Jake Bible

KAIJU WINTER


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Stephie ist der Sheriff von Lincoln County, und du lebst mehr oder weniger auch hier.« Kyle zeigt auf Mikellson. »Oder zumindest isst du andauernd hier. Es ist ja nicht gerade so, als ob wir uns vor den Gesetzeshütern verstecken. Wieso machen wir uns dann also wegen eines FBI-Agenten Sorgen? Gehört der nicht zu den Guten?«

      »Nein, gehört er nicht«, antwortet Terrie nachdrücklich. »Und ich habe leider auch nicht die Zeit, dir das alles genau zu erklären.«

      »Vermutlich hättest du das schon lange tun sollen«, sagt Mikellson leise.

      »Du hältst den Mund«, erwidert Terrie und zeigt mit dem Finger auf Mikellson. »Du hast überhaupt keine Ahnung, wie schwierig es war, uns hier zu verstecken.«

      »Danke, aber ich habe durchaus eine Ahnung«, antwortet Mikellson. »Denk nicht mal für einen Augenblick, dass ich das nicht weiß, Terrie Morgan.«

      »Ja, ja, du weißt es«, meint Terrie nickend. »Tut mir leid, Eric.«

      »Also will mir wirklich keiner sagen, wer dieser Typ ist?«, fragt Kyle wütend. »Ich bleibe also mal wieder im Dunklen wie üblich?«

      »Ach, jetzt spiel doch nicht die Dramaqueen«, antwortet Terrie. »Du kannst jetzt den Rest der Sachen in den Bronco laden, während ich hier mit Eric rede. Mach das, und dann erzähl ich dir vielleicht nachher alles, wenn wir erst einmal unterwegs sind.«

      Die sarkastische Antwort, die er geben will, erstirbt auf Kyles Lippen, als er den Blick seiner Großmutter sieht. Kein guter Zeitpunkt, um sich aufmüpfig aufzuführen.

      »Gut«, antwortet Kyle deshalb, steht schnell auf und wirft dabei seinen Stuhl um.

      Biscuit springt nun auch bellend von der Couch, den massiven Kiefer weit geöffnet.

      »Biscuit!«, ruft Kyle. »Ruhig! Ich war das nur.«

      Der Mischling bellt noch einmal, sieht dann zu Kyle und winselt schließlich.

      »Na komm schon, Dicker«, ruft Kyle, als er geht, um seine Jacke anzuziehen. »Du kannst mir beim Packen helfen.«

      »Behalte ihn aber im Auge«, ermahnt ihn Terrie. »Wir fahren los, sobald der Bronco abfahrbereit ist. Wir haben keine Zeit mehr, ihn zu suchen, wenn er wieder hinter einem Eichhörnchen auf und davon laufen sollte.«

      »Ja, ja«, meint Kyle und hört sich schon genauso an, wie seine Großmutter. »Na komm, B.«

      Der Junge öffnet die Tür und Biscuit rennt hinaus, direkt auf die Tannen und Kiefern zu, die das Blockhaus umgeben.

      »Biscuit! Verdammter Mist! Komm zurück!«, brüllt Kyle, als er die Tür hinter sich zumacht.

      Mikellson sieht Terrie an, aber diese hält einen Finger empor. »Sag's nicht.«

      »Du hast ihm immer noch nicht erzählt, wer Linder ist?«, fragt Mikellson.

      »Ich habe doch gesagt, du sollst es nicht sagen«, antwortet Terrie. »Und ehrlich gesagt war das auch gar nicht meine Idee. Lu war diejenige, die gesagt hat, dass sie es ihm erzählen würde, wenn sie denkt, dass der Junge alt genug dafür sei.«

      »Aber Terrie, es ist für eure Sicherheit absolut wichtig, dass ihr alle wisst, wer der Mann ist!«, bricht es aus Mikellson heraus. »Das weißt du doch!«

      »Und meine Tochter ebenso!«, fährt Terrie ihn an. »Aber egal, wie oft ich es ihr gegenüber erwähne, sie sagt immer nur, dass sie es ein anderes Mal tun wird.«

      »Was meinst du, weshalb er jetzt hier ist?«, fragt Mikellson. »Ein elender Vulkan ist gerade dabei, auszubrechen und den Großteil dieses Landes in metertiefer Asche zu versenken. Scheint mir ein komischer Zeitpunkt zu sein, plötzlich eure Spur aufnehmen zu wollen.«

      »Das ist nicht weiter komisch«, sagt Terrie. »Er muss an ein Verzeichnis der Telefonnummern gekommen sein, die Lu angerufen hat.«

      »Und was würde ihm das bringen?«, fragt Mikellson verwirrt. »Lu benutzt doch einen Scrambler, wenn sie mit euch redet. Und du rufst sie auch nie auf der Arbeit an. Hat sie nicht aufgepasst und von einem verdammten Regierungsapparat aus angerufen?«

      »Sie hat immer aufgepasst, aber Stephie und ich nicht«, erklärt Terrie. »Als die Details über die Evakuierung bekannt wurden und wir herausgefunden haben, dass es ein Lotteriesystem dafür geben wird, welche Zivilisten auf die Schiffe gelassen werden, die von Galveston, New Orleans und Mobile aus ablegen, hat Stephie direkt Lu angerufen, um zu sehen, ob wir die Bevölkerung von Champion nicht auf eins der Militärschiffe schaffen können.«

      »Das weiß ich ja«, sagt Mikellson. »Aber wieso sollte ausgerechnet das Linder hierherführen?«

      »Lu hatte keine Gelegenheit, einen neuen Scrambler zu beschaffen, als das alles passiert ist«, erklärt Terrie daraufhin. »Die einzige Möglichkeit, sie zu erreichen war, sie auf ihrem normalen Handy anzurufen. Es war ein einfacher Anruf und er hat auch nur fünf Minuten gedauert.« Terrie breitet die Arme aus und zeigt auf die Wände. »Es hat Stephie viel Arbeit gekostet, uns hier ein so sicheres Zuhause zu schaffen. Es wäre ein Understatement zu sagen, dass Lu der Frau einen oder zwei Gefallen schuldet. Stephie ist eben das Risiko eingegangen, sich diesen Gefallen von ihr zu erbitten. Wir haben gedacht und gehofft, dass Linder in diesem Chaos niemals herkommen könnte, selbst wenn er Lus Telefonanrufe immer noch durchgehen würde.«

      »Sieht so aus, als hättet ihr falsch gedacht«, sagt Mikellson bitter.

      »Ja, scheint so«, antwortet Terrie. »Du musst mir das aber nicht extra unter die Nase reiben.«

      »Und wie sieht nun der Plan aus?«, fragt Mikellson. »Wie schmuggeln wir euch beide hier raus, ohne dass Linder es merkt?«

      »Ich werde Kyle im Bronco mitnehmen und mit ihm zu Bonner's Ferry fahren«, erklärt Terrie. »Da werden wir dann einfach auf euch warten.«

      »Aber dafür musst du mitten durch den Ort fahren, um zum Highway 37 zu kommen«, wirft Mikellson ein. »Wenn er noch da ist, wird er euch garantiert sehen, und ich kann dir sagen, dem Typen entgeht nicht viel.«

      »Er kennt doch meinen Bronco gar nicht«, wendet Terrie ein. »Und ich werde auch nicht selber fahren.«

      »Wer dann?«, fragt Mikellson und hält inne. »Doch nicht etwa … Kyle? Glaubst du, er wird ihn nicht mehr wiedererkennen?«

      »Es ist so viele Jahre her«, meint Terrie. »Jedes Mal, wenn Lu den Jungen sieht, erkennt sie ihn kaum wieder, und das ist alle drei Monate der Fall. Es sollte reichen, dass wir schnell durch den Ort fahren und dann auf den Highway kommen.«

      »Das hoffe ich«, seufzt Mikellson. »Für den Jungen hoffe ich es wirklich.«

      ***

      »Du bleibst hier«, knurrt Kyle Biscuit an, als er den Mischling zum Bronco zerrt. »Beweg dich nicht. Keine Eichhörnchenjagd mehr!«

      Der Mischling bellt zustimmend und legt sich dann in die Asche am Hinterrad des großen SUVs. Es ist ein klassischer großer Bronco aus dem Jahr 1984, der mit einer extrastarken Federung, einem achtzylindrigen Multikraftstoff Turboladermotor, übergroßen Reifen und verstärkten Stoßstangen ausgestattet ist. Kyle nennt ihn deshalb gerne den Panzer.

      Er öffnet nun die Heckklappe und wirft zwei Reisetaschen hinein, dreht sich dann um und geht zur Veranda zurück, um die restlichen Koffer zu holen. Biscuit beobachtet ihn derweil. Sein Fell sträubt sich und er springt nun bellend auf.

      »Mann, B!«, brüllt Kyle, der erschrocken einen Luftsprung macht. »Du hast mir einen Wahnsinnsschrecken eingejagt!«

      Biscuit bellt und bellt, und Kyle ist schon so weit, dass er zu ihm hinübermarschieren und ihm eins auf die massive Schnauze geben will, als er plötzlich seine Beine zittern spürt und innehält.

      Nein, es sind gar nicht seine Beine, es ist der Boden. Die Erde zittert. Dann wankt sie und nach zwei oder drei Sekunden ist es ein richtiges Erdbeben.

      »Grandma!«, schreit Kyle panisch. »Grandma!«

      Terrie