Henryk Sienkiewicz

Gesammelte historische Romane von Henryk Sienkiewicz


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Winkelzüge zu erzürnen.«

      Aber Zygfryd antwortete streng: »Der Herr de Bergow muß aus seinem Kerker befreit werden, denn seit undenklichen Zeiten gehören Männer aus seinem Geschlechte dem Orden an und große Verdienste haben sie sich um die Kreuzritter erworben.«

      »Majnegers Tod muß gerächt werden!« fügte Hugo de Danveld hinzu.

      Als der Fürst dies vernahm, strich er die Haare auf beiden Seiten zurück, erhob sich von seinem Sitze und schritt mit unheilverkündendem Antlitz auf den Deutschen zu. Doch augenscheinlich von dem Gedanken ausgehend, daß er mit seinen Gästen spreche, bezwang er sich nochmals und sagte, die Hand auf Zygfryds Schulter legend, in maßvollem Tone: »Hört mich aufmerksam an, mein Starost! Ihr tragt das Kreuz auf dem Mantel, so antwortet mir denn auf Euer Gewissen, bei diesem Kreuze! War Jurand im Recht oder war er nicht im Recht?«

      »Herr de Bergow muß aus dem Kerker befreit werden!« entgegnete Zygfryd de Löwe.

      Während einiger Minuten herrschte tiefes Schweigen, dann rief der Fürst: »Gott verleihe mir Langmut und Geduld.«

      Zygfryd aber fuhr mit einer harten, einem schneidenden Schwerte ähnlichen Stimme fort: »Diese Beschimpfung, welche uns, als unsern Gästen zugefügt, betroffen hat, giebt uns nur einen neuen Anlaß zur Klage. Nirgendwo, seit dem Bestehen des Ordens, weder in Palästina noch in Siebenbürgen, noch inmitten der bis jetzt heidnisch gebliebenen Litauer, ist uns von irgend einem namhaften Helden so viel Schlimmes zugefügt worden, wie von diesem Räuber aus Spychow. Eure fürstliche Durchlaucht! Nicht für eine Schandthat fordern wir Genugthuung und Strafe, sondern für tausende, nicht für einen Ueberfall, sondern für fünfzig, nicht für das Blut, das einmal, nein, das Jahre hindurch vergossen ward. Eine Flamme vom Himmel sollte dafür das verruchte Nest der Bosheit und Grausamkeit verzehren! Wessen Klagen schreien um Rache zu Gott? Die unseren! Wessen Thränen? Die unseren! Umsonst verlangen wir Gerechtigkeit, umsonst fordern wir strenges Gericht. Ungehört verhallen unsere Worte!«

      Auf diese Rede hin antwortete Fürst Janusz kopfschüttelnd: »Hei! Gar häufig sind die Kreuzritter früher in Spychow zu Gast gewesen, und erst dann zeigte sich Jurand Euch feindlich, als durch Eure Grausamkeit ihm das geliebte Weib durch den Tod entrissen ward. Zudem aber, wie viele Male habt Ihr schon selbst mit ihm angebunden, um ihn, wie auch jetzt, dafür zu züchtigen, daß er Eure Ritter siegreich bekämpfte? Wie viele Male überfielt Ihr ihn wie Räuber, wie viele Male habt Ihr die Armbrust im Walde auf ihn abgeschossen? Freilich überfiel er Euch dann auch, von Rache getrieben – doch habt Ihr es, haben es die Ritter, die in Euern Landen seßhaft sind, jemals anders gemacht? Wer hat das friedfertige Volk in Masovien überfallen, wer hat die Herden hinweggetrieben, die Dörfer niedergebrannt, Männer, Weiber und Kinder gemordet? Und welche Antwort erhielt ich aus Marienburg, als ich mich bei dem Meister darob beschwerte: ›An der Grenze herrscht gewöhnlich Aufruhr!‹ Laßt mich in Frieden! Euch geziemt es wahrlich nicht, Klage zuführen. Euch, die Ihr mich in Friedenszeiten, da ich ohne Waffen und Wehr war, auf meinem eigenen Grund und Boden überfielt. Euch, die Ihr mich jetzt noch in Euern unterirdischen Kerkern schmachten ließet, wenn Ihr nicht den Zorn des Krakauer Königs gefürchtet hättet. So bezahltet Ihr mich, der ich dem Geschlechte Eurer Wohlthäter entstamme. Laßt mich in Frieden, denn Ihr könnt nicht von Genugthuung sprechen!«

      Voll sichtlicher Ungeduld lauschten die Kreuzritter diesen Worten, war es ihnen doch höchst peinlich, daß der Fürst in Gegenwart des Herrn de Fourcy die Vorfälle bei Zlotorja berührte. Vornehmlich Hugo de Danveld schien darauf bedacht zu sein, dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, und begann folgendermaßen: »Eure fürstliche Durchlaucht hat sich einen Irrtum zu schulden kommen lassen. Nicht um die Furcht vor dem Krakauer König handelt es sich hier, sondern um eine Genugthuung. Unser Meister aber kann für gesetzlose Zustände an den Grenzen nicht verantwortlich gemacht werden, denn soviele Königreiche es auch auf der Welt giebt, überall an den Grenzen stiften unruhige Geister Aufruhr.«

      »Auf diese Weise sprichst Du und verlangst doch, daß Gericht über Jurand gehalten werde. Was wollt Ihr denn eigentlich?«

      »Genugthuung und Bestrafung.«

      Seine knöchernen Hände faltend sagte der Fürst nun abermals: »Der Herr verleihe mir Langmut und Geduld!«

      »Möge Eure fürstliche Durchlaucht bedenken,« ergriff Danveld von neuem das Wort, »daß unsere kampflustigen Ritter nur weltliche und nicht dem deutschen Stamme entsprossene Mannen bedrängen. Eure jedoch heben die Hand gegen den Deutschen Orden auf, wodurch sie sich gegen den Heiland schwer vergehen. Welche Strafen, welche Marter sind aber groß genug für solche, die gegen den Gekreuzigten sündigen?«

      »Höre!« rief der Fürst. »Führe den Namen Gottes nicht beständig im Munde, denn Ihn täuschest Du nicht.«

      So sprechend, ergriff er den Kreuzritter an den Schultern und schüttelte ihn dermaßen, daß dieser, erschreckt, mit viel sanfterer Stimme fortfuhr: »Wenn unsere Gäste zuerst in Jurands Gebiet eingedrungen sind, wenn sie die Reisigen nicht entlassen haben, so lobe ich sie nicht darob. Dies fragt sich aber noch, wie es sich auch fragt, ob Jurand die Forderung angenommen hat.«

      So sprechend, warf er dem Herrn de Fourcy, unmerklich mit den Augen blinzelnd, einen bedeutsamen Blick zu, wohl um diesen zur Verneinung der Frage zu veranlassen.

      Allein de Fourcy entgegnete rasch, ohne das Zeichen zu bemerken oder bemerken zu wollen: »Jurand erklärte sich bereit, mit zwei seiner Gefährten gegen uns drei zu kämpfen, sobald wir die Kriegsknechte entlassen haben würden.«

      »Seid Ihr dessen gewiß?«

      »Auf meine Ehre! Ich und de Bergow wären auf die Bedingungen eingegangen, Majneger aber widersetzte sich unserm Vorhaben.«

      »Starost aus Szezytno!« ließ sich jetzt der Fürst vernehmen, »Ihr wißt besser als die andern, daß Jurand die Forderung nicht abgewiesen hat. Wer aber von Euch diesen zu einem Kampfe zu Fuß oder zu Pferd fordern will,« wandte er sich hierauf an alle, »dem erteile ich die Erlaubnis dazu. Wenn es Euch gelingen würde, Jurand zu töten oder in Eure Gewalt zu bringen, käme Herr de Bergow ohne Lösegeld aus der Gefangenschaft. Mehr verlangt jedoch nicht von mir, denn mehr gestehe ich Euch nicht zu.«

      Nach diesen Worten trat tiefes Schweigen ein. Weder Hugo de Danveld, noch Zygfryd de Löwe, weder Rotgier noch Godfryd waren trotz ihrer anerkannten Tapferkeit geneigt, mit dem gefürchteten Gebieter von Spychow einen Kampf auf Tod und Leben zu wagen. Dazu hätte sich vielleicht ein fremder, aus fernen Landen stammender Kämpe wie de Lorche oder de Fourcy verstanden, ersterer war jedoch nicht anwesend, und letzterer stand noch zu sehr unter dem Eindrucke der jüngsten Erlebnisse.

      »Einmal habe ich ihn gesehen,« murmelte er vor sich hin, »aber niemals möchte ich ihm wieder gegenüberstehen.«

      Zygfryd de Löwe aber ließ sich also vernehmen: »Die Ordensbrüder dürfen sich nur dann zum Zweikampfe stellen, wenn sie die besondere Erlaubnis des Meisters und des Großmarschalls dazu erhalten haben. Uns ist es aber nicht um die Erlaubnis zum Kampfe zu thun, uns liegt vor allem daran, daß de Bergow aus der Haft entlassen werde, daß Jurand mit dem Kopfe für seine Thaten büße.«

      »Nicht Euch gebührt es, in diesen Landen Recht zu sprechen!«

      »Schon viel zu lange haben wir die schlimme Nachbarschaft geduldig ertragen. Doch unser Meister wird uns Gerechtigkeit verschaffen.«

      »Wohl steht er über Euch, aber nicht über Masovien.«

      »Hinter dem Meister stehen die Deutschen und der römische Kaiser.«

      »Und hinter mir steht der polnische König, dem noch weit mehr Länder und Völker unterthan sind.«

      »Will Eure fürstliche Durchlaucht dem Orden den Krieg erklären?«

      »Wollte ich Krieg führen, so würde ich Euch nicht in Masovien erwarten, sondern gegen Euch ziehen. Doch unterlaß Deine Drohungen, denn ich hege keine Furcht.«

      »Was soll ich dem Meister melden?«

      »Euer Meister hat mir keine Frage vorgelegt. Sage ihm, was Du willst.«

      »So