G.F. Barner

G.F. Barner Jubiläumsbox 9 – Western


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erstaunt aufgerissenen Augen in jenen Mann, der er einmal gewesen war. Kaum stürzte er mit Einohr-Joe zu Boden, als er sich blitzschnell aus dem Klammergriff befreite, herumrollte und ausholte. Slaters Fausthieb landete auf Joes rechtem Auge. Einen Moment sah Einohr-Joe nichts als Feuer, und danach war es schon zu spät. Slater schmetterte ihm die Faust an die Schläfe. Benommen und schwer getroffen von dem fürchterlichen Hieb, wälzte sich Joe Murphy herum. Slater war bereits auf den Beinen, sprang wie ein Tiger los und packte den nächsten Stuhl. Es wäre um Einohr-Joe geschehen gewesen, wenn Cannonball nicht eingegriffen hätte. Der hielt noch immer die Flasche in der Faust. Der stiernackige Bursche kam auf die Knie, sah, wie Slater den Stuhl ergriff, und schleuderte seine Flasche fluchend nach dem Stuhlschwinger. Sie traf dessen Hinterkopf.

      Archie Slater, der einst gefürchtete Schnellschießer, knickte zusammen. Cannonball fing ihn auf, ehe er zu Boden stürzen konnte.

      »Hoch mit dir, Joe!« fauchte er seinen Partner an. »Ich habe ihn.«

      Einohr-Joe stemmte sich ächzend in die Höhe. In derselben Sekunde sah er Cannonballs verstörten, starren Blick. Der Gorilla stieß Slater von sich, und dann schrie er warnend: »Vorsicht, Joe, hinter dir!«

      *

      Joe Murphy wirbelte sofort herum, doch es war schon zu spät. Obwohl Einohr immer behauptet hatte, daß er vor Big John Warren keine Angst habe, duckte er sich voller Furcht. Der mehr als sechs Fuß große Sheriff hielt sein gefürchtetes Gewehr, eine siebenschüssige Savage mit achteckigem Lauf, bereits schlagbereit erhoben. Murphy sah nur ein Blinken. Das Gewehr sauste herum.

      Der Hieb traf Einohr-Joe seitlich am Kopf. Joe erblickte ein Feuerwerk, ehe es dunkel um ihn wurde. Warren wirbelte wieder zurück. Keine Sekunde zu spät, denn Cannonball Jackson kam bereits.

      Er hatte immer behauptet, daß er bei der ersten Gelegenheit mit Warren aufräumen würde. Nun war seine Stunde gekommen, und er zögerte nicht, gegen Warren anzugehen.

      John Warren hatte von Jacksons Drohung gehört. Big John Warren schnellte zur Seite.

      Rossman glaubte in diesem Moment, daß der Sheriff hinten Augen hätte. Warren sprang los, als Cannonball Jacksons Hände ihn packen wollten. Cannonball schoß schwungvoll an Warren vorbei.

      Im selben Augenblick schmetterte ihm Big John Warren die Linke ohne erkennbaren Ansatz mitten ins Gesicht. Cannonball Jackson schoß bis zum Tresen und stieß ein stumpfes Stöhnen aus.

      »Hast du nicht gesagt, du würdest mich in Stücke schlagen?«

      Jackson machte eine Rechtswendung. Daß er sich zur falschen Seite gedreht hatte, bemerkte er zu spät. Big John war nach links gesprungen. Diesmal feuerte der Sheriff die Rechte ab. Die Faust traf Cannonballs linkes Auge. Er sah Feuer, riß seine Arme deckend hoch und krümmte sich dann mit weit aufgesperrtem Mund zusammen.

      Big John Warren hatte ihm die Linke unter die Rippen gesetzt.

      »Noch einer!« sagte Warren so eiskalt und ruhig, daß Rossmann und den übrigen Männern ein Schauder über den Rücken rieselte. »Nur noch einer, Mister!«

      Der beste Mann von Abraham Harris ahnte, was auf ihn zukommen würde. Instinktiv kreuzte er die Arme schützend über dem Kopf. Warren sprang jedoch an ihm vorbei, drehte sich blitzartig und schmetterte ihm die Faust in den Nacken.

      Alles starrte auf Cannonball Jackson. Der Mann mit den überlangen Armen war wie gelähmt stehengeblieben. Seine Arme sanken kraftlos herab.

      Einige fürchterliche Sekunden stand Cannonball Jackson in dieser erbärmlichen Haltung vor dem Tresen. Niemand sah sein Gesicht, denn er hielt den Kopf gesenkt.

      Und plötzlich kippte er jäh nach vorn und schlug der Länge nach auf die Dielen.

      Es war totenstill. Rossmann war bleich wie der Tod. Archie Slater saß dumm glotzend am Boden.

      »Was war hier los?« fragte John Warren eisig. Er rückte seinen breitrandigen Stetson zurecht, ergriff sein Gewehr und blickte Rossman scharf an. »Wird’s bald, Jeff?«

      Der Salooner schluckte, berichtete mit gepreßter Stimme und sah zur Tür. Dort stand jetzt Nat Weisers Witwe Judy, eine große, schlanke blonde Frau. Hinter ihr war ein Moment Nora McClures flammendrotes Haar zu erkennen, aber Nora blieb draußen. Sie hätte Rossmans Saloon niemals betreten.

      »John – John!« rief Judy Weiser erregt. Sie mußte sehr schnell gelaufen sein, denn Warren war von Noras Wagen vor dem Store gestiegen, als ihm jemand zugerufen hatte, daß Cannonball und Einohr-Joe sich mit Archie prügelten. »John, um Gottes willen, was ist passiert?«

      Ihre Sorge um den Säufer Archie war unverkennbar. Wenn auch alle Leute glaubten, daß sie sich aus reiner Nächstenliebe nur um ihn kümmerte – Sheriff Big John Warren dachte anders darüber.

      »Das wird sich im Jail schon herausstellen«, erwiderte er. »Ich sperre sie alle ein. Judy, kommen Sie später vorbei, jetzt halten Sie sich heraus. Verstanden?«

      »John, Sie können ihn nicht zusammen mit diesen wilden Tieren einsperren!« protestierte Judy Weiser erregt. »Die bringen ihn auch im Jail um!«

      »Judy!« fuhr er sie scharf an. »Alles verläßt den Saloon. Er ist geschlossen, Rossman! Ich werde diese beiden entlaufenen Affen in die geschlossene Einzelzelle sperren. Archie, du wanderst in die große Zelle, dort bist du vor den Kerlen sicher.«

      Die Gäste verließen den Saloon. Judy Weiser wagte nichts mehr zu sagen.

      *

      Archie Slater blickte zur einzigen Zelle des Jails, die von einer festen Eisentür verschlossen und so klein war, daß von zwei Männern einer auf dem Boden liegen mußte. Cannonball und Einohr-Joe hatten es aufgegeben, in dem engen Loch zu toben. Der seltsame Sheriff Warren lag in seinem Lehnstuhl, hatte die Beine auf den Schreibtisch gelegt und rauchte. Obwohl Archie Big John seit vier Jahren kannte, wurde er immer noch nicht klug aus ihm.

      Warren stammte aus Texas, war Marshal in New Mexico, Colorado, Sheriff in Nevadas Minenstädten und nun – dies sollte sein letzter Job sein – Sheriff von Sulphur Springs.

      »He, John«, fragte Archie mürrisch, »was hast du mit Judy Weiser vor der Tür zu reden gehabt?«

      »Ich habe ihr gesagt, daß sie sich nicht um dich verdammten Säufer kümmern soll«, antwortete er. »Erstens ist sie viel zu schade für dich, zweitens hat sie einen fünfjährigen Sohn, den kleinen Joey, und drittens bist du völlig am Ende, Mister. Seit der Sache in Nogales bist du fertig. Und du weißt, daß du keinen Colt mehr halten kannst, weil deine Hände zittern. Ich habe es mir nun lange genug mit dir angesehen, Archie, und ich sagte dir, daß du Judy nur unglücklich machen wirst – sie und Little Joey, der zufällig an dir hängt, als wärest du sein Vater.«

      Archie knirschte vor Grimm mit den Zähnen, als Warren sich auf die Pritschenkante setzte und ihn eiskalt ansah.

      »Laß mich allein, John!« zischte er dann. »Raus hier, ich will allein sein!«

      »Feiglinge sind nie allein, ihre Angst begleitet sie auf Schritt und Tritt«, entgegnete Warren verächtlich und wandte sich ab. »Die Frau in Nogales war ein Banditengirl, aber für dich war sie eine Frau wie jede andere. Nun gut, sie hat dich mit ihren letzten Worten verflucht. Seitdem bist du ein Feigling, denkst aber an eine Frau wie Judy. Dazu hast du Dreckskerl kein Recht, denn du bist kein Mann mehr, du bist nie einer gewesen. Das alles habe ich Judy gesagt, damit sie dich zur Hölle schickt und…«

      Und weiter kam er nicht. Archie Slaters Rechte hatte sich unauffällig zum Stiefelschaft bewegt. Sie zuckte blitzschnell hoch – mit einem großen Kappmesser und drückte es an Warrens Hals.

      »Du Hund!« stieß Archie durch die Zähne. »Wie oft hast du mich getreten? Wie oft hast du mir gesagt, daß ich nur aus Feigheit saufe? Jetzt habe ich genug! Ich schneide dir den Hals durch! Paß auf, du verfluchter Schurke!«

      *

      Der Sheriff blieb stocksteif sitzen. Sein Blick wanderte langsam zum kalten Stahl hinunter. Obwohl Archie nun ganz durchdrehen und ihn töten konnte, wußte Warren