G.F. Barner

G.F. Barner Jubiläumsbox 9 – Western


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– zu lange, Bill. Diesmal soll der hinterlistige Halunke sich wundern. Ich habe Walsh, und ich setze ihn auf die Spur. Dann soll er mir den Kerl bringen, aber lebend.«

      »Meinst du. Walsh sieht mehr als John Warren?«

      Kaum hatte der Vormann den Namen des Sheriffs erwähnt, als der Alte in die Höhe fuhr und brüllte: »Komm mir bloß nicht mit diesem Schläger, der ist die längste Zeit Sheriff gewesen. Wer sich gegen mich stellt…«

      »Lion, an John beißt du dir die letzten Zähne aus«, unterbrach Shivers seelenruhig und mit einem flachen Grinsen. »Niemand sollte das besser wissen als du. Du hast dich damals mit Abe Harris auf John Warren geeinigt, weil ihr einen neutralen Mann haben wolltet – er ist neutral!«

      »Was?« schrie McGruder wild. »Neutral? Wenn John neutral ist, dann will ich ein haariger Affe sein! Er hat meine Männer daran gehindert, diesem Harris die Ohren abzureißen und die Nase zu verbiegen. Er hat mir gedroht, meine Männer einzusperren. Zur Hölle mit John Warren!«

      Shivers gab einen Richtungsschuß ab. Seltsamerweise dachten beide Männer nicht im Traum daran, zu Fuß zu gehen. Ehe ein richtiger Reiter zu Fuß durch die Gegend zog, mußte es schon schlimmer kommen. Shivers hatte zwar keine Männer zur Ostweide geschickt, aber im Normalfall schlief der Wasserholer dort, wenn das Wasser auf der Weide knapp wurde. Viele Arbeiten auf der Circle Ranch wurden ohne Anweisung des Vormannes automatisch erledigt. Und da es schon seit sechs Wochen nicht mehr geregnet hatte, fuhr der Wasserwagen abends noch einmal hinaus, um den Tank zu füllen.

      »Jesse wird sicher mit dem Wagen kommen«, sagte Bill Shivers. »Bis wir dann auf der Ranch sind, vergehen drei Stunden. Und ehe Walsh hier ist, dürfte es beinahe hell sein. Lion, du solltest jemanden zu John schicken, damit er sich auch umsieht. Ich bin nicht sicher, ob Walsh nicht zu schnell auf den Heckenschützen schießt, wenn er ihn wirklich findet. Ein Toter redet nicht mehr. Und der Kerl soll doch reden, oder?«

      »John wird alt«, knurrte McGruder. »Am liebsten sitzt er in meiner Stadt und dreht die Daumen. Dann schicke ich schon lieber Howie mit Jim Lawson los. Mein Junge versteht auch was von Spurenlesen.«

      Shivers schwieg, denn er redete nicht gern über Howard McGruder, den Sohn des Alten. Man nannte ihn nur Howie. Er glich in vielen Dingen seinem Vater, denn er konnte genauso wild werden, allerdings arbeitete er ungern, und das unterschied ihn von dem Alten.

      »Warum sagst du nichts?« fragte McGruder mißmutig. »Traust du Howie nichts zu?«

      »Außer Dummheiten und blöden Späßen nichts«, gab Shivers offen zurück. »Ich halte jede Wette, daß er gar nicht auf der Ranch, sondern noch immer in der Stadt ist. Wenn wir Glück haben, ist der Buckboard vielleicht morgen fertig. Howie sitzt todsicher noch in Charlie McClures Saloon.«

      »Du gönnst dem Jungen gar nichts.«

      »Ebensoviel wie seinem Bruder Der konnte sich solche Dinge nicht...«

      »Dafür hat der sich das ganz große Ding geleistet!« brüllte McGruder los. »Heiratet ein Mexikanergirl! Nein, soweit hat es Howie allerdings nicht getrieben. Howie würde mir das nie antun.«

      Das vielleicht nicht, dachte Bill Shivers, dafür aber andere Verrücktheiten.

      *

      Charlie McClure hatte das Gefühl, einen Eiszapfen ins Genick gepreßt zu bekommen. Der Besitzer des größten Saloons in Sulphur Springs starrte die beiden Männer an, dann Howie McGruder und Jim Lawson, den Zureiter der McGruder Ranch, und Bateson Michaels, den Totengräber, Organisten und Kirchenglockenläuter von Sulphur Springs. Der vierte Mann am Tisch war Humphrey McTire, ein fahrender Händler.

      Humphrey blickte auch zur Tür. Dann fiel ihm die Zigarre aus dem Mund, und er zerknitterte vor Schreck die fünf Pokerkarten.

      Die beiden Männer kamen grinsend herein, sahen aber nicht zum Spieltisch. Cannonball Jackson war der größte Raufbold von Apachepass bis Yuma, zudem brach er manchmal Pferde ein, oder er schlug Männer ungespitzt in den Boden. Er hatte so lange Arme, daß er sich mühelos in den Kniekehlen kratzen konnte. Auf seinem völlig behaarten Oberkörper saß ein mächtiger Kopf, dessen Ähnlichkeit mit einem Affenschädel unverkennbar war.

      Dem zweiten Mann fehlte ein Ohr. Darum hieß er auch Einohr-Joe Murphy. Dem Mexikaner, der ihm mit einem Messer das eine Ohr abgetrennt hatte, fehlte nichts mehr. Joe hatte ihn zwei Sekunden später erschossen. Einohr-Joe Murphy hatte einen Kugelkopf, ein Froschmaul und Riesenfüße.

      Beide gehörten zur Mannschaft von Abraham Harris, des nächstgrößten Ranchers und erklärten McGruder-Feindes. Jackson und Murphy hatten schon mehrfach die Reiter McGruders verdroschen. Sie hielten sich sonst bei Rossuan, im zweiten Saloon von Sulphur Springs auf.

      Cannonball Jackson pendelte im Gorillagang dem Tresen entgegen. Einohr-Joe blieb schon kurz vor der Theke stehen, weil seine Stiefelspitzen bereits an die Scheuerleisten stießen. Dann sahen sie McClure grinsend an, und dem zitterten die Knie.

      »Durst!« sagte Cannonball so krächzend, als hätte er zum Abendbrot Stacheldraht verschlungen.

      »Bier – vier Gläser!« sagte Einohr-Joe und wackelte mit demselben, das er noch besaß. »Charlie, aber randvoll, sonst pusten wir dich aus dem Hemd, verstanden? Hast du schon von unserem neuen Prachtexemplar für das Anual-Rennen in Tucson gehört? So einen Gaul findest du in ganz Amerika nicht noch mal.«

      »Nnnein, ich habe nichts von – von ihm gehört«, erwiderte Charlie McClure stotternd. »Also – Bier.«

      »Denkst du Wasser?« schnaubte Cannonball und schielte tückisch. »Pferde saufen Wasser, wir doch nicht. Wir haben nicht nur den einen prächtigen Gaul, sondern noch drei andere. Dieses Jahr gewinnen wir das Rennen der Buckboard-Wagen gegen die übrigen lahmen Ziegenböcke, besonders gegen die eines gewissen Herrn.«

      »Meinst du meinen Vater?« fragte Howie McClure scharf und sah sich um. »Wenn jemand in diesem Land Ziegenböcke hat, dann doch wohl nicht wir, oder, Jim?«

      »Howie, Howie, John Warren ist mit meiner Schwester Nora weggefahren«, sagte Charlie warnend. »Big John ist nicht da, hörst du?«

      Howie McGruder zuckte leicht zusammen. Daß der Sheriff gerade nicht in Sulphur Springs weilte, hatte er nicht gewußt. Während Warrens Anwesenheit wagte es kein Harris-Reiter, mit Männern von der McGruder Ranch Streit anzufangen. Sie hatten das zweimal gewagt, um anschließend im Jail zu landen. John Warren duldete keine Prügelei, bei der Eigentum oder Leben von Bürgern in Gefahr kommen konnte.

      Einen Moment schien Howie zu überlegen, dann zuckte er die Achseln.

      »Na und?« entgegnete er. »Ob der alte schlitzohrige Bursche nun hier ist oder nicht, ich sage doch, was ich will, Charlie.«

      Cannonball und Einohr-Joe hatten sich umgedreht und starrten Howie mit funkelnden Augen an.

      »Joe, hat der Hundesohn uns gemeint?« fragte Cannonball zischelnd. »Ich glaube, das Greenhorn spielt auf unsere Pferde an. Hat er sie schlecht gemacht?«

      »Hat er«, bestätigte Einohr-Joe giftig.

      »Hast du Hundesohn gesagt,

      du entsprungener Menschenaffe?« fauchte Howie und sprang auf. »Cannonball, hast du meinen Vater einen Hund genannt?«

      Cannonball und Einohr-Joe wechselten einen kurzen Blick, dann spuckte Jackson aus – Howie direkt auf den rechten Stiefelspann.

      »Jetzt ist er ganz und gar verrückt geworden«, stänkerte Cannonball Jackson. »Nun lügt er auch noch in aller Öffentlichkeit, der Schmierlappen. Charlie, habe ich seinen Vater einen ›Hund‹ genannt?«

      »Nein, das – das hast du nicht«, stotterte Charlie McClure erbleichend. »Du hast ›Hundesohn‹ zu ihm gesagt.«

      »Charlie, du feiger Halunke!« schrie Howie McGruder wild. »Ich bin der Sohn meines Vaters, und wenn ich ein Hundesohn bin, muß mein Vater ein Hund sein, oder? Cannonball, das wirst du zurücknehmen, oder ich nehme den Colt! Ein, zwei…«

      Howards Rechte schwebte