Viola Maybach

Fürstenkrone Box 16 – Adelsroman


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bis ich mit deinem Vater gesprochen habe, dass er dir die Erlaubnis gibt, Mieze mit in dein Zimmer zu nehmen.«

      »Das – das würden Sie wirklich tun, Fräulein Uhlig?«, hatte das Kind außer sich gestammelt.

      Lächelnd hatte sie genickt und ihr das Kätzchen wieder in den Schoß gelegt.

      »Aber ja, Ille, gleich heute werde ich mit ihm sprechen.«

      *

      Phyllis hatte Wort gehalten. Der Baron hatte sie einen Moment sprachlos angesehen und dann mit einem versteckten Schmunzeln seine Zustimmung gegeben.

      Diese spontane Tat aber hatte das Eis um die Kinderherzen zum Schmelzen gebracht. Plötzlich fühlten sie die Zuneigung, die ihnen von dem neuen Fräulein entgegengebracht wurde.

      So abweisend und verschlossen sie sich in den ersten Tagen gezeigt hatten, so stürmisch zeigten sie ihr jetzt ihre Zuneigung.

      Phyllis war sehr glücklich darüber, und zum erstenmal nach der schmerzlichen Trennung von Holger zog wieder ein stilles Glück in ihr einsames Herz.

      Die zwei Jahre, die hinter ihr lagen, waren voller bitterer Einsamkeit und Not gewesen. Nur ganz langsam hatte ihr Herz sich zu einem stillen Frieden durchgerungen.

      Nach dem Tod des Großvaters verkaufte Phyllis das kleine Haus, um so rigoros alle Brücken hinter sich abzubrechen, die sie noch an die Heimat banden. Als sie fortfuhr, stand sie hochaufgerichtet, mit unbewegtem Gesicht, am Fenster des Zuges und sah zu dem Dorf zurück.

      Ihre Herrin, bei der sie als Gesellschafterin war, war eine alte unzufriedene Frau, der alle Güte fremd war. Sie spannte das Mädchen hart ein, und Phyllis fand kaum einen Augenblick der Besinnung. Aber es war ihr lieb so, denn so hatte sie keine Zeit, ihren quälenden Gedanken, ihrer brennenden Sehnsucht nach dem Mann, dem ihr Herz ausschließlich gehörte, nachzugeben.

      Langsam verrannen die Monate. Sie wurden zu Jahren. Noch hatte sie nicht vergessen, noch zuckte ihr Herz schmerzhaft zusammen, wenn sie an Holger erinnert wurde. Aber es war stiller und friedlicher geworden. Von dem einstigen Sehnen war nichts zurückgeblieben als eine entsetzliche Leere.

      Zum erstenmal fühlte sie sich nach dieser entsetzlichen Zeit wieder etwas befreiter und ausgefüllter, seitdem sie auf der Wasserburg weilte. Die herzliche Zuneigung der Kinder brachte wieder etwas Glück und Wärme in ihre Einsamkeit, und sie konnte sich schon nach ein paar Tagen nicht mehr vorstellen, ohne die Kinder noch leben zu können.

      Als sie jetzt mit ihnen herumtollte, da war sie wieder ein fröhliches junges Menschenkind und hatte alle Schwere für Augenblicke von sich abgeworfen.

      Die Schwermut, die sonst wie ein Schatten über ihren Zügen lag, war wie weggewischt. Ihre biegsame Gestalt bewegte sich mit geschmeidiger, anmutiger Grazie und bot ein wundervolles Bild weiblichen Charmes.

      Das empfand auch der Mann, der, von seiner heimlichen Neugierde getrieben, in den Park gegangen war, um aus der Ferne die Leibesübungen seiner Kinder zu beobachten. Baron von Lassberg hatte sich nie die Mühe gemacht, sich in eine Kinderseele zu vertiefen.

      Er hatte bisher geglaubt, dass es genüge, für das leibliche Wohlergehen und die Ausbildung der Kinder Sorge zu tragen.

      Er liebte seine Kinder, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass es damit nicht genug war, dass man es den Kindern auch zeigen musste. Seine Liebe mussten sie doch spüren, ohne dass er viel Worte darüber verlor. Wenn er auch streng zu ihnen war, so war er noch nie ungerecht gewesen, und das hätte ihnen doch verraten müssen, wie besorgt er um sie war.

      Er hatte noch nie sein Herz auf der Zunge tragen können sondern seine Gefühle hinter Grobheit und Verschlossenheit verborgen.

      Inzwischen wusste er, dass es nicht immer gut war, aber er konnte sich nun nicht mehr ändern. Man musste ihn nehmen, wie er war.

      Vielleicht wäre es seiner jungen Frau gelungen, die Herbheit seines Wesens zu mildern, denn er liebte sie von ganzem Herzen. Aber sein verschlossenes Wesen war der lebenshungrigen Frau so fremd, dass sie erst gar keinen Versuch machte, es zu ändern.

      So blieb der Mann auch in seiner Ehe allein und einsam. Als sie ihn dann wegen eines anderen verließ, weil er es besser verstand, Liebesworte zu stammeln, da zerbrach etwas in seinem Inneren, das nie mehr heilen konnte.

      Zum erstenmal war ihm nun eine Frau begegnet, die nicht voller Furcht vor seinem finsteren, unzugänglichen Wesen zurückwich, sondern mutig ihre Ansichten ihm gegenüber vertrat. Es hatte ihm mehr imponiert, als er es jemals für möglich gehalten hätte …

      Jetzt stand er schon eine ganze Weile hinter einer mächtigen Eiche versteckt und beobachtete, wie geschickt sie verstand, Spiel mit Ernst zu verbinden. Ohne dass den Kindern bewusst wurde, dass sie hier eine Schulstunde abhielten, folgten sie jeder noch so schwierigen Übung lachend und freuten sich, wenn ihre Tante Phyllis ein Lob aussprach. Hatte Miss Mabel früher nur daneben gestanden und ihre Anweisungen gegeben, so machte Phyllis jede Übung mit und ließ den Kindern ab und zu den Triumph, besser gewesen zu sein als sie selbst.

      Phyllis klatschte in die Hände.

      »Schluss für heute, Kinder«, sagte sie etwas atemlos. »Wenn ihr so weitermacht, dann werdet ihr noch einmal etwas Großes leisten können.«

      »Ooch, schon Schluss?«, maulte Ille und kam näher geschlendert. »Aber warum denn, Tante Phyllis? Du sagst doch immer, dass nur fleißiges Training zum Ziel führt.«

      Das Mädchen lächelte und strich weich über das erhitzte Kindergesicht.

      »Das stimmt schon, Ille. Aber du willst doch nicht schon in ein paar Wochen zu einer Sportskanone aufrücken, oder doch?«

      »Nee, das nicht, aber es war doch gerade so schön«, murrte die Kleine noch immer unzufrieden, während der Bruder sich faul ins Gras geworfen hatte.

      »Siehst du, Ille, auch das gehört zur Disziplin, aufhören können, wenn es noch so schön ist.«

      Es klang nicht belehrend, sondern klar und verständlich, dass selbst das Kind es verstehen musste.

      »He, willst du wohl aufstehen, Berle.«

      Phyllis war zu dem Jungen geeilt, der sich auf dem Boden rekelte und in die Sonne blinzelte.

      »Weißt du denn nicht, dass du dir eine Erkältung holen kannst, wenn du dich mit deinem erhitzten Körper auf den kühlen Boden legst?«

      Interessiert richtete der Junge sich auf.

      »Kann ich davon richtig krank werden, Tante Phyllis? So mit Fieber und allem Drum und Dran?«

      Nun war das Mädchen doch einen Augenblick verblüfft.

      »Na hör mal, das hört sich ja an, als würde es dir Freude bereiten, krank zu werden?«

      Der Junge sah sie mit leuchtenden Augen an.

      »Wirst du mich dann pflegen, Tante Phyllis?«, wollte er wissen.

      »Dass du dich nur nicht in den Finger schneidest, mein Junge. Die Jacke werde ich dir vollhauen, wenn du nicht gleich aufstehst, du Bengel. Das könnte dir so gefallen, was?«, schalt sie, aber es klang keineswegs erbost. Ihre Stimme klang weich und unsagbar zärtlich. Sie nahm den Jungen bei seinen Händen und zog ihn hoch.

      Einen Moment drückte sie ihn an sich und sah ihn ernst an.

      »Mit solchen Gedanken spielt man nicht, Bert«, erwiderte sie ernst. »Du willst doch mal ein großer gesunder Junge werden, nicht wahr?«

      Voller Vertrauen sah das Kind zu ihr auf.

      »Ich werde es nicht mehr tun, Tante Phyllis«, versprach er dann eifrig. Einen Augenblick drängte der Junge sich fester an sie. »Nur, es wäre so schön, wenn du an meinem Bett sitzen würdest und mir eine Geschichte erzähltest.«

      Eine unaussprechliche Sehnsucht klang durch die leise Kinderstimme, und sie wühlte das Herz des Mädchens auf.

      Sie zwang ein fröhliches Lachen um ihren Mund.

      »Aber