ihres Planeten eine sehr bedeutende Muskelkraft besessen hätten. Gerade jetzt, als die Nordpolexpedition Torms in ihrem abarischen Feld scheiterte, waren sie mit den ernstesten Vorbereitungen beschäftigt, einen Vorstoß nach Süden zu unternehmen. Denn auf dem Mars waren die Versuche gelungen, einen Stoff herzustellen, der sich wie das Stellit schwerelos machen ließ, aber dabei genügende Festigkeit besaß, der Wärme und Feuchtigkeit der Luft zu widerstehen. Von ihm erhofften die Martier, daß er ihnen die Wege durch die Erdenluft bahnen werde.
9. Kapitel
Die Gäste der Marsbewohner
Als Saltner zum zweiten Mal auf der Insel erwachte, war er nicht wenig erstaunt, sich wieder in einer völlig veränderten Situation zu finden. Das Zimmer war verdunkelt, doch schimmerte die Decke desselben in einem matten Grau, so daß er einigermaßen seine Umgebung erkennen konnte. Er sah sofort, daß er in einen anderen Raum gebracht worden war. Fenster waren nicht vorhanden, und das Rauschen des Meeres vermochte er nicht zu hören. Dagegen sah er in der Nähe seines Bettes mehrere Körbe und Pakete aufgestapelt, in denen er einen Teil aus dem Inhalt der Gondel des untergegangenen Ballons zu erkennen glaubte. Wenn es nur etwas heller gewesen wäre! Aber wie konnte man Licht erhalten?
Er erhob erst vorsichtig seinen Arm, um nicht etwa wieder einen unfreiwilligen Luftsprung zu machen, und als er merkte, daß er sich unter den gewöhnlichen Umständen der Erdschwere befand, setzte er sich mit einem lebhaften Schwung auf den Rand seines Lagers. Und siehe da, in dem Augenblick, in welchem seine Füße den Boden berührten, wurde es hell im Zimmer. An der Decke hatte sich eine weite Oberlichtöffnung gebildet, und die Sonne, nur durch einen leichten Schirm gedämpft, schien fröhlich herein. Er erkannte nun, daß er in der Tat das Eigentum der Expedition vor sich hatte, auch seine sorgfältig gereinigte und getrocknete Kleidung fand er dabei. Und am Boden lag sogar sein Eispickel, den er zu etwaigen Gletscherbesteigungen am Nordpol mitgenommen hatte. Schnell erhob er sich, und schon bei den ersten Schritten, die er auf dem weichen Teppich des Zimmers probierte, fühlte er, daß er sich wieder völlig wohl und bei Kräften befand. Er schob einen Vorhang zu seiner Linken beiseite und sah dahinter verschiedene Geräte, die ihm höchst fremdartig vorkamen, aber doch soviel erraten ließen, daß sie einen Bade-Apparat vorstellten und was sonst zur Toilette eines Martiers gehören mochte. Ehe er sich jedoch getraute, von diesen ihm unbekannten Gegenständen Gebrauch zu machen, untersuchte er erst die übrigen Teile des geräumigen Schlafgemachs. In der Mitte der dem Bett gegenüberliegenden Wand befand sich eine große Tür, die er indessen vorläufig nicht zu öffnen wagte. Er wandte sich nun nach rechts und bemerkte, daß die Täfelung dieser Seitenwand ebenfalls eine Tür enthielt, die aber nicht ganz geschlossen war. Sie führte in ein verdunkeltes Gemach. Als Saltner an dem ihm unbekannten Mechanismus herumtastete, rollte sich die Tür auf und ließ dadurch mehr Licht in das Zimmer. Da erblickte er an der gegenüberliegenden Wand ein Bett genau wie das seinige und erkannte zu seiner unaussprechlichen Freude – Grunthe, der in ruhigem Schlummer lag.
»Guten Morgen, Doktor«, rief Saltner ohne weiteres. »Wie geht's?«
Grunthe schlug verwundert die Augen auf.
»Saltner?« sagte er.
»Hier sind wir, munter und gesund, wer hätte das gedacht! Aber der arme Torm – niemand weiß etwas von ihm!«
»Und wissen Sie denn«, fragte Grunthe, sogleich ermuntert, »wo wir uns befinden?«
»Ich weiß es, aber Sie werden's freilich nicht glauben wollen. Oder haben Sie etwa schon mit dem biedern Hil oder der schönen Se gesprochen?«
»Wir sind in der Gewalt der Nume«, antwortete Grunthe finster. »Sind wir allein?«
»Soviel ich weiß, aber der Teufel traue diesen Maschinerien – wer kann wissen, ob man nicht von irgendwo alles hört und sieht, was hier vorgeht, oder ob nicht irgendein geheimer Phonograph jedes Wort protokolliert. Na, deutsch verstehen sie vorläufig noch nicht.«
»Welche Zeit haben wir? Wie lange war ich bewußtlos?«
»Ja, wenn Sie das nicht wissen! Ich denke, hier gibt es überhaupt keine Zeit.«
»Nun, das wird sich alles bestimmen lassen, wenn wir erst einmal den freien Himmel wiedersehen«, sagte Grunthe. »Aber wie kann man hier Licht machen?«
»Treten Sie gefälligst mit Ihren Füßen auf den Boden vor Ihrem Bett, dann wird es Tag. Wir sind hier im Lande der automatischen Bedienung.«
»Das kann ich nicht, bester Saltner, mein Fuß ist verwundet –«
»I – das wäre – lassen Sie sehen –«
»Es ist nichts, ich bin schon verbunden, aber ich muß vorläufig noch liegen bleiben.«
Saltner war inzwischen an Grunthes Bett geeilt, und in dem Moment, in welchem er den Teppich vor demselben betrat, öffnete sich das Oberlicht.
»Sehen Sie«, rief Saltner, »allmählich lernt man diese Marskniffe. Ich kann übrigens schon etwas martisch und werde Ihnen gleich ein Frühstück bestellen. Erlauben Sie nur, daß ich vorher ein wenig Toilette mache.«
Er eilte nach dem Alkoven, der offenbar als Toilettenzimmer dienen sollte, und stellte sich überlegend vor die Apparate.
»Das da scheint mir eine Badewanne«, sagte er, während Grunthe durch die Tür sein halblautes Selbstgespräch vernahm, »aber Wasser ist nicht darin. Und dies dürfte wohl einen Waschtisch vorstellen. Aber hier sind drei verschiedene Griffe, und jeder hat eine Aufschrift – nur daß ich sie nicht lesen kann. Ich kenn mich halt nicht aus. Na, ich werde mal ein bissel drehen. Vielleicht kommt ein Wasser heraus.«
Er drehte vorsichtig an dem einen Wirbel, in der Meinung, das darunter befindliche flache Becken werde sich auf irgendeine Weise mit Wasser füllen. Aber ehe er sich's versah, sprang das Becken, sich fächerförmig zu einem Tisch ausbreitend, hervor und versetzte ihm einen unhöflichen Schlag gegen den Magen. Mit Hallo sprang er zurück, fand sich aber sofort wieder stolpernd nach vorn geschnellt, denn gleichzeitig hatte sich in seinem Rücken ein Sessel aus dem Fußboden erhoben. Nachdem er sich von seinem ersten Schreck erholt, betrachtete er sich die Sache eingehend, probierte an dem Tisch und Sessel, und da er sie standfest fand, ließ er sich gemütlich auf dem Sessel nieder.
»Was gibt's denn?« fragte Grunthe von seinem Bett aus.
»Ein Wasser war's nicht«, sagte Saltner, »aber es sitzt sich ganz gut hier. Nun wollen wir einmal den zweiten Wirbel probieren.« Doch schnell sprang er wieder auf, er dachte, der zweite Handgriff könne vielleicht dazu dienen Tisch und Sessel wieder verschwinden zu lassen, und bei dieser Gelegenheit wollte er sich erst in Sicherheit bringen. Aber es kam anders. Er erhielt nur von einer aufspringenden Schublade einen Stoß an die Hand. Die Schublade enthielt eine Anzahl jener Mundstücke, deren sich die Martier, wie Saltner wußte, zum Trinken bedienten, und nun bemerkte er auch, daß oberhalb des Tisches drei Öffnungen freigeworden waren, in welche die Mundstücke hineinpaßten.
»Halt«, sagte Saltner, »hier gibt's was zu trinken. Aber damit wollen wir doch noch warten.«
Er drehte an dem dritten Griff. Eine muldenförmige Schale wurde sichtbar, und in dieselbe fielen aus einer darüber befindlichen Öffnung fingerdicke, hellbraune Gegenstände, welche etwa die Gestalt von kleinen Würsten hatten.
»Das ist also ein Frühstück und keine Toilette«, rief Saltner lachend und probierte die sehr einladend aussehenden und würzig duftenden Stangen. Sie schmeckten vorzüglich und erwiesen sich als ein knuspriges Gebäck, das mit einer kräftigen Fleischfarce gefüllt war. Wenigstens hielt Saltner sie dafür. Aber während er die erste Stange verzehrte, setzte der Apparat seine Tätigkeit fort, und Gebäck auf Gebäck fiel in die Schale, die bald bis zum Rand gefüllt war. Das ist zuviel des Segens, dachte Saltner und suchte umher, wie sich wohl der geheimnisvolle Speisequell abstellen ließe. Doch vergebens, der Wirbel selbst ließ sich nicht zurückdrehen – Saltner wußte nicht, daß man zu diesem Zweck erst durch Drehen