immer unter Kontrolle, Kindchen. Was sagen Sie zu dem Whiskyraub? Eine gute Fee scheint uns in diese Gegend gebracht zu haben. Ich fühle mich sehr wohl, Kindchen. Der Tag scheint noch recht anregend zu werden.«
*
Butler Parker räumte das Feld.
Er tat es sicher nicht aus Angst vor den beiden Gaunern Pete und Rob. Er wollte einfach von der Bildfläche verschwinden, um die allgemeine Unruhe nicht noch zu vergrößern. Die Whiskyschmuggler, falls sie es waren, sollten sich wieder sorglos bewegen können.
Josuah Parker stand vor dem Ruder im Kommandostand und bugsierte das an sich recht große Boot von der Anlegestelle. Er besorgte das mit Sachverstand und Routine. In technischen Dingen kannte der Butler sich bestens aus.
Wie ein Tourist sah er allerdings nicht aus.
Er trug seinen schwarzen Zweireiher, ein weißes Hemd mit Eckkragen und eine schwarze Krawatte. Auf seinem Kopf saß die feierlich anzusehende Melone, neben ihm hing der Universal-Regenschirm, von dem er sich kaum trennte.
Parker scherte sich keinen Deut um die mehr oder weniger amüsierten Blicke der Urlauber auf dem Bootssteg. Als er sie passierte, lüftete er feierlich seine Kopfbedeckung und deutete eine knappe, aber höfliche Verbeugung an. Er entdeckte unter den Zuschauern auch John Bartlett, der ihm diskret und unauffällig winkte. Wahrscheinlich war auch der Detektiv aus Leeds froh, daß sein möglicher Konkurrent im übertragenen Sinn die Segel gesetzt hatte.
Besonders schnell war das Hausboot nicht.
Es handelte sich um einen umgebauten Kabinenkreuzer vom Typ Radiant Light, der von einem Dieselmotor getrieben wurde. Die ursprünglichen Aufbauten waren irgendwann mal entfernt und durch einen etwas kastenförmigen Aufbau ersetzt worden. Schnittig und elegant wirkte dieses Wasserfahrzeug gewiß nicht, doch es bot immerhin jene Bequemlichkeiten, die Parker schätzte.
Das Hausboot hatte die Mitte des Flüßchens erreicht. Butler Parker ließ die Schraube etwas schneller drehen und schipperte flußaufwärts. Er kam in die Nähe der Farmweiden und entdeckte auch hier liebe Bekannte.
Pete Robson, seine Schwester Maud und auch Rob standen am Ufer, doch sie winkten ihm nicht zu. Sie starrten ihn recht finster an und hegten sichtlich Groll gegen ihn. Die Dogge, die neben ihnen stand, bellte andeutungsweise.
Parker begrüßte die Gruppe zurückhaltend, aber nicht unhöflich. Sein Gruß wurde jedoch nicht beantwortet. Die drei jungen Leute samt Dogge schienen ein wenig nachtragend zu sein. Parker nahm noch etwas mehr Fahrt auf und lief auf die erste Flußbiegung zu. Es dauerte nicht lange, bis die kleine Ortschaft hinter ihm lag.
Die Landschaft wurde womöglich noch freundlicher und idyllischer. Parker passierte eine noch intakte Windmühle, deren Flügel sich im leichten Wind drehten. Er sah grasendes Vieh auf den saftigen Weiden und trabende Pferde auf einer weiten Koppel. Im Schilf duckten sich einige Wildenten ab, und vor dem blauen Himmel zeichnete sich für einen Moment tatsächlich ein Reiher ab, der langsam davonstrich.
Parker war mit sich und der Welt zufrieden.
Mit seiner Herrin war auf keinen Fall zu rechnen. Damit brauchte er auch nicht zu befürchten, wieder mal in einen Kriminalfall hineingezogen zu werden. Whiskyschmuggler interessierten den Butler nicht. Er fühlte sich schließlich nicht als der verlängerte Arm der geltenden Gesetze. Die kleine Auseinandersetzung mit dem Trio hatte er zudem als eine nette Abwechslung betrachtet, über die kein weiteres Wort mehr zu verlieren war.
Wenn nur nicht dieser Privatdetektiv John Bartlett gewesen wäre!
Josuah Parker hatte es nicht besonders gern, wenn man ihn belog oder gar für einen ausgemachten Trottel hielt. John Bartlett hatte ihn nach Strich und Faden beschwindelt und versucht, ihm einen besonders dicken Bären aufzubinden. Natürlich war dieser Mr. Bartlett kein Privatdetektiv und natürlich arbeitete er auch nicht für den Verband schottischer Whiskyhersteller, falls es diese Vereinigung überhaupt gab. Solch eine Institution hätte sich niemals an einen Privatdetektiv gewendet, sondern nur mit den zuständigen Zollbehörden zusammengearbeitet. Zudem gab es wohl keinen Privatdetektiv, der so schnell und rückhaltlos seine Karten auf den Tisch gelegt hätte.
Warum also hatte dieser John Bartlett versucht, ihm auf den Zahn zu fühlen? Welche Interessen vertrat dieser Mann? Für wen arbeitete er tatsächlich? Arbeitete er mit dem Trio Hand in Hand, oder war er ein Konkurrent dieser Gruppe?
Parker wurde abgelenkt.
Hinter seinem Hausboot tauchte ein kleines, recht schnelles Motorboot auf, das ihn bald einholte. Am Steuer saß eine attraktive junge Frau, die ihm lachend zuwinkte. Sie trug einen knappen Bikini, der kaum noch etwas verhüllte.
Die junge Frau am Steuer des Motorbootes wurde von Parkers Aussehen fast magnetisch angezogen. Sie kurvte ein, minderte die Geschwindigkeit des Bootes und schob sich nahe an das Hausboot heran. Dazu winkte sie erneut und lachte.
Josuah Parker lüftete seine schwarze Melone.
Er war ganz sicher kein Frauenfeind. Er schätzte harmonische Linien und Formen. Und was sich seinen Blicken darbot, war Perfektion. Die junge Frau hätte es fast sogar mit Kathy Porter aufnehmen können, der Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha Simpson.
Die Wassersportlerin rief dem Butler etwas zu und deutete hinter sich ins Boot. Parker konnte natürlich nichts verstehen, dazu war der Lärm des Außenbordmotors zu stark. Er verließ also den Ruderstand und trat an die Brüstung.
Das Motorboot hatte sich inzwischen dem Tempo des Hausbootes angepaßt. Die junge Frau, vielleicht dreiundzwanzig Jahre alt, formte ihre Hände zu einem Trichter und rief dem Butler erneut etwas zu. Dann deutete sie nochmal hinter sich ins Boot und bückte sich.
In Bruchteilen von Sekunden flog ein eiförmig aussehender Gegenstand auf den Butler zu, der eine peinliche Ähnlichkeit mit einer Handgranate hatte.
Und das ließ den Butler nun doch ein wenig stutzig werden.
*
»Wir werden abkürzen«, entschied Agatha Simpson. Sie hielt jäh an und griff entschlossen nach dem Atlas mit den Straßenkarten.
»Wohin wollen wir denn, Mylady?« fragte Kathy Porter, die unruhig wurde.
»Sie waren schon wesentlich konzentrierter, Kindchen«, tadelte die ältere Dame. »Haben Sie vergessen, daß wir Mister Parker überraschen wollen?«
»Aber wir wissen doch nicht, wo er sich mit seinem Boot aufhält, Mylady.«
»Aber ich kenne die Gesellschaft, bei der er das Boot gemietet hat.« Agatha Simpson schmunzelte. »Ich habe zufällig mitbekommen, wie Mister Parker mit dem Manager der Gesellschaft am Telefon verhandelte.«
Kathy Porter wußte sich darauf einen Reim zu machen.
Von Zufall konnte sicher keine Rede sein. Agatha Simpson schien Josuah Parker ein wenig nachspioniert zu haben. Sie hatte wahrscheinlich von Anfang an geplant, ihrem Butler zu folgen. Zuzutrauen war ihr das ohne weiteres.
»Ich möchte wissen, warum Sie plötzlich lächeln, Kindchen.« Die Detektivin sah ihre Gesellschafterin streng an. »Es war wirklich nur ein Zufall.«
»Natürlich, Mylady.«
»Sie glauben mir nicht?« Empörung zeichnete sich auf dem Gesicht der älteren Dame ab.
»Und wo ist der Sitz der Feriengesellschaft?« fragte Kathy, ohne auf die Bemerkung näher einzugehen.
»In East Dereham, meine Liebe. Wir können also eine Menge Zeit sparen, wenn wir die richtige Abkürzung wählen.«
Kathy enthielt sich erneut jeden Kommentars. Sie schaute gelassen zu, als die Lady Straßenpläne studierte und in Eifer geriet. Es war ohnehin sinnlos, Agatha Simpson raten zu wollen, auf der Hauptstraße zu bleiben. Wenn die Detektivin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ sie sich nicht mehr beirren.
»Sehr gut«, murmelte Lady Agatha inzwischen. Sie benutzte ihr Lorgnon, um die Zeichen auf der Karte besser zu erkennen. Die Stielbrille stammte, was ihre Form anbetraf,