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Der Autor
Dr. Jörg Koch, geb. 1968, ist promovierter Historiker, Oberstudienrat in Frankenthal/Pfalz und Stadtrat in Worms. Er hat zahlreiche Beiträge zur Wormser Stadtgeschichte vorgelegt, ebenso überregionale Titel, zuletzt »Staatliche Gedenk- und Feiertage in Deutschland von 1871 bis heute« (2019) oder »Die Pfalz. 55 Highlights aus der Geschichte« (2020).
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Umschlagbild: Faksimile der Handschrift des Lieds der Deutschen. Foto nach Wikimedia Commons. Original: Staatsbibliothek Berlin, Nachl. Hoffmann von Fallersleben, Mp. 51, Nr. 70.
1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-040184-6
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pdf: ISBN 978-3-17-040185-3
epub: ISBN 978-3-17-040186-0
kf8: ISBN 978-3-17-040187-7
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Einleitung
Der Nationalfeiertag der Bundesrepublik, der »Tag der Deutschen Einheit« am 3. Oktober, blickt auf eine kurze Geschichte zurück; er wird seit 1990 gefeiert, proklamiert anlässlich der »Wiedervereinigung Deutschlands«, d. h. des Beitritts der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik nach Artikel 23 GG. Eine weitaus längere Tradition weisen die staatlichen Gedenk- und Feiertage Volkstrauertag und 1. Mai auf: Bereits im März 1922 fand im Reichstag eine erste offizielle Gedenkstunde zu Ehren der Gefallenen des Ersten Weltkrieges statt und der 1. Mai wurde als »Feiertag der nationalen Arbeit« reichsweit erstmals 1933 zum arbeitsfreien Tag erklärt; als Protesttag der Arbeiter ist er wesentlich älter. Die geschichtlichen Wurzeln unserer Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold und damit unserer Bundesflagge liegen gar im frühen 19. Jahrhundert. Auch andere Staatssymbole können von einer langen und ebenso wechselvollen Geschichte erzählen, etwa die »Neue Wache« in Berlin. Die von Karl Friedrich Schinkel errichtete und 1818 eingeweihte »Neue Wache« dient seit dem Volkstrauertag 1993 als zentrale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Deutschland. Wie kaum ein anderer Ort vereint dieses Gebäude die so ambivalente Geschichte Deutschlands: einst preußische Königswache, dann Gedächtnisstätte der Weimarer Republik, nationalsozialistisches Ehrenmal, schließlich Mahnmal der DDR und nun Gedenkstätte der Bundesrepublik.
Als nationales Symbol zwar jünger, dennoch gleichfalls voll wechselvoller Geschichte und voller Geschichten ist unsere Nationalhymne. Ihr liegt das 1841 von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben gedichtete »Deutschlandlied« zugrunde. So bekannt dieses Lied den Deutschen ist, so wenig ist ihnen seine facettenreiche Geschichte vertraut. Sie steckt voller Widersprüche und Überraschungen. Im August 1922 wurde das aus drei Strophen bestehende »Lied der Deutschen« von Reichspräsident Friedrich Ebert zur Nationalhymne der Weimarer Republik erklärt, Adolf Hitler ließ ab 1933 nur die erste Strophe (»Deutschland, Deutschland über alles«) singen. Trotz aller, zumeist berechtigter Brüche »nach 1945« knüpfte die Bundesrepublik an das Lied mit seiner von Joseph Haydn stammenden eingängigen Melodie an; dies rief Zustimmung und Irritationen hervor. 1991, im inzwischen wiedervereinigten Deutschland, präzisierten Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl den Umfang der Hymne, die seitdem nur aus der dritten Strophe besteht: »Einigkeit und Recht und Freiheit.« Dieser Dreiklang, quasi das Motto unserer Republik, verdrängte die inhaltlich und melodisch ebenso gehaltvolle Nationalhymne der DDR »Auferstanden aus Ruinen«.
Anhand dieser Darstellung zeigt sich, wie sehr gerade die deutsche Nationalhymne und ihre Vorgänger-Hymnen als musikalischer Ausdruck des National- bzw. Staatsgefühls den unterschiedlichen Herrschaftssystemen und damit dem Zeitgeist ausgesetzt waren, wie sie als nationales Symbol verwendet und missbraucht wurden. Nationalhymnen, also feierliche Gesänge, mit denen sich ein Staat zu besonderen Anlässen präsentiert, entstanden vorwiegend im 19. Jahrhundert mit der Bildung der Nationalstaaten. Diese besonderen Lieder sind, wie auch Sprache, Religion oder Geschichte, ein Merkmal der Gemeinschaft, der Zugehörigkeit. Vergleichsweise spät kam Deutschland zu einer Nationalhymne. Längst gab es da »Nationalbank«, »Nationaldenkmal«, »Nationalfarben«, Nationalliteratur« oder »Nationaltheater«. Viel früher existierten auch die »Marseillaise«, als Revolutionslied entstanden und seit 1795 französische Nationalhymne, oder »God Save the King« bzw. (»God Save the Queen«), das seit Anfang des 19. Jahrhunderts als Huldigungshymne in Großbritannien erklingt.
Der vorliegende Band bietet einen quellenreichen Überblick zur deutschen Nationalhymne, eingebettet in rund 200 Jahre deutsche Geschichte. Er blickt auf die Vor- und Entstehungsgeschichte des »Deutschlandliedes« und zeigt, wie dieses sich ab Ende des 19. Jahrhunderts gegenüber anderen »Deutschlandliedern« als allseits akzeptierte Hymne durchsetzte und welches Schicksal ihm seit seiner Proklamation zur Nationalhymne im Jahr 1922 beschieden ist. Neben der mehr als 180-jährigen bemerkenswerten »Erfolgsgeschichte« dieses Liedes widmet sich die Darstellung ebenso gebührend seinem Verfasser August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der zu Lebzeiten mehr Ächtung als Achtung erfuhr, sowie mit kurzen Beiträgen dem Komponisten der Melodie, Joseph Haydn, und der Nationalhymne der DDR, die gleichfalls einen Teil der wechselvollen Geschichte der deutschen Nationalhymne bildet.
Für Anregungen und Hinweise danke ich Dr. Bernd Braun, Maria Reichsgräfin von Plettenberg, Theodor Cronewitz sowie Dr. Peter Kritzinger und Dr. Julius Alves vom Kohlhammer Verlag für die konstruktive Zusammenarbeit.
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Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Deutschland als Nationalstaat, wie wir ihn heute kennen, gibt es erst seit 1871. Zuvor waren die einzelnen deutschen Länder jahrhundertelang vereint im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, das nach rund 900-jähriger Existenz 1806 zugrunde ging. Nach dem politisch-militärischen Ende der Herrschaft Napoleons (1769–1821) gründeten die Staatsmänner jener Zeit auf dem Wiener Kongress 1815 den Deutschen Bund. Ein einheitliches Deutschland gab es auch weiterhin nicht; dieser Bund bestand bei Gründung aus 35 souveränen Staaten und den vier Freien Städten (Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt). Hinsichtlich Größe, Bevölkerung und Wirtschaftskraft waren die Länder sehr heterogen. Preußen mit rund zehn Millionen Einwohnern verfügte über eine Fläche von 316.000 Quadratkilometern, das Fürstentum Schaumburg-Lippe mit der Hauptstadt Bückeburg dagegen war nur 340 Quadratkilometer groß und hatte Anfang des 19. Jahrhunderts noch nicht einmal 10.000 Einwohner. Auch das Kaiserreich Österreich gehörte dem Deutschen Bund mit einem Teilgebiet an. Dieser Bund, also das damalige Deutschland, war eine völkerrechtliche Gemeinschaft ohne eine gemeinsame Hauptstadt, ohne einheitliche Flagge oder Hymne – im Gegensatz zu Großbritannien oder Frankreich. Gemeinsame Beschlüsse, etwa