Iris Welling

Klaus Kariert


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grau, genau wie ihre Augen. Sie ging kaum aus dem Haus und redete mit niemandem. Ihre Nachbarn hielten sie für seltsam.

       Für alle, die immer alles genau wissen wollen:

      Eigentlich dachten alle, dass sie verrückt, durchgeknallt und ‚gaga‘ ist.

      Aber ‚seltsam‘ klingt höflicher.

      Ihr wollt wissen, warum sie Caro-Line Mac Bleistein für seltsam hielten? Ganz einfach: Sie liebte alles Karierte.

      Aber das aller-aller-seltsamste war, dass sie karierte Dinge besaß, die normalerweise nicht kariert waren. Wie sie das schaffte, wusste keiner.

      Da war zum Beispiel die Sache mit dem karierten Nudelsalat.

      Als Caro-Line Mac Bleistein einzog, luden die Nachbarn sie zu einer ‚Willkommen-in-der-Ulkweiler-Straße‘-Party ein.

      Meine Mutter war auch dort und erzählte später, dass Caro einen Nudelsalat mitgebracht hatte. Einen karierten Nudelsalat. Und einen Käsekuchen. Aber der hatte einfach nicht kariert werden wollen, wie Caro allen erzählte.

      Natürlich läutete nach der Party ständig jemand an ihrer Haustür und wollte das Rezept für karierten Nudelsalat wissen.

       Für alle, die immer alles genau wissen wollen:

      Dazu braucht man kein Rezept, sondern vor allem karierte Nudeln.

      Dann kam die Sache mit der karierten Mülltonne. So eine karierte Mülltonne vor dem Haus sieht viel schicker aus als so ein langweilig-graues Ding. Deshalb wollten auch alle Nachbarn eine haben.

      Was es noch alles an karierten Dingen in Caros Haus gab, wusste niemand. Nach der Sache mit den Mülltonnen baute die Mac Bleistein eine Alarmanlage unter dem Fußabstreifer ein. Der Briefträger unserer Straße sprang vor Schreck jedes Mal hoch in die Luft, wenn er die Post in Caros Briefkasten steckte. Der war natürlich auch kariert. Der Briefkasten, nicht der Briefträger.

      Sogar in der Schule wurde über Caro geredet. Als Olaf herausfand, dass ich ganz in der Nähe wohnte, wollte er, dass ich bei der Mac Bleistein einbreche und etwas stehle.

      Glaubt mir, ich hätte niemals was gestohlen. Ich wollte nur Fotos machen, damit Olaf mich in Ruhe ließ. Aber ich hatte Pech. An jedem Fenster hingen vier dicke Schlösser, die nicht zu knacken waren. Ich holte einen Hammer, aber der machte so viel Lärm, dass die Nachbarn die Polizei alarmierten. Zum Glück war ich schnell und konnte nach Hause laufen, ohne dass mich jemand sah.

      Olaf musste einsehen, dass es unmöglich war, in Caros Haus zu kommen. Doch ich kann euch verraten – und ein bisschen im Voraus muss man bei einer Geschichte verraten, damit sie spannend bleibt: Ich schaffte es, in Caros Haus zu kommen!

      Noch besser: Sie öffnete mir sogar freiwillig die Tür!

       Kapitel 3

       Reisepläne

      Alles begann mit dem Tag, an dem mein Vater Roland die Stellenanzeige in der Zeitung entdeckte. Ein Verlag suchte einen Mitarbeiter, der die Bücher anderer Schriftsteller las, bevor sie gedruckt wurden. Klar, es war nicht so toll wie selbst zu schreiben, aber er könnte mit Büchern arbeiten.

      Leider war dieser Verlag in einer anderen Stadt, und die war ziemlich weit weg.

      Mein Vater trug die Anzeige immer bei sich. Jeden Morgen und jeden Abend zog er sie aus der Tasche und jeden Vormittag und jeden Nachmittag. Ich hörte meine Mutter zu ihm sagen, dass er endlich eine Bewerbung losschicken sollte.

      Wie gesagt: Mein Vater war genau wie ich – nicht besonders mutig. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er eine Bewerbung schrieb.

      Zwei Wochen später flatterte an einem Donnerstag ein Brief ins Haus.

       Für alle, die immer alles genau wissen wollen:

       Der Brief flatterte natürlich nicht, sondern lag einfach in unserem Briefkasten. Aber flattern kling hier einfach cooler!

      Was in dem Brief stand, haben mir meine Eltern erst viel später erzählt. Aber ihr müsst es jetzt schon wissen, damit ihr versteht, wie es weitergeht.

      Der Chef des Verlages wollte die Familie Zacharias kennenlernen. Roland und Cordula tanzten glücklich durchs Wohnzimmer, bis ihnen einfiel, dass auch ich, Klaus, ein

      Teil der Familie war. Ein ziemlich übler Teil, und mein Vater hatte dem neuen Chef – das müsst ihr euch einmal vorstellen – nichts davon geschrieben, dass es mich, Klaus, überhaupt gab!

      An diesem Donnerstagabend kam ich wie immer viel zu spät nach Hause. Ich schlurfte in die Küche, bohrte ausgiebig in der Nase und ließ mich auf meinen Stuhl plumpsen. Mein Vater ließ den Brief mit der Einladung in seiner Hosentasche verschwinden.

      „Schönen Tag gehabt“, murmelte meine Mutter. Kein Gemecker über den verschmierten Boden, kein ‚Zieh die dreckigen Schuhe aus‘. DAS hätte mir schon zu denken geben sollen. Nein, sie stellte mir nur meinen Teller unter die Nase.

      Cordula und Roland betrachteten mich mit verkniffenen Mundwinkeln und gerunzelter Stirn.

      Doch ich merkte nichts, verschlang laut schmatzend mein Essen. Das Gemüse schob ich an den Tellerrand und meine Cola schlürfte ich geräuschvoll durchs Röhrchen, obwohl mich meine Eltern schon 1.033 mal gebeten hatten, leiser und gesitteter zu essen.

      Aber sie wussten ja nicht, dass Olaf jederzeit draußen vorm Fenster stehen konnte und aufpasste, dass ich mich wie ein rüder Rüpel benahm. Trotzdem erklärte ich meinen Eltern einmal mehr, dass es in einigen Ländern sogar höflich war, zu schmatzen und zu rülpsen.

      „Damit alle wissen, wie gut es schmeckt“, erklärte ich schlau.

      „Aber mein Essen schmeckt dir doch gar nicht“, murmelte meine Mutter.

      Ich ließ wie immer Teller, Besteck und Glas stehen, schlurfte rülpsend zum Kühlschrank, um noch mehr Cola zu trinken. Flink schnappte ich die Tüte mit den Chips. Jetzt waren auch Schlammkrusten auf dem Küchenboden.

      „Wie wäre es mit einer Dusche“, fragte meine Mutter mit gerümpfter Nase, als ich an ihr vorbeiging.

      Duschen? Nein, unmöglich. Olaf kontrollierte jeden Morgen, ob seine Rüpel auch richtig ätzend müffelten.

      Meine Mutter sagte noch immer nichts. Nichts davon, dass ich einen Lappen holen und den Boden wischen und Chips und Cola zurückstellen sollte. Sie sagte kein einziges Wort. Genau an diesem Abend beschlossen Cordula und Roland, dass sie Klaus, ihren Rüpel-Sohn, zu dem wichtigen Besuch bei dem neuen Chef NICHT mitnehmen wollten.

      Am nächsten Morgen rief meine Mutter bei den Eltern meiner Mitschüler an. Irgendwo musste ich ja essen und schlafen, solange sie weg waren. Doch alle sagten, sie hätten grade keine Zeit. Ja, es sei eine ansteckende Krankheit ausgebrochen, und in den Kinderzimmern seien Termiten eingebrochen. Oder es fiel ihnen ein, dass ihr Haus abgebrannt war oder es sicher bald tun würde und leider, leider … nein, wirklich vollkommen unmöglich!

      Meine Mutter wusste genau, was dahinter steckte. Zu allem Übel konnte sie niemandem böse sein. Aber trotzdem war es für sie schwer zu ertragen, dass mich niemand leiden konnte.

      Ja, meine Mutter war verzweifelt. Sie stellte sich wohl vor, wie ich, Klaus, bei dem neuen Chef schlürfend und schmatzend im feinen Wohnzimmer sitzen würde. Niemals würde mein Vater diesen neuen, tollen Job bekommen. Ja, sie war richtig verzweifelt, überlegte und grübelte. Und weil man dabei den Kopf hängen lässt, stieß sie mit Nachbarin Caro-Line Mac Bleistein zusammen, als diese ihren Mülleimer ausleerte.

      „Könnte Klaus für ein paar Tage bei Ihnen wohnen?“, fragte meine Mutter, „mein Mann und ich müssten in einer wichtigen Angelegenheit verreisen. Alleine!“

      Kaum waren die Worte aus ihrem Mund gesprudelt, als sie sich schon auf die Lippen biss.

      Was