Präsentation. Außerdem wird der Duke sich nicht von einer solchen Bedrohung abhalten lassen, Greysons neue Waffen auszuprobieren. Er ist zu sehr Militarist.«
»Hm, da mögen Sie recht haben, Doktor. Was sollen wir Ihrer Meinung nach nun tun? Die Sicherheitskräfte verstärken?«
Frost hob die Hand. »Ich hätte da einen Vorschlag.«
12.
Cecilia mochte Samstage in Greenwich. Keine lärmenden Studenten rannten zwischen den Gebäuden der Universität und in den Gängen des Observatoriums herum. Überall herrschte wunderbare Stille, und sie war weit und breit der einzige Mensch. Sie wusste zwar, dass sie nicht die einzige war, die an den Wochenenden in der Universität arbeitete, doch sie stellte sich gerne vor, dass sie der einzige Mensch auf der Erde war. Die Vögel vor ihrem Fenster zwitscherten die Vorboten des Frühlings, der an manchen Tagen bereits in der Luft zu hängen schien.
Cecilia reckte sich und stand auf. Sie brauchte eine Pause. Ein Spaziergang durch den Park würde ihre Hirnwindungen wieder in Gang bringen.
Weil sie die einzige im Observatorium war, ließ sie die Türen hinter sich offen. Weit und breit war niemand zu sehen, die Anhöhe, auf der die Sternwarte und das Planetarium gegenüber standen, lag verlassen.
Die Melodie von Bachs »Air« summend, schlenderte sie den Hügel hinab und weiter durch den weitläufigen Park. Obwohl ein kalter Wind über die Wiese zwischen dem Wäldchen, das die Anhöhe umgab, und dem Universitätsgebäude zog, setzte sie sich auf eine Parkbank und schaute in die Wolken hinauf.
Ihre Gedanken wanderten wie von selbst zu dem grausigen Moment, als man die Leiche praktisch auf den Stufen der Universität entdeckt hatte. Wie schon so oft in den letzten beiden Tagen. Cecilia hoffte, dass Jackson und Miss Frost etwas unternahmen. Sie wollte nicht, dass die nächste Leiche, die man fand, Annabella war. Das würde sie nicht ertragen. Jackson ging es ähnlich, das hatte sie in seinen Augen gesehen. Er würde die Sache aufklären und den Mörder finden, da war sie sich sicher.
Cecilia zwang sich, die unruhigen Gedanken beiseitezuschieben und rezitierte dazu ein paar Formeln. Das half ihr immer, sich zu konzentrieren. Eine Weile dachte sie an die Arbeit, an der sie gerade schrieb und bei der sie nicht weiterkam. Vielleicht sollte sie nächste Woche Professor Jacobs konsultieren.
Ein Rufen durchbrach die Stille im Park. Cecilia schaute auf, doch sie konnte niemanden sehen. Sie beschloss, zurück ins Observatorium zu gehen. Der Wind wurde ihr nun doch ein wenig zu kalt.
Schon von Weitem konnte sie den immer noch offenen Haupteingang des Gebäudes sehen. Links von ihr lag das Planetarium, und sie wollte schon daran vorbeigehen, als sie jemanden im Garten sah.
Einen Mann. Er verschwand soeben um die Ecke hinter das Haus. Cecilia runzelte die Stirn. Es war Samstag, niemand sollte hier sein. Die Mitarbeiter des Planetariums arbeiteten nie am Wochenende, das wusste sie mit Sicherheit. Ein Student vielleicht?
Sie hatte einen Schlüssel zum Planetarium an ihrem Bund. Kurz lauschte sie, doch sie hörte nichts. Was auch immer dieser Mann hier machte, er war nicht befugt, das Gebäude zu betreten. Und wenn es sich um einen Studenten handelte, so würde sie nicht zulassen, dass man üble Streiche spielte. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Studenten dachten, sie seien auch nur im Entferntesten lustig.
Entschlossen ging Cecilia auf das Planetarium zu. Der Kies knirschte unter ihren Schuhen. Sie schloss die schwere Eichentür auf und betrat den dunklen Flur. Wieder lauschte sie. Alles war still.
Ob sie sich geirrt hatte? Vielleicht war es auch nur einer der Gärtner gewesen. Nein, sie musste nachsehen. Sie würde keine Ruhe haben, bis sie wusste, dass hier alles in Ordnung war.
Ihre Schritte hallten durch den weiten Raum. Das Echo war ein wenig unheimlich in der Düsternis, doch Cecilia schüttelte das Gefühl ab. Sie erforschte die Weiten des Universums. Ein leeres Haus jagte ihr keine Angst ein.
Ein Geräusch ließ sie herumfahren. »Hallo?«, rief sie. Keine Antwort. Wieder hörte sie das Geräusch. Es hörte sich an, als ob jemand schwere Kisten umstellte. Dann glaubte sie, Stimmen zu hören.
Die Doppeltür zum eigentlichen Planetenraum stand einen Spalt offen. Und jemand befand sich darin. Cecilia ging auf die Tür zu, stieß sie auf und blieb mitten in der Bewegung stehen.
»Was machen Sie hier?«, fragte sie. Ihre Augen flackerten zwischen den beiden fremden Männern hin und her. Ihre Gesichter sahen jung aus, ihre Kleider waren die eines Fabrikarbeiters, und auf dem Kopf trugen sie speckige Mützen. Die Männer starrten Cecilia an. Sie hatte sie überrascht.
Cecilia blickte auf die Apparatur, an der die Männer offensichtlich gearbeitet hatten, als sie in den Raum geplatzt war. Sie sah eine helle Masse, die wie Knete aussah, Kupferkabel, eine Taschenuhr.
Ihr Kopf war wie leergefegt, als sie erkannte, was das alles bedeutete. Die Worte des Drohbriefes tauchten vor ihrem inneren Auge auf.
Sie machte einen Schritt rückwärts und tastete blindlings nach dem Türknauf, doch sie stolperte über den Saum ihres Kleides. Sofort begann ihr Herz zu rasen, und der Drang, laut zu schreien, wurde beinahe unerträglich. Aber niemand hätte sie gehört, sie war ganz alleine.
Die beiden Männer warfen sich einen kurzen Blick zu, dann zückte einer ein Messer.
Frost nestelte nervös am Saum ihres Mantels. Sie stand unter einem der Baldachine, die man um die Wiese herum aufgestellt hatte, und schaute dem bunten Treiben zu. Bedienstete des royalen Haushalts deckten Tische für die hohen Gäste. Andere stellten Heizpilze in die Zelte, denn das Wetter hatte über Nacht beschlossen, dem nahenden Frühling zu trotzen. Es war Ende Februar, doch es war eisig kalt, und die dunklen Wolken am Himmel drohten mit Schnee.
Frost hatte von Baxter gehört, dass Lord Greyson den Vorschlag gemacht hatte, wegen des Wetters die ganze Veranstaltung zu verschieben oder wenigstens ins Innere eines Hauses zu verlegen, doch der Duke hatte darauf bestanden, alles so zu belassen. Ein Seemann ließ sich nicht von ein bisschen Kälte abschrecken, hatte der Duke gesagt.
Helen trat neben Frost und reichte ihr eine dampfende Tasse Tee. Frost hatte sie heute Morgen in alles eingeweiht und sie um ihre Hilfe gebeten, nach einem potenziellen Attentäter Ausschau zu halten. Acht Augen sahen mehr als sechs. Außerdem wäre Dr. Baxter abgelenkt, sobald er die Prototypen präsentieren musste.
»Es wird schon alles gut werden, Miss«, sagte Helen zuversichtlich und lächelte Frost an, während sie sich an ihre eigene Tasse klammerte. Sie schien innerlich zu glühen, denn sie freute sich sehr, Frost bei einem Fall helfen zu können.
»Das hoffe ich.« Frost mochte sich nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn der Attentäter erfolgreich war. »Wo steckt Mr. Payne, Helen?«
»Er unterhält sich mit dem Gentleman dort drüben.« Sie deutete auf ein Zelt in der Nähe.
Frost kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Rauch von den Heizpilzen waberte zwischen den Zelten. Payne stand neben einem Mann mit kräftigem Backenbart. Der Mann trug einen auf den Leib geschneiderten Anzug aus Wolle und Brokat, darüber einen dunklen Mantel. Den Zylinder hatte er fest auf den Kopf gedrückt. Wer war der Mann? Kannten er und Payne sich?
»Mische dich unter die Angestellten«, sagte sie leise zu Helen und schaute sich verstohlen um. Sie wollte nicht, dass jemand sie belauschte und am Ende entweder den Attentäter warnte oder Panik verbreitete. Der Duke durfte nichts davon erfahren. Er würde die Sache am Ende vielleicht doch noch abblasen, und sie hätten keine Chance mehr, den Verbrecher zu schnappen. »Halte Augen und Ohren offen. Wenn dir jemand besonders nervös vorkommt oder wenn jemand stark schwitzt, ohne sich anzustrengen, dann kommst du sofort zu mir. Egal, ob es sich dabei um einen Dienstboten oder um den Duke höchstpersönlich handelt, verstanden?«
Helen nickte pflichtbewusst. »Jawohl, Miss.« Ihre Mundwinkel waren angespannt, doch Frost konnte das aufgeregte Funkeln in ihren blauen Augen sehen.
»Ah, Miss Frost, hier sind Sie«, rief