Alex Shaw

COLD BLACK


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im Vorjahr etwas über seine Beteiligung an Operation Wüstensturm im Zweiten Golfkrieg herausgerutscht war, hatte der Chef Fox ständig wegen seiner Vergangenheit gelöchert. Alsdann hatte Sawyer, der seinen eigenen Worten zufolge der »Reservistentruppe« angehöre, sie alle – also die ganze Verkaufs- und Marketingabteilung – zu einem Wochenende Paintball eingeladen, um den Gemeinschaftsgeist zu stärken. Werbeleiterin Tracy war dabei gewesen, und laut ihrer Aussage sei der Kerl eine »echte Witzfigur«. Beim nächsten »Betriebsevent« hatte Fox bemerkt, wie er sie angaffte, und ihm den Spitznamen »Stielauge« gegeben. Eigentlich dachte er aber, bei Sawyer rege sich nur etwas, wenn er die örtliche Schwulenbar aufsuchte.

      Als er aufschaute, sah Fox den Sicherheitswächter mit einem Klemmbrett in der Hand aus dem Büro des Geschäftsführers kommen. Er nahm dem Mann nichts übel.

      »Hi Mick, werden Sie mich beim Verlassen des Geländes begleiten?«

      »Tut mir leid.« Der Gefragte legte das Brett auf Fox' Tisch. »Sie müssen mir den Wagenschlüssel geben und hier unterschreiben.«

      Paddy nahm kopfschüttelnd den Schlüssel seines 3er-BMWs heraus und ließ ihn in Micks aufgehaltene Hand fallen. »War ja klar, jetzt muss ich drei Meilen bis zum Bahnhof laufen.«

      »Danke.« Der Wächter sah sich kurz um, bevor er beinahe flüsternd hinzufügte: »Mr. Sawyer hat Ihnen wohl nicht angeboten, Sie in seinem Z4 zu fahren, oder?«

      »Ich bin nicht schwul.«

      Mick musste schmunzeln. »Ich habe in zehn Minuten Pause, dann bringe ich Sie zum Bahnhof.«

      »Das wäre nett, Kumpel, vielen Dank.«

      So konnte es eben gehen auf der Welt. Mick besaß mehr Anstand als der Rest der Belegschaft zusammen. Er klopfte dem Gefeuerten auf eine Schulter und ließ ihn beim Zusammenräumen allein. Fox steckte weiter persönliche Papiere in die Fächer seines Koffers. Sawyer und Cope blieben im Besprechungszimmer abgeschottet, schauten verbissen auf Dokumente, um sich den Anschein zu geben, sie hätten zu tun, und hofften, er werde verschwinden. Nachdem Fox den Koffer geschlossen hatte, ging er zur Treppe. Im Vorbeigehen klopfte er an eine Scheibe des Versammlungsraums, woraufhin die beiden Männer darin ruckartig mit den Köpfen nach rechts fuhren. Er grinste und zeigte ihnen einen ausgestreckten Mittelfinger.

      Draußen überquerte er die Straße zum Fluss hin und dann die Fußgängerbrücke. Der Pegel war hoch wie üblich, weshalb das Wasser vielmehr einem zähen Schlammstrom glich – verdammt ätzend, wenn man ihn fragte, doch das hatte Tracy beim Kauf des Hauses nicht getan, das den Fluss überblickte. Als er das Gegenufer erreichte, hörte er sie bereits. Die Kids aus den Appartementgebäuden in der Gegend waren wieder unterwegs und fuhren auf ihren »Minimotos« Slalom um Autos. Jim regte sich bestimmt wieder auf; das tat er ständig.

      Und tatsächlich: »Runter von der Fahrbahn, verflucht! Ich rufe die Polizei!«, brüllte Jim Reynolds, Dekorateur im Ruhestand und Stimme der Moral in der Straße, den Motorrollern hinterher.

      Paddy lachte. »Guten Abend, Jim« Er mochte seinen Nachbarn, auch wenn er sich über ihn lustig machte.

      »Von wegen gut, die Rotzlöffel foltern mich schon eine Stunde lang! Sollten sie nicht in der Schule sein?« Er winkte mit seiner Heckenschere.

      »Jim, es ist schon fast sechs Uhr.«

      »Ach, dann sollten sie eben am Arbeiten sein oder über ihren Hausaufgaben brüten. In deren Alter habe ich als Anstreicher Häuser verschönert.«

      »Tun sie auch – mit Graffiti.«

      Die Siedlung war als neueste Erschließungsmaßnahme für Berufstätige mit zwei Komma vier Kindern und BMW angepriesen worden, doch in Wirklichkeit benutzten die Jugendlichen aus den Sozialwohnungen in der Nähe die ruhigen, freien Straßen ohne Schlaglöcher, die am Ufer des Adur entlangführten, als private Rennstrecke.

      Der alte Mann zog seine Gartenhandschuhe aus und kratzte sich am Kopf. »Schon was Neues in Sachen Job?«

      Fox zog die Schultern hoch. »Wer würde ein altes Schlachtross wie mich noch einstellen?«

      »Darin besteht das Problem: Undankbarkeit. Man hätte dir einen Orden verleihen sollen.«

      Reynold wusste, dass sein Nachbar als Mitglied des SAS während seiner Dienstzeit in den Irak geschickt worden war. Fox hatte aber nicht Bravo Two Zero angehört, wie er ständig von allen gefragt wurde, die seinen Werdegang kannten, sondern an einem Vorstoß tief ins Landesinnere teilgenommen, den man bis heute nicht publik machte. Seine Einheit war zum Auskundschaften als Vorhut der Bündnisarmee geschickt worden – eines Koalitionsheeres, das sich nie oder besser gesagt erst zehn Jahre später dort eingefunden hatte. Über diese Mission schwieg er sich stets aus. Reynolds, seinerseits einst Soldat während der Sueskrise, brachte Fox großen Respekt entgegen.

      »Vielleicht kriegen wir Gedenktafeln an unsere Häuser, wenn wir beide tot sind«, frotzelte Fox.

      Auf einmal hörten sie basslastige Musik von hinten, und Tracy, die seit fünf Jahren mit ihm verheiratet war, kam mit ihrem Saab-Cabriolet herangerast.

      »Na, wenn das nicht Ghetto Gertrude ist!«

      Reynolds kicherte, als sie in die Auffahrt einbog. »Hallo Herzchen.«

      »Hi Jim.« Sie lächelte ihn freundlich an, blickte aber streng drein, als sie sich an ihren Gatten wendete: »Je schneller du die alte Mühle aus der Garage schaffst, desto besser. Ich verstehe nicht, warum du sie überhaupt hast!«

      »Sie ist ein Klassiker, Schatz.« Jeden Abend dieselbe Leier, wenn Tracy ihren Neuwagen gezwungenermaßen draußen abstellen musste … »Hilf mir mal mit den Taschen.«

      »Sehr wohl, Ma'am.« Fox zwinkerte seinem Bekannten zu und ging zum Auto.

      Reynolds nahm seine Heckenschere wieder zur Hand und fuhr mit dem Stutzen seiner ohnehin makellosen Sträucher fort.

      Paddy trug seiner Frau die Laptoptasche nach, die angeblich zu schwer für sie war. Als er hineinkam, sah sie die Post durch.

      »Erzähl mal, was du heute so getrieben hast, während ich meiner Arbeit nachging.« Das verlangte sie jeden Tag mit zunehmender Geringschätzung.

      Nachdem Fox die Tasche abgestellt hatte, holte er tief Luft. »Ich habe mich im Internet umgesehen, meinen Lebenslauf für die Jobbörse hochgeladen, meine E-Mails gecheckt und den Wasserhahn in der Küche repariert.«

      Tracy nickte. »Was noch?«

      »Wie, was noch?«

      »Hast du nur einen der Vermittler angerufen, deren Nummern ich dir gegeben habe?« Sie stemmte ihre Hände in die Hüften.

      Er schaute auf die Öffnung zwischen den Knöpfen ihrer Bluse und den roten Stoff ihres BHs. Tracy hatte zwei herrliche Brüste. »Nein, mach ich morgen.«

      Da verzog sie ihr Gesicht. »Das sagst du jetzt schon seit einer Woche, Paddy!«

      »Schon klar, Liebling, ich weiß.« Standpauke olé …

      »Du findest keine neue Stelle, indem du dir den ganzen Tag lang die Eier schaukelst.«

      »Wie hätte ich dann den PC bedienen können?«

      Sie ging nicht auf seinen bemühten Witz ein. »Du bist mittlerweile fast zwei Monate lang arbeitslos.«

      »Es sind sechs Wochen.«

      »Exakt. Was soll werden, wenn du die Abfindung aufgebraucht hast?« Sie kniff ihre Augen zusammen.

      Paddy seufzte. Sie hatten sich bei Dymex kennengelernt, wo zumindest sie nach wie vor arbeitete. »Ich habe genug zur Seite gelegt, und außerdem verdienst du das Doppelte von dem, was ich zuletzt hatte.«

      »Was? Du willst mir auf der Tasche liegen? Du – ein Mann – bist bereit, dich von mir aushalten zu lassen?« Ihr Streit glitt nicht zum ersten Mal in diese Richtung ab, und dementsprechend gut einstudiert wirkten ihre Sätze.

      »Sei nicht sexistisch.« Er stichelte nur zu gern an seiner ach so politisch korrekten