Manfred Engeli

Gottes Angebote


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ich persönliche Erfahrungen mit Gottes Wegen sammeln möchte – zu welchem lädt er mich ein?

      1.5. Finale Logik

      Ein Ausschnitt aus einem Gespräch von Jesus mit seinen Jüngern soll als Einführung in Gottes finale Sichtweise dienen:

      Seine Jünger fragten ihn und sagten: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?

       Die Jünger gehen davon aus, dass jede Sache eine kausale Ursache hat und hinter jedem Problem die Frage nach der Schuld steht.

       Jesus geht davon aus, dass es schwierige menschliche Situationen gibt, die nicht auf klar zuweisbare menschliche Schuld zurückzuführen sind. Für all diese Nöte gibt es aber göttliche Lösungen bzw. Werke, die Gott durch seine Mitarbeiter tun will.

       Die Warum-Frage ist der typische Ausdruck des kausalen Denkens der Jünger; das „Damit“ Jesu ist das Merkmal seiner finalen Ausrichtung.

       Die beiden Sichtweisen führen zu einer anderen Ausrichtung und einer anderen Vorgehensweise: Im rückwärtsgerichteten kausalen Ansatz müsste man die Ursache angehen, um deren negative Auswirkungen zu verändern; im vorwärtsgerichteten finalen Ansatz stellt sich die Frage, wie Gott sich in dieser Not durch sein Wirken verherrlichen will; die Frage nach der Ursache ist dafür nicht von Bedeutung.

       Trotz der intensiven Erfahrungen mit Jesus sind die Jünger noch immer im kausalen Denken verhaftet; sie haben Gottes Sicht- und Denkweise noch nicht übernommen.

       Dass Gott final denkt, hängt mit seinem Wesen zusammen: Das Gesetz von Ursache und Wirkung, von Saat und Ernte gehört zu den Naturgesetzen der Schöpfung.47 Gottes Segen und seine Gnade durchbrechen dieses Gesetz. Die Finalität ist die Logik der Erlösung, der Gnade und des Reiches Gottes.48 Jesus hat stellvertretend für uns geerntet, was wir gesät haben; wir dürfen ernten, was er am Kreuz für uns gesät hat.

      Auch nach mehr als zwanzig Jahren Erfahrung mit Gottes finalem Denken und seinem vorwärtsgerichteten Handeln geht es mir immer wieder so wie den Jüngern: spontan reagiere ich oft aus dem kausalen Denken heraus. Unter den Fähigkeiten, die wir als Gottes Mitarbeiter zu entwickeln haben, ist das Umstellen auf Gottes finale Sicht- und Handlungsweise etwas vom Schwierigsten. Und doch ist es für unsere Zusammenarbeit mit Gott grundlegend wichtig: Die finale Sicht ist die Perspektive des Glaubens und der Hoffnung. Wir wollen so denken lernen wie unser Meister.

      Wenn wir im helfenden Gespräch innerlich bei Gott bleiben und uns auf seine finale Sicht einlassen, wird unser Hören, Denken und Handeln dadurch bestimmt. Wir hören anders zu, halten nach anderen Lösungen Ausschau und stellen die den Verlauf des Gesprächs bestimmenden Weichen anders. Mit unserem Entschluss, uns auf Gottes Sicht- und Handlungsweise einzustellen, wählen wir auf der Zeitachse einen anderen Standort (vgl. Abb. 1).

      Abbildung 1: Finale Logik

      Weil Hören immer selektiv ist, fallen uns aus dieser Perspektive andere Elemente der Äußerungen des Klienten auf, wir greifen andere Aussagen wieder auf, ziehen andere Schlüsse und streben ein anderes Gesprächsziel an. Eines ist gewiss: Als Mitarbeiter Gottes müssen wir den finalen Standort wählen; nur so können wir erkennen, wo er bereits am Wirken ist und welches der nächste Schritt in Gottes Zukunft für den Klienten sein könnte.

      Wie können wir lernen, uns auf Gottes Denkweise einzustellen? Das beste Übungsfeld für viele seelsorgerliche Kompetenzen ist der Alltag. Dies gilt auch hier: In Alltagssituationen und alltäglichen Begegnungen können wir uns ganz bewusst auf die vorwärtsgerichteten Fragen ausrichten: Wozu? Wo ist Gott dran? Welches ist der nächste Schritt? Welches könnte nun Gottes Werk sein? So schärft sich unser Blick für Gottes Gedanken und Pläne. Wenn wir dann zudem noch beginnen, die uns selber betreffenden Ereignisse, unser eigenes Erleben und unsere Reaktionen und Entscheidungen so zu betrachten, dann gewinnen wir immer mehr Eigenerfahrung und Golddeckung in diesem für Mitarbeiter Gottes so zentralen Bereich.

      Nun kann ich mir vorstellen, dass Sie eine bedrängende Frage auf dem Herzen haben: Was geschieht bei dieser vorwärtsgerichteten Arbeitsweise mit der Vergangenheit?

      Beide hatten sich mit der vorwärtsgerichteten Arbeitsweise einverstanden erklärt; nun wich die Frau des Lokomotivführers aber immer wieder aus, wenn es um Schritte ins Neue ging: „Ich möchte ja schon …; aber mit dieser schlimmen Kindheit …“ Nach zwei, drei Gesprächen wurde ich ungeduldig. Ich berichtete ihr vom göttlichen Angebot des „Bads der Erneuerung“ und machte ihr den Vorschlag, im Vertrauen auf Jesu Werk am Kreuz alles Schlimme aus ihrer Vergangenheit dort abzulegen. Wir würden uns dafür so viel Zeit nehmen, wie sie brauche, um gar nichts zu vergessen. Sie war bereit, sich darauf einzulassen, und wünschte, dass ihr Mann dabei sein und uns in der Fürbitte unterstützen solle.

      Sie kam mit einer langen Liste ins nächste Gespräch. Ich ermutigte sie nun, jeden Stachel, jedes verletzende Wort, alle schwierigen Erfahrungen usw. Punkt um Punkt zu formulieren und dann bewusst ins Heilsbad abzulegen. Ich fragte nach und formulierte klarer, bis wir alles sauber ausgeräumt hatten. Wir brauchten zwei ganze Gespräche dafür. Das war eine Befreiung! So ist Ruhe in ihr Leben eingekehrt. In den weiteren Gesprächen konnte sie sich den Herausforderungen der Ehebeziehung stellen und Schritte nach vorn ins Neue hinein tun.

      Für entscheidend halte ich deshalb nicht die Frage, ob wir mit dem Klienten Schritte in die Zukunft tun oder Vergangenes aufarbeiten sollen; das einzig Wichtige ist, dass wir als Gottes Mitarbeiter das tun, was er jetzt im Leben dieser Person mit uns zusammen tun möchte. In seiner göttlichen Weisheit und Freiheit soll er entscheiden können, was für den Klienten gut und weiterführend ist. Aus meiner Erfahrung ist es bei Gott so: Er zieht das ans Licht, was er jetzt lösen möchte; alles andere darf weiterhin im „Bad des Heils“ ruhen.

      Impulse zur Vertiefung:

      Wie kann ich Gottes finale Denkweise auf mein Leben übertragen?

      Was aus meiner Vergangenheit wäre im „Bad der Erneuerung“ abzulegen?

      1.6. Das Lob der Torheit