufen zusammen.“

      „Wie kam er überhaupt an Iron Duke?“

      „Über einen Bekannten. Jeff war gerade von New York gekommen, wo er seine Prüfungen absoliert hatte.“

      „Im Funerald House?“

      „Ja, da werden diese Prüfungen ja abgenommen. Dabei hat er einen Mann kennengelernt, der ihn an Iron Duke verwiesen hat.“

      „Wissen Sie, wie der Bekannte heißt?“

      „Ein Mexikaner namens José Ortega. Ich glaube, er hat eine Agentur oder so etwas Ähnliches. Vermutlich arbeitet er für Iron Duke.“

      „Ich werde mir den Burschen mal vorknöpfen. Sie täten gut daran, alles an Informationen zusammenzutragen, was es über Iron gibt.“

      „Wieso?“ kam es prompt zurück. „Wollen Sie den Fall übernehmen?“

      Joe dachte an das