Christian Efing

Semantik für Lehrkräfte


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Beispiel als Frames oder Skripts charakterisiert werden.

      Der semantische Terminus Frame geht zurück auf Charles Fillmore und gilt als Weiterentwicklung der sog. Kasusgrammatik. Er bezeichnet die mentale Repräsentation einer (aus wiederholter Erfahrung bekannten) stereotypen Situation, deren Elemente in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen und somit jedem Ausdruck für ein solches Element eine eigene semantische Rolle in Bezug auf diese Gesamtsituation zuweisen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist ein Frame, der als „Kommerzielle Transaktion“ bezeichnet werden kann. Dieser Frame umfasst zum einen mindestens die folgenden Elemente, die als Verkäufer, Käufer, Ware, Preis und Geld bezeichnet werden und mit einem Vorgang zusammenhängen, der mit den Verben kaufen und verkaufen erfasst wird. Zum anderen umfasst er Relationen, die zwischen diesen Elementen bestehen: Hierzu gehört etwa aus der Perspektive des Verkäufers, dass dieser eine Ware besitzt und diese zu einem bestimmten Preis an den Käufer abtritt; aus der Sicht des Käufers erhält dieser die Ware von dem Verkäufer gegen eine bestimmte Geldsumme.

      Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Bedeutung der einzelnen Wörter jeweils nicht allein in ihrer Relation innerhalb des Rahmens bzw. Frames besteht, sondern sich darüber hinaus auch aus deren Perspektivierung ergibt; im vorliegenden Falle manifestiert sich diese Perspektivierung auf die Verben kaufen bzw. einkaufen einerseits und verkaufen andererseits. Die Frame-Semantik geht davon aus, dass mit dem Gebrauch eines Wortes jeweils mindestens ein solcher Frame mental aktiviert und damit der Gebrauch anderer Wörter dieses Frames gesteuert wird. Ein Frame weckt somit bestimmte Vorstellungen bei der Produktion und Rezeption von Texten und bedingt somit eine bestimmte kommunikative Erwartungshaltung.

      Das Konzept eines Frames bezieht sich seiner kasusgrammatischen Herkunft entsprechend auf einen mehr oder weniger eng begrenzten Vorgang, der sich (mit Blick auf diverse syntaktische Aktanten bzw. verschiedene Beteiligte an einem bestimmten Vorgang) durch wenige zentrale Verben (wie kaufen und verkaufen oder nehmen und geben) charakterisieren lässt. Im Unterschied hierzu öffnet sich das Konzept Skript einem größeren und dabei ebenfalls mental repräsentierten Vorgangs- oder Handlungszusammenhang. Ein bekanntes Beispiel hierfür stellt das sog. „Restaurant“-Skript dar, in welchem Gastraum, Küche, Gäste, Service-Personal, Küchenpersonal, Menü-Folgen, Gerichte und Getränke usw. sowie eine Vielzahl entsprechender Vorgänge und Tätigkeiten wie kochen, servieren, essen, trinken, bezahlen usw. zusammengefasst sind und durch entsprechende Wörter zum Ausdruck gebracht werden.

      Übung 224a

      Beschreiben Sie die Elemente eines Skripts, das als „Persönliche Begegnung“ beschrieben werden kann und in dessen Zentrum das Verb (jemanden oder sich) treffen steht.

      Wie Frames wecken auch Skripts bestimmte Vorstellungen bei der Produktion und Rezeption von Texten und bedingen somit eine bestimmte kommunikative Erwartungshaltung. Dieses Prinzip kann unter anderem auch für die Wirkung von Witzen herangezogen werden. Ein kurzes Beispiel für einen Witz: Treffen sich zwei Jäger im Wald. Beide tot! Im ersten Teil dieses Witzes aktiviert das Verb (sich) treffen die Vorstellung bzw. das Skript einer kameradschaftlichen Begegnung unter zwei Waidmännern, während die Pointe im zweiten Teil des Witzes das alternative Skript einer gefährlichen Schützenhandlung der beiden Waidmänner ins Bewusstsein ruft. Der Witz funktioniert letztlich durch eine sog. Skriptopposition, d.h. eine Gegenüberstellung zweier Skripts, die anhand eines polysemen oder ambigen Wortes (wie in diesem Falle das Verb treffen) mental aktiviert werden.

      Übung 224b

      Beschreiben Sie die Elemente eines Skripts, das als „Zielschuss“ beschrieben werden kann und in dessen Zentrum das Verb (jemanden oder etwas) treffen steht. Vergleichen Sie dieses Skript mit demjenigen, das als „Persönliche Begegnung“ charakterisiert werden kann und in dessen Zentrum das Verb (jemanden oder sich) treffen steht.

      Es gibt zahlreiche Versuche, Frames und Skripts schematisch oder graphisch aufzuarbeiten und darzustellen (eine Übersicht hierzu findet sich in Busse 2012: 844–876). Ein schönes Beispiel, das die Darstellung von Frames (hier als Überbegriff, der auch Skripts umfasst) aus einem fachsprachlichen Bereich zeigt, stellt die folgende Aufarbeitung des „Strafrechtlichen Wegnahme-Frames im Sinne von § 242 StGB“ (nach Busse 2008: 49f.) dar (vgl. Abb. 224a). Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich hier weniger um die Darstellung einer alltagsnahen mentalen Repräsentation handelt, sondern vielmehr um diejenige einer fachlich spezialisierten Konzeption.

      Abb. 224a:

      „Strafrechtlicher Wegnahme-Frame im Sinne von § 242 StGB“ (Busse 2012: 875)

      Ein wesentliches Anwendungsfeld der kognitiven Semantik stellt die Erforschung künstlicher Intelligenz dar, die sog. KI-Forschung. Dort sind Frames und Skripts die Voraussetzung für die automatische Erkennung und Bearbeitung von sprachlichen Texten, indem sie die Grundlage für das maschinelle „Verstehen“ natürlichsprachlicher Phrasen und Texte bilden. – Unabhängig davon und vergleichbar der Konzeption von Prototypen und Stereotypen zeigt auch die intensive Diskussion um Frames und Skripts sowohl eine universalistische Richtung, die sich für sprachlich reflektierte kognitive Funktionsweisen überhaupt interessiert, als auch eine soziokulturelle Ausprägung, die mentale Gemeinsamkeiten einzelner sprachlicher Gemeinschaften herausarbeitet: So stellen Konzepte wie Frame und Skript als solche sprachlich reflektierte Modelle der mentalen Organisation des Menschen dar, während der Frame „Kommerzielle Transaktion“ oder das „Restaurant“-Skript konkrete Analysen mental fundierter, sprachlicher Handlungszusammenhänge darstellen.

      Literatur

      Aitchison 21994/97; Arntz/Picht/Schmitz 72014; Busse 2012; Croft/Cruse 62010; Engelberg/Rapp 2017; Gansel 2017; Konerding 1993; Rickheit/Weiss/Eikmeyer 2010; Roelcke 32010; Schwarz 32008; Staffeldt 2017; Ungerer/Schmid 22006; Ziem 2008.

      2.3 Bedeutung und Grammatik

      Bedeutung entsteht in Kommunikation keineswegs nur durch Wörter, sondern auch durch die Grammatik sowie die Situation, in der kommuniziert wird, also den Kontext der jeweiligen Äußerung. Dieser vereindeutigt zum Beispiel erst, ob ein Satz ironisch gemeint ist oder nicht. Damit steht Semantik in einem engen Verhältnis zur Grammatik wie auch zur Pragmatik.

      Mit Löbner (2003: 21) kann man daher verschiedene Ebenen ansetzen, auf denen Bedeutung entsteht bzw. die bedeutsam sind (vgl. Kap. 2.6.4 mit Abb. 264a):

      1 die lexikalische Semantik, d.h. die kontextfreie Bedeutung eines einzelnen Lexems;

      2 die Wortbildungssemantik (kompositionale Semantik);

      3 die Semantik der grammatischen Formen, die den Bedeutungsbeitrag der frei wählbaren grammatischen Formen beschreibt;

      4 die Satzsemantik, die die Regeln beschreibt, die festlegen, wie die Bedeutungen der Komponenten in einem komplexen Ausdruck zusammenwirken;

      5 die Äußerungssemantik, die die Mechanismen (zum Beispiel Bedeutungsverschiebungen) untersucht, welche Äußerungsbedeutungen ein Ausdruck im Kontext annehmen kann.

      Im Folgenden soll überblicksartig auf die Ebenen 2 bis 4 eingegangen werden, um den Zusammenhang zwischen Bedeutung und Grammatik zumindest kurz zu skizzieren. In den Kapiteln zur Frame- und Script-Semantik mit ihren Bezügen zur Kasusgrammatik (2.2.4), zur Form- und Wortbildung (2.6.1), zu Phrasen und Sätzen (2.6.2), zur Bedeutung im sprachlich-kulturellen Vergleich (2.8) sowie zum Wortschatzerwerb (3.1) werden die Zusammenhänge von Semantik und Grammatik (-Erwerb) ebenfalls aufgegriffen.

      Auf