J.B. Brooklin

Das Geheimnis der Dämonen


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vorzubereiten, die richtigen Formulierungen zu finden und ihre Argumente überzeugend darzulegen.

      Dreißig Minuten später hatte Sariel ihren Entschluss noch immer nicht in die Tat umgesetzt. Stattdessen lauschte sie mit geheucheltem Interesse seinen Ausführungen über die internationale Finanzwirtschaft. Wie so oft schweiften ihre Gedanken ab.

       Kalt … So kalt …

      Die Worte schlichen sich in Sariels Kopf, unterbrachen ihre Sorgen, die sich allesamt darum drehten, wie sie ihrem Onkel die Neuigkeiten beibringen sollte. Ihr war nicht kalt. Im Gegenteil ihre Handflächen schwitzten, und sie hatte das unangenehme Gefühl, dass ihr Deo nicht das hielt, was die Werbung versprach. Kälte war so ziemlich das Einzige, was Sariel im Moment nicht spürte. Seltsam.

      Konzentriert horchte sie in sich hinein, versuchte herauszufinden, was der Auslöser dieses Gedankens war.

      Nichts. Wahrscheinlich verwirrten die Probleme, die sie heraufbeschwor, ihre Sinne. Es wurde Zeit zu handeln. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, innere Stärke zu gewinnen.

      „Aus diesem Grund ist es so wichtig, Sariel …“

      „Onkel, ich muss dir etwas mitteilen“, unterbrach sie seine Ausführungen. Mit einem Stirnrunzeln brach er ab. Torsten Halder war es nicht gewöhnt, dass man ihm ins Wort fiel.

      „Ich fange in zwei Wochen mit meinem Kunststudium an der Sorbonne an. Ich wollte es dir schon längst sagen, aber …“

      „Kunst? Du willst Kunst studieren nach allem, was ich für dich getan habe?“ Torsten Halders Gesicht färbte sich rot. Mit einem Mal war es, als würde Wut wie eine kalte Welle von ihm ausgehen. Wut, die sich auf Sariel richtete. Angst kroch in ihr hoch. Mit einem solchen Ausbruch hatte sie nicht gerechnet.

      „Ich will nichts mehr davon hören.“ Torsten Halder schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Du wirst deine Anmeldung zurückziehen. In vier Wochen beginnt das Herbstsemester in Hamburg. Ich habe dich bereits für das Betriebswirtschaftsstudium angemeldet. Und das, junge Dame, ist genau das, was du studieren wirst!“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er den Raum.

      Gegen seinen Willen schlossen sich Alexanders Augen. Wie Bleigewichte fielen die Lider nach unten, sie zu öffnen, würde mehr Kraft erfordern, als er besaß. Es waren nur wenige Sekunden, in denen er seine Umgebung erkundet hatte. Trotzdem überkam ihn ein bleiernes Gefühl der Müdigkeit, und er merkte, wie die winzige Flamme, die ihn am Leben hielt, kämpfte, um nicht zu erlöschen.

      Kalt.

      So kalt.

      Die Worte verhallten in seinem Kopf, wurden zurückgeworfen. Wärme floss durch seinen Körper. Zurückgeworfen? Wärme? Irgendetwas oder irgendjemand hatte seine Gedanken gehört. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, als er diese Erkenntnis aufnahm. Die Flamme, die eben noch kurz davor war zu ersterben, tanzte mit einem Mal. Energie! Nicht viel, aber genug, um ihn am Leben zu erhalten. Genug, um mehr zu ermöglichen.

      Vorsichtig streckte er seine Sinne aus, zwang sie, diesen Raum zu verlassen. Dabei war er sich mit jeder Faser seines Wesens der Gefahr bewusst, in die er sich begab. Wenn Torsten Halder auch nur das kleinste Lebenszeichen von ihm auffing, war er verloren. Er musste weiterhin glauben, dass Alexander dem Tod entgegenging. Oder besser noch, bereits tot war.

      Sariel.

      Er hätte es wissen müssen. Torsten Halders Nichte hatte seine Gedanken aufgefangen, sie reflektiert und ihnen dadurch etwas von ihrer Kraft gegeben. Zögerlich tastete Alexander ihre Aura ab. Er wollte ihr nicht noch mehr Energie entziehen. Sie hatte bereits mehr als genug getan. Auch wenn sie davon nichts ahnte.

      Angst.

      Irgendjemand oder irgendetwas jagte Sariel Angst ein.

      4

      Nur wenige Minuten, nachdem Torsten Halder das Esszimmer verlassen hatte, stand Sariel ebenfalls auf. Ihr war der Appetit vergangen, daran konnte auch der frische, geräucherte Lachs auf ihrem Teller nichts ändern. Alles schmeckte schal, so als sei das Leben schon lange daraus entwichen. Selbst die Marmelade hatte einen alten, abgestandenen Geschmack. Das musste an ihrer Stimmung liegen, denn Martha, die Haushälterin ihres Onkels, achtete stets darauf, dass nur das Beste auf dem Esstisch zu finden war. Andernfalls hätte er sie längst gefeuert.

      Mit einem Ruck versuchte sie, die düsteren Gedanken abzuschütteln. Ich bin ihm dankbar, wiederholte sie wie ein Mantra in ihrem Kopf. Sie hatte es in den letzten zwei Jahren zu einem unablässigen Refrain gemacht. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte sie sich allein zurechtfinden müssen. Was vielleicht besser gewesen wäre, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.

      Der kostbare weiße Perser auf dem Fußboden verschluckte das Geräusch ihrer Schritte, als sie auf die Tür zuging. Sie musste diesen Raum verlassen. Oder noch besser, dieses Haus, das von der Wut erfüllt war, die ihren Onkel gepackt hatte.

      Sie ging durch die langen, weißen Gänge zu ihrem Appartement zurück. Das Innere der Villa war vollkommen in strahlendem Weiß gehalten. Einzige Ausnahme davon der Ballsaal, aber Sariel war sicher, dass dieser ihrem Onkel ein Dorn im Auge war. Von diesem Raum abgesehen, gab es nichts, was die sterile Einöde durchbrach. Holzböden, Teppiche, Möbel, Wände, sogar die Bilder, die nicht im Ballsaal hingen, erstrahlten in einem blendenden Weißton.

      Die Flure waren mit dicken Teppichen ausgelegt, was der Grund dafür war, dass sie es zuerst nicht wahrnahm. Dann aber hörte sie es, ein leises Tapsen, die Schritte eines Tieres. Einer der Wachhunde folgt mir! Ein kalter Schauer rann ihren Rücken hinab. Das konnte nur einer der Rottweiler sein, die ihr Onkel hielt. Normalerweise waren diese Kreaturen in den Zwingern verbannt; nur nachts ließ er sie hinaus. Dann machten sie den Garten unsicher. Obwohl Torsten Halder immer wieder versichert hatte, sie würden Sariels Geruch kennen und ihr niemals etwas zuleide tun, ging sie ihnen aus dem Weg. Ihre Anwesenheit war mit ein Grund, weshalb sie abends niemals das Haus verließ.

      Vielleicht beabsichtigt er genau das damit. Ärgerlich vertrieb sie diesen Gedanken. Was war nur heute mit ihr los? Torsten Halder war mit Sicherheit kein herzlicher Mensch. Es lag nicht in seiner Natur, Gefühle auszudrücken oder liebevoll zu sein. Allein die Idee, er könne sie in eine Umarmung schließen, führte dazu, dass sich ein zynisches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Nein, seine Stärke lag nicht darin, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Vielmehr im Gegenteil: Wo immer er sich aufhielt, verbreitete er eine Aura der Macht und der Aggression. Aber egal, wie gefühlskalt er auf andere Menschen wirken mochte, so wusste sie doch eines: Er war der einzige Verwandte, den sie hatte.

      Noch immer dieses Tapsen. Ein Hecheln gesellte sich hinzu. Wie von selbst verlangsamten sich Sariels Schritte, bis sie stehen blieb und sich umdrehte. Da, nur wenige Meter von ihr entfernt, stand Rosco, der größte und - ihrer Meinung nach - am gemeinsten aussehende Rottweiler, den ihr Onkel besaß. Auch er blieb stehen, maß sie mit seinen Blicken und wartete gelassen auf ihre nächste Bewegung. Das zumindest war Sariels Eindruck, als sie ihn musterte. Vielleicht überlegte er sich auch nur, ob sie ein nettes Frühstück abgeben würde.

      Wieder bahnte sich Furcht einen Weg durch ihren Körper. Aber das durfte nicht sein. Wenn diese Bestie ihre Angst spürte, war alles möglich. Auch das Undenkbare. Mit einem gezwungenen Lächeln drehte sie sich um, ging weiter in Richtung ihrer Räume. Immer darauf achtend, dass ihre Schritte gemessen waren. Obwohl sie nichts lieber getan hätte, als zu rennen.

      Er musste herausfinden, warum Sariel Angst hatte. Er konnte sich nicht erklären, was ihn dazu drängte, aber ihr Wohlbefinden war wichtig. Wichtiger als alles andere. Die energetische Verbindung zu ihr herzustellen, erschöpfte ihn. Aber auch das war ohne Belang. Er musste wissen, wie es ihr ging.

      Angst! Noch immer. Jetzt aber war ein neues Element hinzugekommen. Verwirrung.

      Alexander versuchte