Henryk Sienkiewicz

Gesammelte historische Romane von Henryk Sienkiewicz


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bestürmte er Tolima mit Fragen, gleich einem Menschen, der seinen eigenen Ohren nicht zu trauen vermag und wünscht, daß ihm eine unglaubliche Kunde bestätigt werde.

      Tolima konnte ihm indessen nicht mehr sagen, als das, was er schon gesagt hatte, doch begab er sich in das Schloß, um Hlawa aufzusuchen, und kehrte bald, noch vor Sonnenuntergang, mit diesem zurück. Der Böhme begrüßte seinen jungen Herrn voll Freude und doch auch wieder traurig, denn er hatte zuvor schon Kunde von den Ereignissen in Spychow bekommen. Auch Zbyszko war im Herzen froh über dies Wiedersehen, fühlte er doch, daß er hier eine treue Freundesseele vor sich hatte, eine von denen, welche dem Menschen vornehmlich im Unglück so nötig sind. Mit tiefer Wehmut berichtete er ihm von Danusias Tode, und Hlawa nahm wie ein Bruder Anteil an seinem Schmerze, seinem Herzeleid und an seinen Thränen. Sie blieben lange beisammen, zumal schließlich, auf Zbyszkos Bitte hin, Herr de Lorche, das Antlitz und den Blick zu den Sternen emporgerichtet, ihnen am offenen Fenster mit Begleitung der Zither jenen Trauergesang vortrug, den er an die Tote gedichtet hatte.

      Als sie sich dann etwas erleichtert fühlten, begannen sie von den Angelegenheiten zu sprechen, die sie nach Plock geführt hatten.

      »Ich habe absichtlich diesen Weg nach Marienburg eingeschlagen,« sagte Zbyszko. »Du weißt, daß mein Oheim in Gefangenschaft geraten ist, und daß ich mich mit Lösegeld zu ihm begebe.«

      »Ich weiß es,« entgegnete der Böhme. »Ihr thatet wohl daran, Herr! Ich wollte selbst nach Spychow aufbrechen und Euch raten, nach Plock zu kommen. Der König wird in Naciongsch mit dem Großmeister eine Zusammenkunft haben; vor dem König aber wird es leicht sein, eine Beschwerde zu erheben, da in Gegenwart der Majestät die Kreuzritter nicht so hochmütig auftreten, sondern christliche Demut heucheln.«

      »Tolima sagte mir, es sei Deine Absicht gewesen, zu mir nach Spychow zu kommen, allein die Krankheit Jagienkas, der Tochter Zychs, habe Dich daran gehindert. Ich hörte, daß mein Oheim sie in diese Gegend gebracht hat, und daß sie auch in Spychow gewesen ist. Darüber wundre ich mich sehr. Nun sprich, aus welchem Grunde hat mein Oheim sie aus Zgorzelic weggeführt?«

      »Es waren viele Gründe vorhanden. Ritter Macko befürchtete, wenn er sie ohne Schutz zurücklasse, würden die Ritter Wilk und Cztan in Zgorzelic einfallen, und dadurch könne auch den Brüdern Jagienkas Schaden zugefügt werden. Ist sie aber abwesend, so droht keine Gefahr, denn wie Ihr wißt, kommt es in Polen zuweilen vor, daß ein Edelmann sich mit Gewalt einer Maid bemächtigt, wenn er sie nicht auf andere Weise haben kann. Aber gegen junge Waisen wird niemand die Hand erheben, denn mit dem Schwert des Henkers würde er bestraft werden, ja, was noch schlimmer ist, er würde Schmach und Schande auf sich laden. Indessen war auch noch eine andere Ursache vorhanden. Der Abt starb und setzte die Jungfrau zur Erbin seiner Besitztümer ein, die unter der Obhut des hiesigen Bischofs stehen, deshalb hat Ritter Macko die Jungfrau nach Plock gesandt.«

      »Und zuvor hatte er sie nach Spychow geführt?«

      »Dorthin führte er sie während der Abwesenheit des Bischofs, des Fürsten und der Herr de Lorche. das Antlitz und den Blick zu den Sternen emporgerichtet, trug ihnen am offenen Fenster mit Begleitung der Zither jenen Trauergesang vor, den er an die Tote gedichtet hatte.

      Fürstin, da er sie nicht hätte hier lassen können. Und es war ein Glück, daß er sie mitnahm. Ohne die Jungfrau wären wir an Ritter Jurand vorüber gegangen, wie an einem fremden Bettler. Erst als sie so tiefes Mitleid mit ihm zeigte, wurden wir aufmerksam und erkannten ihn. Unser Herrgott hat dies alles so gefügt durch ihr warmes Herz.«

      Und er erzählte, wie Jurand dann später nicht mehr ohne sie sein konnte, wie er sie liebte, wie er den Segen des Himmels auf sie herabflehte, und obwohl Zbyszko all dies schon von Tolima gehört hatte, lauschte er dem Berichte mit tiefer Rührung und mit den dankbarsten Empfindungen für Jagienka.

      »Möge Gott sie gesund erhalten!« sagte er schließlich. »Mich wundert nur, daß Ihr mir nichts von ihr gesagt habt.«

      Der Böhme geriet ein wenig in Verlegenheit, und um Zeit zu einer Antwort zu gewinnen, fragte er: »Wo denn, Herr?«

      »Bei Skirwoillo, dort bei den Samogitiern.«

      »Sagten wir nichts? So wahr ich lebe! Ich glaubte, wir hätten Euch etwas davon gesagt, aber Ihr hattet wohl andere Dinge im Kopfe.«

      »Daß Jurand zurückgekehrt sei, sagtet Ihr, aber kein Wort von Jagienka.«

      »Ei, Ihr habt es wohl vergessen! Doch Gott allein weiß am besten, wie die Sache sich verhält. Vielleicht dachte Ritter Macko, ich hätte von ihr gesprochen, und ich dachte, er hätte von ihr gesprochen. Uebrigens, Euch damals überhaupt etwas zu erzählen, wäre ganz nutzlos gewesen, Herr. Und das war kein Wunder. Aber jetzt ist alles anders, und ich muß sagen: es ist ein Glück, daß die Jungfrau sich hier befindet, denn sie kann dem Ritter Macko von Nutzen sein.«

      »Was vermag sie zu erreichen?«

      »Wenn sie nur ein Wort zu der Fürstin Alexandra sagt, welche sie unendlich liebt, genügt es schon. Und die Kreuzritter wiederum schlagen der Fürstin nichts ab, einmal darum, weil sie des Königs Schwester und zweitens, weil sie eine große Freundin des Ordens ist. Wie Ihr vielleicht schon hörtet, hat sich gerade jetzt Fürst Skirgiello (des Königs leiblicher Bruder) gegen Witold erhoben und ist zu den Kreuzrittern geflohen, welche ihm beistehen und ihn an Witolds Stelle zum Herrscher einsetzen wollen. Der König ist der Fürstin sehr zugethan und leiht ihr, wie man sagt, gern sein Ohr, daher wünschen die Kreuzritter, daß sie ihn zu Gunsten Skirgiellos und gegen Witold beeinflusse. Sie meinen – verdammt seien ihre Mütter – wenn sie von Witold befreit wären, würden sie Frieden haben. Deshalb nun bezeigen die Gesandten der Kreuzritter der Fürstin vom frühen Morgen bis zum späten Abend ihre Verehrung und suchen jeden Wunsch derselben zu erraten.«

      »Jagienka liebt meinen Oheim sehr und wird sicherlich Fürbitte für ihn einlegen,« sagte Zbyszko.

      »Wahrlich, anders kann es gar nicht sein! Begebt Euch in die Burg und sagt Ihr, wie sie zu sprechen, was sie zu thun hat.«

      »Ich habe die Absicht, mit Herrn de Lorche in die Burg zu gehen,« antwortete Zbyszko. »Deshalb kam ich hierher. Wir müssen uns jetzt nur die Haare kämmen und passende Kleidung anlegen.«

      Nach einer Weile fügte er hinzu: »In meiner Trauer wollte ich mir die Haare abschneiden, doch vergaß ich es wieder.«

      »Es ist besser, Ihr laßt es, wie es ist!« entgegnete der Böhme.

      Er entfernte sich, um einige Leute aus dem Gefolge herbeizuholen. Als er mit ihnen zurückgekehrt war, erzählte er, während sich die beiden jungen Ritter für das abendliche Mahl in der Burg schmückten, weiter, was am königlichen und fürstlichen Hofe vorging. »Die Kreuzritter,« sagte er, »thun, was sie können, um Fürst Witold den Boden unter den Füßen zu untergraben, denn so lange er ein mächtiges Land im Namen des Königs beherrscht, so lange lernen sie den Frieden nicht kennen. Wahrlich, er ist der Einzige, den sie fürchten. Hei! Sie graben und graben wie Maulwürfe. Das Fürstenpaar hier haben sie schon gegen, ihn aufgewiegelt und sie sind wohl auch schuld daran, daß Fürst Janusz jetzt wegen Wilna aufgebracht über ihn ist.«

      »So sind Fürst Janusz und Fürstin Anna ebenfalls hier?« fragte Zbyszko. »Gar viele mir Befreundete treffe ich dann, bin ich doch nicht zum erstenmal in Plock.«

      »Gewiß,« entgegnete der Knappe, »sie befinden sich beide hier. Sie haben manches mit den Kreuzrittern abzumachen und wollen in Gegenwart des Königs Klage bei dem Großmeister erheben.«

      »Und der König? Auf wessen Seite ist er? Grollt er den Kreuzrittern nicht und erhebt er nicht das Schwert gegen sie?«

      »Der König ist den Kreuzrittern nicht gewogen und sie sagen, er drohe ihnen längst schon mit Krieg. Was den Fürsten Witold anbelangt, so zieht ihn der König seinem eigenen Bruder, Skirgiello, vor, welcher ein Sausewind und ein Trinker ist … daher sagen die Leute aus des Königs Umgebung, daß dieser sich nicht gegen Witold erklären und den Kreuzrittern nicht versprechen werde, ihnen beizustehen. Und dies mag wahr sein, denn seit einigen Tagen bemüht sich die Fürstin Alexandra besonders um des Königs Gunst und sieht etwas bekümmert aus.«