Günter Dönges

Butler Parker Staffel 13 – Kriminalroman


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als Whisky! Wie denken Sie darüber, ob man sich nicht ein Fläschchen ausleihen könnte?«

      Die Antwort wartete die ältere Dame nicht ab. Sie griff nach einem bereits aufgerissenen Karton, der vorn stand, und schlug den Deckel hoch. Sie durchstöberte den Karton und holte eine Flasche hervor.

      »Sehr schön«, lobte sie und begutachtete das Etikett auf der Flasche. »Zwölf Jahre alt, Kindchen. Bei den herrschenden Preisen ist der Sattelschlepper ein Vermögen wert.«

      Lady Agatha nahm eine kleine Kostprobe. Sie wollte sich vergewissern, ob der Flascheninhalt auch dem Etikett entsprach. Ungeniert und fachmännisch zugleich setzte sie die Flasche an ihren Mund und genehmigte sich einen ausgiebigen Schluck.

      »Annehmbar«, fand sie und leckte sich die Lippen. »Möchten Sie auch mal, meine Liebe?«

      »Lieber nicht, Mylady.« Kathy war und blieb nervös. Sie sah von der Höhle aus in den Steinbruch und sorgte sich. Gewiß, die beiden jungen Männer waren von ihr fachmännisch gefesselt worden und stellten keine Gefahr mehr dar, doch mit der Rückkehr der eigentlichen Gangster war zu rechnen.

      Agatha Simpson scherte das nicht.

      Nach einer zweiten und dritten Kostprobe war sie in der richtigen Stimmung, den Sattelschlepper aus der großen Kaverne zu fahren. Sie zwängte sich nach vorn zum Fahrerhaus und stieg ein. Kathys Blutdruck stieg empfindlich an, als der schwere Diesel wenig später losröhrte. Sie brachte sich schleunigst in Sicherheit und wartete auf ein kleines Wunder. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie die Lady das riesige Gefährt bewegen würde.

      Nun, der Whisky beflügelte Agatha Simpson...

      Ein scharfer Ruck ging durch den Sattelschlepper, als Lady Agatha die Bremsen löste und ziemlich ungeniert Vollgas gab. Der Lastwagen hüpfte und vibrierte und jagte dann in wilder Fahrt aus der Höhle.

      Ganz ohne Schrammen ging die Rückwärtsfahrt zwar nicht ab, doch bevor Kathy Porter sich noch weiter sorgen konnte, stand der lange Sattelschlepper im Freien. Kein Profi hätte ihn schneller aus der Kaverne herausgebracht. Die Schrammen am Aufbau des Lastwagens zählten da überhaupt nicht.

      »Fahren Sie hinter mir her, Kindchen«, rief Agatha Simpson ihr vom Fahrerhaus zu. »Ich werde das Tempo bestimmen.«

      Kathy Porter hätte mit ihrer Lady gern noch über Details gesprochen, doch Agatha Simpson stieß den Sattelschlepper weiter zurück, wendete und brauste dann voller Optimismus los.

      Kathy lief zum Rover hinüber, auf dessen Rückseite sich die beiden jungen Männer befanden. Sie waren inzwischen zu sich gekommen und sahen sie finster an.

      Kathy setzte sich ans Steuer und mußte sich beeilen, um nicht den Anschluß zu verlieren.

      Es hing gewiß nicht mit dem genossenen Whisky zusammen, daß der schwere Lastwagen sich in Schlangenlinien bewegte. Agatha Simpson mußte sich erst mal mit den Kräften der Lenkung vertraut machen. In einer Art Walzerrhythmus raste sie mit dem Sattelschlepper durch die Gegend und ließ eine mächtige Staubwolke hinter sich. Kathy Porter mußte notgedrungen das Tempo des Rovers drosseln, um überhaupt etwas zu sehen.

      Davon ahnte die Detektivin nichts.

      Sie hatte sich inzwischen zurechtgefunden, steuerte die Landstraße an und fühlte sich ausgezeichnet. Ihre Augen funkelten vor Freude und Lust. Sie erfüllte sich eine Art Kindheitstraum und hätte am liebsten laut gesungen.

      Der Lastwagen ließ sich übrigens erstaunlich leicht fahren. Lady Agatha hatte sich das schwerer vorgestellt. Sie freute sich auf das Gesicht eines gewissen Mr. Higgins. Dieser Mann suchte seit Stunden verzweifelt nach dem verschwundenen Sattelschlepper mit Whisky, den sie ihm jetzt mit ein paar anzüglichen Bemerkungen servieren wollte.

      Lady Agatha freute sich aber auch auf ihren Butler. Ganz allein und ohne seine Hilfe löste sie hier einen Kriminalfall, während er Urlaub machte. Das würde ihm zeigen, daß eine Lady Agatha auch allein zurecht kam.

      Agatha Simpsons Euphorie wurde ein wenig gebremst.

      Von der Landstraße, die bereits zu sehen war, bogen zwei Wagen ab und kamen auf sie zu. Es handelte sich um zwei kleinere Lieferfahrzeuge mit Kastenaufbauten. Sie bremsten kurz ab und ... stellten sich dann quer. Sie blockierten die geschotterte Zufahrtsstraße und wollten den Sattelschlepper offensichtlich aufhalten.

      Die Fahrer der beiden Lieferwagen hatten sicher keine Ahnung, wer am Steuer des Sattelschleppers saß, sonst hätten sie bestimmt vorsorglich die Flucht ergriffen.

      *

      Butler Parker war mit seinem Hausboot vor Anker gegangen.

      Er hatte sich einen kleinen See ausgesucht und das Boot gleich hinter dem Zufluß des Flüßchens ins Schilf gedrückt. Um es zu entdecken, mußte man schon recht gut aufpassen und sich umsehen.

      Nach dem Zwischenfall mit der Eierhandgranate stand es für ihn fest, daß er zum Gegenangriff überging. Bisher hatte er sich passiv verhalten, nun wollte er aktiv werden.

      Der Butler sortierte seine Verteidigungsmittel und verschaffte sich einen Überblick.

      Um den Inhalt seines schwarzen Spezialkoffers brauchte Parker sich nicht zu kümmern, er war ihm nur zu vertraut. Enthalten war eine Anzahl von Überraschungen, die der Butler nach Lage der Dinge einsetzen konnte. Im Augenblick interessierte Parker sich mehr für die Signalpistole, die mit zur Ausstattung des Hausbootes gehörte. Und da waren ein Anlegehaken, eine Angelausrüstung, recht schwere Fender und schließlich noch einige Plastikeimer, alles Dinge, die man zweckentfremden konnte.

      Josuah Parker wurde abgelenkt.

      Vom Seeufer her hörte er den Lärm schwerer Motorräder. Sehen konnte Parker allerdings nichts, dazu stand das Schilf zu hoch. Als die Motoren plötzlich abgestellt wurden, erhöhte sich seine Wachsamkeit. Er hatte das Gefühl, als sei er aufgespürt worden. Parker ging unter Deck, um kein Ziel zu bieten. Von einem der Kabinenfenster aus beobachtete er das Schilf.

      Er konnte sich gut vorstellen, daß dieser John Bartlett einen weiteren Versuch unternahm, ihn aus dem Weg zu räumen. Nachdem die Eierhandgranate versagt hatte, versuchte der angebliche Privatdetektiv es wohl mit einer anderen Methode.

      Parker brauchte nicht lange zu warten.

      Plötzlich bewegte sich das Schilf. Halme brachen und gerieten unter Wasser. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er die ersten Angreifer entdeckte. Es handelte sich um junge Männer, die recht seltsam, ja gefährlich aussahen. Sie trugen nur ihre slipartigen Unterhosen und waren sonst nackt. Ihre Gesichter waren allerdings nicht zu erkennen. Sie verbargen sich hinter supermodernen Jethelmen.

      Es handelte sich um sechs Angreifer, die durch das schlammige Wasser wateten und nicht recht vorankamen. Die starken Schilfhalme boten ein Hindernis, das nicht so leicht zu überwinden war. Die sechs jungen Männer ruderten mit ihren Armen in der Luft herum und arbeiteten sich fast wütend vor.

      Parker ging an Deck und lüftete höflich seine schwarze Melone.

      »Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Tag zu wünschen«, schickte er erst mal höflich voraus. »Sind Sie möglicherweise vom Weg abgekommen?«

      Sie antworteten nicht und mühten sich ab, noch schneller an das Hausboot heranzukommen, doch der Schlamm hielt ihre Füße und Beine fest. Aus dem geplanten Sturmangriff wurde nicht viel.

      »Hegen die Herren etwa einen Groll auf meine bescheidene Wenigkeit?« fragte Parker weiter.

      Sie antworteten nicht.

      »Hoffentlich ist Ihnen bewußt, daß es hier Aale und Blutegel gibt«, warnte Josuah Parker die jungen Männer. »Sie lieben die Schlamm- und Schilfregion dieses Sees.«

      Der Hinweis hemmte den Schwung der sechs jungen Männer, die bereits bis zum Bauch im Wasser standen. Aale erinnerten sie wahrscheinlich an Schlangen, und die mochte man gewiß nicht. Die Aussicht, von einem Blutegel an einer besonders empfindlichen und exponierten Körperstelle erwischt zu werden, behagte ihnen überhaupt nicht.

      Die sechs jungen Männer riefen sich Worte