Henryk Sienkiewicz

Gesammelte historische Romane von Henryk Sienkiewicz


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Herz des Kranken nicht gedreht habe, ob dessen Leber nicht völlig weggerissen sei. Auch Fulk de Lorche mußte sich gegen Abend infolge eines großen Schwächeanfalles niederlegen, ja, des andern Tages verursachte ihm sogar die geringste Bewegung heftige Schmerzen. Gemeinsam mit den andern Hoffräulein wartete die Fürstin und Danusia der Kranken und bereitete ihnen nach der Vorschrift des Paters Wyszoniek allerlei Salben und Tränklein. In Zbyszkos Befinden trat keine Besserung ein, und besonders die Blutspuren, die sich immer wieder auf seinen Lippen zeigten, beunruhigten den Pater Wyszoniek aufs höchste. Der Kranke blieb indessen vollständig bei Besinnung. Als er im Laufe des Tages von Danusia vernahm, wer ihm das Leben gerettet habe, ließ er trotz seiner großen Entkräftung den Böhmen zu sich entbieten, um diesem zu danken und ihn zu belohnen. Unwillkürlich gedachte er dabei Jagienkas, die ihm den getreuen Mann zugeschickt hatte, ohne deren liebevolle Fürsorge er wohl elend zu Grunde gegangen wäre. Dieser Gedanke lastete schwer auf ihm, weil er fühlte, daß er all das Gute, welches ihm durch das Mägdlein zu teil geworden, niemals mit Gleichem vergelten, nein, daß er ihm nur Kummer und Schmerz bereiten werde. Was half es, wenn er sich auch stets sagte: »Ich kann mich doch nicht in zwei Hälften teilen,« sein Gewissen regte sich immer wieder, und die Antwort des Böhmen vermehrte noch die innere Unruhe.

      »Ich schwur meiner jungfräulichen Gebieterin bei meiner Ehre als Edelmann, daß ich über Euch wachen werde!« erklärte Hlawa. »So that ich denn auch nur meine Pflicht, ohne auf eine Belohnung zu rechnen. Meiner Herrin, nicht mir, müßt Ihr, o Herr, für Euere Rettung danken.«

      Schwer atmend, entgegnete Zbyszko nichts. Nach kurzem Schweigen hub jedoch der Böhme abermals an: »So Ihr wünscht, daß ich nach Bogdaniec eile, trete ich sofort den Weg dahin an. Vielleicht möchtet Ihr gern den alten Herrn sehen, denn Gott allein weiß, wie es mit Euch gehen wird.«

      »Wie hat sich Pater Wyszoniek ausgesprochen?« fragte Zbyszko.

      »Pater Wyszoniek glaubt, er könne sich erst zur Zeit des Neumondes bestimmt über Euern Zustand äußern. Bis zum Neumond aber sind es noch vier Tage.«

      »Hei! Weshalb willst Du dann nach Bogdaniec? Entweder sterbe ich, ehe der Ohm hier sein kann, oder ich werde genesen.«

      »Wollt Ihr vielleicht ein Schreiben nach Bogdaniec senden? Sanderus ist der Schrift kundig. Dann wird man dort wenigstens etwas von Euch wissen und eine Messe für Euch lesen lassen.«

      »Laß mich in Frieden, denn ich fühle mich sehr schwach. Sollte ich sterben, kehrst Du nach Zgorzelic zurück und meldest dort, was geschehen ist. An einer Messe für mich, wird es dann nicht fehlen. Werde ich wohl hier oder in Ciechanow begraben werden?«

      »Entweder in Ciechanow oder in Przasnysz. Im Walde lassen sich nur die Kurpen begraben, über deren Gräber die Wölfe heulen. Ich hörte indessen von dem Gefolge, der Fürst beabsichtige, in längstens zwei Tagen mit dem ganzen Hofe nach Ciechanow zurückzukehren, um sich später von dort nach Warschau zu begeben.«

      »Man wird mich aber sicherlich nicht allein hier zurücklassen!« rief der Kranke.

      Und er täuschte sich nicht. Da Pater Wyszoniek gegen die Ueberbringung Zbyszkos nach Przasnysz Einsprache erhob, bat Anna Danuta noch im Laufe des gleichen Tages den Fürsten, er möge ihr erlauben, mit Danusia und den andern Hoffräulein den Arzt bei der Pflege des Verletzten zu unterstützen und daher noch länger in dem Jagdhofe zu verweilen. Kaum hatte indessen Herr de Lorche, der sich schon nach zwei Tagen bedeutend besser fühlte, in Erfahrung gebracht, daß die »Damen« blieben, so erklärte er sofort, er werde ihnen Gesellschaft leisten, um sie auf dem Rückwege, oder bei einem Ueberfalle der »Sarazenen« vor Gefahr zu schützen. Woher diese »Sarazenen« kommen sollten, diese Frage legte sich freilich der tapfere Lothringer nicht vor. Im fernen Westen wurden zwar auch die Litauer so genannt. Von diesen konnte aber doch der Tochter Kiejstuts, der Schwester Witolds und der Base des mächtigen »Krakauer Königs« Jagiello keine Gefahr drohen! Trotz allem aber, was Fulk de Lorche in Masovien über die getauften Litauer und über die Vereinigung der zwei Kronen auf dem Haupte eines Herrschers zu Ohren gekommen war, hatte er schon viel zu lange unter den Kreuzrittern verweilt, schenkte er deren Worten noch zu viel Glauben, um nicht den Litauern das Schlimmste zuzutrauen.

      Inzwischen trat ein Ereignis ein, welches auf das Verhältnis des Fürsten Janusz zu den bei ihm als Gäste weilenden Kreuzrittern seinen Schatten warf. Am Tage vor dem Aufbruche aus dem Jagdhofe trafen die Brüder Gottfried und Rotgier ein, die bis jetzt in Ciechanow zurückgeblieben waren, und mit ihnen kam ein gewisser Herr de Fourey, als Ueberbringer schlimmer Nachrichten für die Kreuzritter. Es war nämlich gar mancherlei geschehen. Bei dem kreuzritterlichen Starosten in Lubow hielten sich verschiedene fremde Gäste auf. Zu diesen gehörten, außer dem Herrn de Fourey selbst, Herr de Bergow und Herr Majneger, beide Geschlechtern entstammend, die sich hohe Verdienste um den Orden erworben hatten. Sie alle hörten fortwährend von den Kämpfen mit Jurand aus Spychow. Anstatt sich aber dadurch abschrecken zu lassen, beschlossen sie, den berühmten Helden an den Kampfplatz zu locken, wollten sie sich doch selbst davon überzeugen, ob er in der That so Grausen erregend sei, wie von ihm die Rede ging. Der Starost widersetzte sich freilich anfänglich diesem Vorhaben, indem er auf den zwischen dem Orden und dem masovischen Fürstenpaare herrschenden Frieden hinwies. Schließlich ließ er jedoch, wohl von der Hoffnung getragen, auf solche Weise von dem gefürchteten Nachbarn befreit zu werden, nicht nur alles geschehen, sondern gestattete ihnen auch, bewaffnete Kriegsknechte mitzuführen. Unverweilt sandten nun die Ritter eine Herausforderung an Jurand, der sich auch sofort bereit erklärte, unweit Spychows, an der Grenze Preußens, mit zwei seiner Gefährten gegen die drei Ritter unter dem Vorbehalte kämpfen zu wollen, daß letztere die Reisigen entlassen würden. Da nun aber die Ritter weder auf diese Bedingung eingehen, noch sich aus der Nähe Spychows entfernen wollten, überfiel sie Jurand, schlug die Knechte in die Flucht, brachte dem Herrn Majneger einen tödlichen Lanzenstich bei und nahm den Herrn de Bergow nicht nur gefangen, sondern ließ ihn in einen der unterirdischen Kerker in Spychow werfen. De Fourcy allein rettete sich. Drei Tage irrte er in den masovischen Wäldern umher. Zufällig erfuhr er dann von Pechsiedern, daß in Ciechanow Ordensbrüder weilten, und er beschloß, sich zu diesen zu begeben. Gemeinsam mit ihnen wollte er Klage bei dem erlauchten Fürsten erheben, gemeinsam mit ihnen gedachte er dessen Schutz zu erflehen, um die Befreiung des Herrn de Bergow zu erwirken.

      Diese Kunde trübte das gute Einvernehmen zwischen dem Fürsten und den Gästen. Nicht allein die beiden neu angelangten Brüder, sondern auch Hugo de Danveld und Zygfryd de Löwe forderten ungestüm von dem Fürsten, daß er dem Orden sofort Genugthuung verschaffe, das Grenzgebiet vor den gewaltthätigen Ueberfällen Jurands schütze und diesen für alle begangenen Unthaten gehörig bestrafe. Vornehmlich Hugo de Danveld verlangte in fast drohendem Tone blutige Rache, erregte doch stets die Erinnerung an die Abrechnung, die er selbst noch mit Jurand zu halten hatte, Scham und Schmerz in ihm.

      »Laßt uns die Klage vor den Großmeister bringen!« rief er. »Und wenn Eure fürstliche Durchlaucht uns keine Genugthuung verschafft, werden wir sie durch jenen selbst auch dann erringen, wenn sich sogar ganz Masovien auf seiten des verruchten Räubers stellen sollte.«

      Nun aber geriet der von Natur so milde Fürst in gewaltigen Zorn.

      »Wofür begehrt Ihr Genugthuung?« rief er. »Wenn Jurand Euch zuerst überfallen, Dörfer verbrannt, Herden hinweggetrieben und Leute getötet hätte, würde ich ihn sicherlich sofort vor Gericht laden und ihm Strafe zuerkennen. Ihr habt ihn aber selbst herausgefordert. Und Euer Starost hat ein Gefolge bewaffneter Kriegsknechte zugelassen. Was that aber Jurand? Wohl nahm er die Herausforderung an, er verlangte jedoch gleichzeitig die Entlassung der Mannen. Soll ich ihn etwa dafür strafen oder vor Gericht fordern? Ihr selbst habt mit dem gefürchteten Kämpen angebunden, vor dem alle zittern, Ihr selbst habt mutwillig die Gefahr auf Euer Haupt herabbeschworen – was wollt Ihr daher von mir? Kann ich ihm vielleicht die Abwehr verbieten, wenn es Euch beliebt, ihn mit bewaffneter Hand zu bedrohen?«

      »Nicht der Orden band mit ihm an, nur die Gäste, die fremden Ritter haben ihn gefordert!« warf Hugo ein.

      »Für die Gäste ist der Orden verantwortlich, ganz abgesehen davon, daß jenen Gästen Kriegsknechte aus der Lubaner Besatzung zuerteilt worden waren.«

      »Sollte der