Stephanie Borgert

Erfolg ist ein Mannschaftssport


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Unternehmen, in denen immer alles konkreten Menschen zugeschrieben wird. Ja, Menschen handeln. Die meisten Probleme, vor allem die Dauerbrenner, sind jedoch strukturell bedingt und nicht durch die Persönlichkeit der Handelnden. Die so gestellten Diagnosen bringen dabei ein Denkmodell an die Oberfläche, das weithin verbreitet ist, nämlich, dass die Menschen (im Schwerpunkt die Mitarbeitenden) irgendwie verkehrt seien, repariert, vervollständigt, entwickelt oder umerzogen werden müssten.

      3. Das (vermeintliche) Problem

      Der Mensch im Allgemeinen und im Besonderen wird immer wieder in den Problemfokus gestellt. »Mit unseren Mitarbeitenden geht das nicht. Die wollen sich nicht verändern. Die können nicht ›agil‹.« So hat man stets lineare Kausalketten zur Verfügung und kann viel Zeit für das »Korrigieren« der Mitarbeitenden verwenden. Bei schneller, oberflächlicher Betrachtung der Vorgänge wird leicht ein Symptom zum Problem erklärt. Das hilft nur leider nicht bei der Problemlösung, denn ein echtes Problem kommt wieder, wenn es nicht ursächlich bearbeitet wird.

      4. Die Ursache

      In der Komplexität unserer Organisationen ist es nicht immer leicht, eine Problemursache auszumachen. Oft kommen wir angesichts multikausaler Zusammenhänge nicht über die Arbeit mit Hypothesen hinaus. Und dann liegen Ursache und Wirkung zeitlich wie örtlich eher selten nah beieinander. Üblicherweise sind wir aber darauf gedrillt, schnell und eindeutig Ross und Reiter zu benennen, weshalb so oft das Postulat zu hören ist: »Wir brauchen mehr Selbstorganisation.«

      Spinnen wir die Idee »Wir brauchen mehr …« weiter, dann wird also ein Unternehmen einige seiner Bereiche »selbstorganisiert aufstellen«. In der Praxis bedeutet das häufig, dass agile Methoden wie SCRUM eingeführt werden. Sonst ändert sich meist nichts. Der Appell lautet: Liebe Mitarbeitende, arbeitet jetzt agil, damit wir unsere Time-to-Market verbessern und wieder Marktanteile gewinnen. Die zweite Satzhälfte wird selten mitgeliefert, also verkürzt: Seid selbstorganisierter. Diese Erwartung stürzt alle Beteiligten in ein Dilemma.

      Unsere Diagnosen

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      Reflektieren Sie als Team gemeinsam kürzlich diskutierte Probleme, Projekte, Entscheidungen. Machen Sie sich Notizen dazu, was Sie als Problem benannt haben, welche Ursache Sie identifizierten und mit welcher Lösung Sie Abhilfe schaffen wollten. Notieren Sie Stichpunkte dazu auf Post-its. Hinterfragen Sie nun noch einmal Ihre Diagnose, indem Sie die aufgeschriebenen Aspekte in die Kategorien Symptom, Problem, Ursache, Lösung und Diagnose einteilen. Dieser Schritt sollte im Diskurs stattfinden, er sorgt oftmals für Erkenntnisse über die jeweiligen mentalen Modelle. Es gibt in dieser Reflexion kein Richtig oder Falsch. Es geht vielmehr darum, sich der schnellen und häufig unterkomplexen Betrachtung von Situationen bewusst zu werden und für die Zukunft ein genaueres Hinschauen zu trainieren.

      Strukturen, Vorgaben, Prozesse, Regeln, die Art der Zusammenarbeit bleiben gleich; ändern soll sich das Verhalten der Mitarbeitenden – gegen das bestehende System. Wie wird das ausgehen? Meist werden die Menschen verunsichert und trauen sich schlichtweg nicht, ernsthaft agil zu arbeiten. Es entsteht Unruhe, und man beschäftigt sich mit sich selbst, was kaum der Time-to-Market zugutekommt. Zur Absicherung werden eventuell weitere Prozessschritte etabliert, neue Abstimmungsrunden festgelegt oder sonst wie ein Ausgleich zwischen nicht erfüllbarer Erwartung und Arbeitserfüllung geschaffen. Nach einer Weile folgt womöglich die nächste Diagnose: »Unsere Mitarbeitenden können ›agil‹ nicht!«

      Tragisch, denn die Mitarbeitenden werden diffamiert und das eigentliche Problem wird nicht gelöst. Im Gegenteil, es kann sich sogar verstärken, indem die Unsicherheit der Menschen zu noch mehr Absicherung, Vorsicht und damit Verlangsamung führt. Ich persönlich mag an dieser Stelle die Frage: »Wie haben Sie das den Mitarbeitenden beigebracht?« Warum ist Dienst nach Vorschrift so beliebt? Weil es so stressfreier ist oder sicherer oder bequemer. Dann sind wir wieder an dem Punkt, die Struktur zu hinterfragen. Wenn es für die Menschen besser ist, sich so als anders zu verhalten, liegt der Grund in der Art, wie Zusammenarbeit verabredet ist. Das ist der Hebelpunkt, er liegt nicht in den Menschen selbst.

      5. Die Psychologisierung der Zusammenarbeit

      »Frau Müller kommt dauernd zu spät zum Daily. Ihr sind wir doch total egal. Sie ist halt ein Ego-Shooter.« »Unser Chef macht nie klare Ansagen. Er ist eben ein introvertierter, harmoniebedürftiger Mensch.« Diese Zitate aus der Rubrik Hobbypsychologie sind nur zwei Beispiele für das, was minütlich in unseren Organisationen geschieht. Ein Mensch verhält sich, ihm oder ihr wird ein Motiv und die entsprechende Persönlichkeit zugeschrieben. Und es ist in der Tat recht schwer, sich dem zu entziehen. Werden wir doch damit groß und üben die Psychologisierung in der Kaffeeküche ebenso wie am Stammtisch. »Dein Kollege hat heute unkonzentriert Tennis gespielt? Bestimmt belastet ihn Ärger mit dem Boss.« Jedes Team hat meist so viele Hobbypsychologen wie Mitglieder. Und das Spiel »Lass uns psychologisieren« macht ja mitunter auch Spaß, aber es verstellt uns den Blick auf Wesentliches. Es lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die einzelnen Menschen, weshalb Dynamiken, Wechselwirkungen und Strukturen weitgehend unbeachtet bleiben. Das ist nicht nur einfach schade, es ist ein Problem, denn die ewigen Versuche, die Menschen zu entwickeln, zu coachen, zu bilden, an Bord zu holen, einzunorden, zu motivieren und zurechtzustutzen, führen nicht zum Erfolg, wenn es darum geht, wie Zusammenarbeit stattfindet.

      Die Psychologisierung verstellt uns den systemischen Blick. Fokussieren wir Individuen, schauen wir nicht auf das System. Somit entgehen uns weitere Lösungsmöglichkeiten, Ideen und Erkenntnisse. Deshalb ist es mein Anliegen, auch mit diesem Buch, den systemischen Blick auf Teams und Organisationen zu trainieren. Es geht um eine Sichtweise, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

      Hand aufs Herz

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      Denken Sie an ein markantes Ereignis, beispielsweise einen Konflikt, zurück. Lassen Sie die Situation noch einmal vor Ihrem inneren Auge entstehen, und erinnern Sie sich, welche Gedanken Sie hatten. Wie haben Sie über die handelnden Personen gedacht? Welche Motive haben Sie ihnen zugeschrieben? Wie kamen Sie darauf? Auf Basis welcher Annahmen haben Sie die Situation und die Beteiligten beurteilt? Inwieweit haben Sie die Umstände berücksichtigt? Welche Glaubenssätze lagen Ihren Gedanken zugrunde?

      Die stete Psychologisierung halte ich für eine der »Lösungen«, die das Problem verschlimmern, weshalb mir auch in diesem Buch das Denken in Systemen so wichtig ist. In den folgenden Kapiteln gilt durchgängig der Grundsatz: Wir betrachten Teams, Gruppen, Abteilungen, Bereiche, Organisationen als komplexe, soziale Systeme.

      Überall Systeme

      Setzen Sie bitte für einen Moment gedanklich die »Systembrille« auf und schauen Sie sich in Ihrem Alltag um. Welche Systeme identifizieren Sie? Eventuell arbeiten Sie in einem oder mehreren Teams, die zu Abteilungen gehören. Sie sind in einem Unternehmen angestellt, engagieren sich in einem Verein, haben einen Freundeskreis, eine Familie, Nachbarschaft. Alles soziale Systeme. Am Wochenende gehen Sie im Wald spazieren oder betrachten das Gewitter am Himmel, bevor Sie im Garten das Mobiliar von Spinnweben befreien. Sie agieren in und mit natürlichen Systemen. Dann sind da natürlich auch technische Systeme, die Sie verwenden oder bedienen. Sie fahren Auto, Bahn, nutzen Flugzeuge und sitzen vor Ihrem Rechner. Apropos Rechner, die meisten Organisationen sind längst nicht mehr nur soziale, sondern soziotechnologische Systeme. Rechner führen Prozessschritte autark durch oder bereiten Entscheidungen vor, was vorher den Menschen vorbehalten war. Sie werden viele Systeme entdecken, wenn Sie Ihr Augenmerk darauf richten.

      Wir bewegen uns ständig in diversen Systemen, und wir lernen, wie jedes einzelne tickt, und stellen uns darauf ein. Sie stimmen vermutlich meiner Behauptung zu, dass auch Sie sich bei einer feuchtfröhlichen Feier anders verhalten als in der Vorstandssitzung oder in der Sauna. Warum ist das so? In jedem sozialen System gibt es Verabredungen darüber, was geht und was