Luzia Pfyl

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel


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nach Hause gehen lassen?

      Payne warf sich seine Reisetasche über die Schultern und drückte dem Fahrer der Droschke einen Geldschein in die Hand. Für einen Moment blieb er stehen und betrachtete den einer Kathedrale nachempfundenen Bau mit Staunen. Backstein und Stahl ragten hoch hinauf, bis sie von einer Kuppel aus Glas abgelöst wurden. Riesige runde Fenster, einer Rosette ähnlich, gaben einen Blick ins Innere frei. Schemen von Luftschiffen waren auszumachen.

      Payne legte den Kopf in den Nacken, als ein Zeppelin ihn zum Greifen nah überflog und hinter dem Kathedralenbau des Luftbahnhofs verschwand. Menschen mit allerlei Gepäck strömten ihm entgegen, als er das Gebäude betrat. Eine sonore Frauenstimme schallte aus versteckten Lautsprechern und kündigte Ankünfte und Abflüge an.

      Sich umsehend ging er durch die Vorhalle. Links und rechts luden Geschäfte und Imbissläden zum Verweilen ein. Durch die Rosettenfenster hinter ihm fiel warmes Abendlicht. Payne blickte sich um. Er hatte sich in einem der Cafés mit Frost verabredet.

      Sie sah ihn zuerst und winkte. »Ich dachte schon, Sie hätten sich verlaufen«, begrüßte sie ihn.

      »So schnell geht das nicht«, erwiderte er und wollte sich hinsetzen, doch Frost schüttelte den Kopf.

      »Wir müssen los, unser Luftschiff geht in einer Viertelstunde. Außerdem wird es an Bord garantiert Erfrischungen geben. Wir fliegen nämlich erster Klasse.« Sie leerte ihre Teetasse mit einem großen Schluck und griff nach ihrem kleinen Koffer.

      Er folgte ihr durch die Menschenmassen der großen Halle und pfiff vor Staunen durch die Zähne. Frost musste schmunzeln. »Ich nehme an, Sie waren noch nie hier.«

      »Ich habe die Überfahrt von New York auf einem Dampfer gemacht«, meinte er. »Für ein Überseeluftschiff reichte mein Geld nicht.« So ein Flug war schweineteuer.

      Vor ihnen breitete sich der eigentliche Bahnhof aus. Auf mehreren Stockwerken, tief unter ihnen und hoch über ihnen, führten Galerien zu den Landungsdocks der Luftschiffe. Weit oben wölbte sich die Glaskuppel. Die hintere Wand des Bahnhofs fehlte gänzlich. Mehrere große und kleine Zeppeline schwebten fest vertäut an den Stegen. Die größten unter ihnen würden nach Übersee reisen.

      »Wir müssen drei Stockwerke runter«, sagte Frost und drückte ihm ein Ticket in die Hand. »Steg 18.«

      Sie nahmen einen der vielen Aufzüge, einen Käfig aus geschmiedetem Stahl und Glas. Wieder klang die Frauenstimme aus dem Lautsprecher und rief letzte Passagiere für den Flug nach Patagonien aus.

      Der Zeppelin, der an Steg 18 festgezurrt schwebte, war einer der kleinen für Inlandflüge. Über dem Durchlass hing ein Schild mit der Destination Edinburgh. Frost erklärte Payne, dass es Zwischenstopps in Leeds und York gab, bevor der Flug weiter nach Edinburgh ging.

      »Ist wie mit der Eisenbahn fahren, nur um einiges schneller und bequemer.«

      Das Innere der ersten Klasse versetzte Payne erneut in Staunen. Reiche Verzierungen aus Gusseisen bedeckten die Wände und die Fensterrahmen. Es gab bequeme Sessel, auf den Tischen lagen weiße Decken, Porzellan und Silberbesteck, und der Boden war mit orientalischen Teppichen bedeckt.

      Wohlig seufzend ließ er sich tief in eine der Polstergruppen fallen und streckte die Beine aus. »Daran könnte ich mich gewöhnen.«

      »Wem sagen Sie das.« Frost machte es sich ebenfalls bequem. Ein Stuart nahm ihr Gepäck entgegen und brachte ihnen gleich darauf eine Kanne Tee. »Ein Glück, dass uns das Museum alle bezahlt.« Ein schelmisches Funkeln trat in ihre grauen Augen.

      Während der nächsten zehn Minuten kamen weitere Passagiere der ersten Klasse hinzu und setzten sich an die freien Tische. Die Maschinen begannen zu rattern.

      »Ladies und Gentlemen, willkommen an Bord der Imperial Airways«, blechte es aus den Lautsprechern, und die Passagiere merkten auf. »In wenigen Minuten werden die Seile gelöst. Auf unserem Flug nach Edinburgh via Leeds und York erwarten wir stellenweise kräftige Böen. Das Abendessen wird Ihnen gegen 19 Uhr im Speisesaal serviert. Der Kapitän und die Mannschaft der Hortensie wünschen Ihnen einen angenehmen Flug.«

      »Entspannen Sie sich, Payne«, sagte Frost, als ein Ruck durch die Kabine ging und Payne seine Hände in die Armlehnen des Sessels krallte. Sie schmunzelte. »Sie haben doch keine Flugangst, oder?«

      Payne schloss für einen Moment die Augen, als ein zweiter Ruck durch das Luftschiff ging. Kurz fühlte es sich an, als sackte die Kabine um mehrere Meter ab. Payne wurde ziemlich flau im Magen. »Ich bin noch nie in einem dieser Dinger geflogen, okay?«, gab er etwas bissiger als beabsichtigt zurück. »Ich bevorzuge die altmodische Art zu reisen. Auf festem Boden oder zu Wasser.«

      Frost grinste breiter. »Entspannen Sie sich.«

      »Ich bin entspannt!«

      Sie erreichten York kurz nach zehn Uhr abends. Ein eisiger Wind zerrte an ihren Kleidern, als sie mit mehreren anderen Passagieren das Luftschiff verließen und über den schmalen Landungssteg zum Turm gingen, an dem der Zeppelin festgemacht hatte. Ein Aufzug führte direkt ins Erdgeschoss des kleinen Luftbahnhofs. Müde und erschöpft von der Reise konnten sie es kaum erwarten, ins Hotel zu kommen.

      Frost winkte einer der Droschken, die vor dem Bahnhofsgebäude auf Gäste warteten. Die Fahrt durch die Stadt zum Hotel verbrachten sie schweigend. Payne hatte den Hut tief in die Stirn gezogen. Er versuchte, die drängenden Gedanken an Annabella, Cecilia und die mechanischen Kinderleichen beiseitezuschieben, doch es gelang ihm nicht.

      Was, wenn tatsächlich keine Leichen mehr auftauchten? Natürlich war das eine gute Sache. Er war nicht so morbide zu denken, dass sie nur mit noch mehr Leichen auf die Spur des Mörders kommen konnten. Aber wenn der Mörder wieder für zwanzig Jahre im Nichts verschwand, hätten sie keine Chance, ihn jemals zu schnappen und für seine grässlichen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Falls ihm Annabella tatsächlich zum Opfer gefallen war, würde er die Wahrheit nie herausfinden.

      Und dann war da noch die Sache mit den Mordanschlägen auf ihn selbst. Seit Frost und er den Fremden vor der Agentur erschossen hatten, war es ruhig geblieben. Vermutlich hatte die Sache doch nichts mit dem Russen zu tun gehabt.

      Ein beunruhigender Gedanke kroch aus seinem Unterbewusstsein nach oben. Ob das etwas mit New York zu tun hatte? Eine eisige Gänsehaut fuhr ihm den Rücken hinab. Nein. Unmöglich. Niemand von damals wusste, wo er war, und die anderen waren alle tot. Er war kein Pinkerton mehr.

      »Wir sind da«, riss ihn Frost aus den Gedanken. So gut Payne konnte, verbannte er das Bild von Schnee und Blut, das vor seinem inneren Auge aufgetaucht war, wieder in sein Unterbewusstsein und folgte Frost in das hell erleuchtete Foyer des Hotels.

      »Frost und Payne, wir haben reserviert.« Frost lehnte sich an den Empfangstresen. Der ältere Herr, der dahinterstand, nickte grüßend und blätterte dann in einem Buch. Sein voller Bart war grau meliert wie Granit und bebte bei jeder Bewegung seiner Gesichtsmuskeln.

      »Ah, ja, hier. Bitte sehr, die Dame.« Er legte einen Schlüssel auf den Tresen. Frost stutzte.

      »Nur einen Schlüssel?«

      »Sie haben ein Zimmer reserviert, Ma’am.«

      Frost schüttelte den Kopf. »Ihnen muss ein Fehler unterlaufen sein, Mister. Wir sind zu zweit, also haben wir auch zwei Zimmer reserviert.«

      »Bedaure, aber ich habe hier nur eine Reservation für ein Zimmer mit zwei Betten.« Der Mann hinter dem Tresen hob entschuldigend die Schultern und duckte sich, in Erwartung eines Ausbruchs von Seiten Frosts.

      Frost sah tatsächlich so aus, als würde sie gleich über den Tresen springen und dem armen Mann sein dickes Buch um die Ohren hauen. Aber sie beherrschte sich und setzte ein Lächeln auf. »Haben Sie kein anderes Zimmer mehr frei, das wir dazunehmen könnten?«

      Wieder schüttelte der Mann den Kopf. »Tut mir sehr leid, Ma’am, aber wir sind ausgebucht. So wie alle anderen