es jetzt eine Methode, eine derartige Bewegung zu konstatieren. Nachdem es gelungen war, die subjektive Erscheinung des Lichtes als eine meßbare Wellenbewegung zu objektivieren, zeigte es sich, daß in dem von den Sternen ausgesandten Lichte meist nur Wellen von bestimmter Schwingungsdauer enthalten sind, in Folge dessen im Spektrum der Sterne nur einzelne helle Linien an genau meßbarer Stelle auftreten. Bewegt sich nun der Stern mit einer gewissen Geschwindigkeit gegen die Erde, so wird dadurch die Wellenlänge um ein weniges verkürzt, die Strahlen werden im Prisma etwas stärker gebrochen, und die Spektrallinien erscheinen daher von ihrer Stelle gerückt. So minimal auch diese Verschiebung ist, so ist sie doch für die moderne Technik meßbar, und es ergibt sich daraus die Geschwindigkeit des Sternes gegen die Erde, die durch keinen menschlichen Sinn direkt wahrgenommen werden kann. Man erkennt in diesem Falle, wie durch die Zurückführung der sinnlichen Erscheinungen auf meßbare räumliche Beziehungen ganz neue Wirklichkeitsgebiete geschaffen werden. Die Bewegung des Fixsternes wird jetzt ein Teil der objektiven Natur, Man braucht nur an die Entwickelung der Elektrizitätslehre zu denken, um zu verstehen, wie hier Vorgänge, für welche wir gar keinen spezifischen Sinn besitzen, in den gesetzlichen Zusammenhang der Wirklichkeit durch die Fortschritte der Kultur eingetreten sind. Jede Entdeckung, die ein bloß subjektives Ergebnis zu einem gesetzlichen Geschehen objektiviert, eröffnet dadurch neue Mittel, durch welche die subjektiven Zentren des Bewußtseins in Verkehr treten und das Gebiet der Naturobjekte erweitert wird. Die Schallwellen, die Ätherschwingungen, die elektrischen Ströme sind solche neue Naturobjekte, die früher nicht da waren; d. h. sie waren nicht da als eine objektive Gesetzlichkeit, sondern nur in ihren subjektiven Wirkungen, in unserem unbestimmten Erlebnis. Wenn ein Gebiet der Sinneswahrnehmungen, wie Hören oder Sehen, eine Darstellung in mathematischer Theorie erfährt, so gewinnt dadurch die Menschheit ein neues Realitätsgebiet, zahllose Beziehungen treten auf, von denen vorher nichts zu bemerken war. Es würde z. B., wenn es gelänge, die Gerüche auf mathematische Gesetze zu bringen, offenbar ein neues Naturgebiet geschaffen werden, von dem man jetzt nicht sagen kann, welche neuen Verkehrsmittel für die Subjekte es darbieten würde, vermutlich nicht geringere, als sie die wissenschaftliche Akustik, Optik, Wärmelehre, Elektrotechnik und Chemie erzeugt haben.
In diesem Sinne ist Natur niemals etwas Abgeschlossenes, sondern entwickelt sich mit der Erkenntnis und unter fortwährender Korrektur durch die Erkenntnis zu einem System, das als eine gesetzliche Verbindung der Erscheinungen sich immer deutlicher von den Vorgängen sondert, die wir in den individuellen Systemen der menschlichen Leiber erleben. Diese aber lösen sich dadurch nicht von der Natur, sondern lassen die Art ihrer Verbindung mit ihr um so genauer erkennen, je strenger die von ihnen unabhängigen Erscheinungen gesetzlich bestimmt werden als das System des objektiven Naturgeschehens.
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Die Natur als Produkt der Erkenntnis auffassen, heißt keineswegs an der Realität der Naturerscheinungen rütteln. Denn Erkenntnis ist ja gerade der Vorgang, wodurch objektive,, allgemeingültige Tatsachen festgelegt werden. Aber diese idealistische Auffassung des Seins ermöglicht ein Verständnis für die Realität der Objekte, wonach nun die subjektive Realität der Vorstellungswelt in gleicher Linie mit ihnen gestellt werden kann, indem sich beide als ein notwendiger Zusammenhang derselben gesetzlichen Entwickelung ergeben, nicht als ein Übergang zweier verschiedener Arten des Seins in einander.
Ein Körper ist nämlich nichts anderes als eine gesetzliche Bestimmung, daß sich gewisse Veränderungen im Raume vollziehen müssen, die wir als Wechselwirkung mit andern Körpern, oder – mit dem modernen naturwissenschaftlichen Ausdruck – als Energieumwandlungen bezeichnen. Zu dieser Bestimmung gehört es auch, daß, wenn der Körper zu meinem menschlichen Leibe in eine gewisse räumliche Beziehung tritt, Veränderungen in diesem meinem Leibe auftreten. Nun ist mein individueller Geist seinerseits nichts anderes als eine gesetzliche Bestimmung, daß eine außerordentlich große Anzahl von räumlich-zeitlichen Veränderungen eine Einheit bilden, die als ein »Ich« erlebt werden. Unter diesen räumlich-zeitlichen Beziehungen findet sich auch die immer wiederkehrende, die ich meinen Leib nenne. Seine Veränderungen werden daher als Veränderungen meines Ich erlebt, und somit erlebe ich einen Körper, der auf meinen Leib wirkt, eben als eine Veränderung am Inhalt der gesetzlichen Bestimmung, die mein individueller Geist heißt. Dieses »Erleben« ist nur die Bezeichnung dafür, daß eine Veränderung des Systems stattfindet, das mein Ich heißt; aber es bedeutet nicht, daß eine andre Art des Seins zu der Veränderung meines Leibes hinzutrete.
Was »Erleben« ist, das kann man niemand beschreiben, es ist eben die unmittelbare Erfahrung, die jeder an sich macht, und wodurch er weiß, daß er existiert; die Erfahrung, daß ein Inhalt Veränderung erleidet. Farben, Widerstände, Temperaturen usw. erfüllen als Qualitäten von Gegenständen Raum und Zeit; diese Tatsache und die Tatsache ihrer Veränderung, verbunden mit dem Zustande, den wir unser Gefühl nennen, ist unser Erlebnis. Wieweit wir etwas »erleben«, soweit reicht unser Ich. Woher aber das »Erleben« kommt, das kann nicht erklärt werden, weil es die ursprüngliche Tatsache ist, auf die alle Erklärungen zurückweisen; es ist das gegebene Ereignis, das Grundphänomen, das vorausgesetzt werden muß. Erlebnis ist also die Form, in welcher uns Bestimmungen des räumlich-zeitlichen Inhalts überhaupt entgegentreten. Wir kennen es nur an unserm eigenen Ich und sonst nirgends in der Welt; aber wir haben unwiderlegbare Gründe, dies Erleben bei zahllosen anderen Einheiten vorauszusetzen, und diese nennen wir bewußte Wesen oder individuelle Geister.
»Ich bin ein Geist« heißt somit: »ich erlebe etwas«. Dieses »Etwas«, das ich erlebe, ist der Inhalt meines Ich; es wird erlebt. Der Inhalt und das Ich sind nicht zu trennen, eines ist ohne das andere nicht denkbar. Insofern der Inhalt als eine Einheit erlebt wird, haben wir ein Ich, einen Geist, ein Erlebendes, insofern aber jede Einheit eine Mannigfaltigkeit voraussetzt, die eben in ihr eins ist, haben wir einen Inhalt, ein Erlebtes. Das, was wir das Geistige zu nennen pflegen, hat also gar nichts an dem Inhalt des Erlebten zu bewirken, es ist nur der Beziehungspunkt, die Einheit, wodurch ein gewisser Inhalt jenes System bildet, das ich mit dem Charakter der Bewußtheit als mein Ich kenne. Aber alles, was ich erlebe, erlebe ich als Inhalt so, wie es ist. Die Veränderungen, welche die Körper und mit ihnen mein Leib gegenseitig erleiden, sind diejenigen gesetzlichen Beziehungen im Raume, die wir als Natur bezeichnen. Ob sie erlebt werden oder nicht, das ändert an ihnen und ihren Gesetzen gar nichts. Sie bleiben genau, was sie sind, und was wir nach wissenschaftlichem Sprachgebrauch unter Körpern verstehen. Wenn sie von einem Ich erlebt werden, so verwandeln sie sich dabei nicht in etwas Geistiges, sondern sie bilden jetzt nur durch die Verbindung mit dem Leibe eines Menschen neuen Inhalt, eine Mannigfaltigkeit flüchtigerer und unbestimmterer Art, deren Einheit inbezug auf die Körper immer noch das Gesetz (System) ist; für sich genommen aber erlebt sich dieser neue Inhalt (als Mannigfaltigkeit in der Einheit) selbst und heißt dann ein » Ich«. Daß also in der Naturgesetzlichkeit des räumlich-zeitlichen Weltinhalts das Phänomen des Erlebens, das Ich-sein, sich vorfindet, ändert nichts an der Notwendigkeit des Geschehens, an der naturgesetzlichen Bestimmtheit. Nur läßt sich diese Bestimmtheit nicht in der Einheit des Ich definieren, sondern allein durch die Einheit des Gesetzes (Systems), wodurch die Körper in ihrer räumlich-zeitlichen Mannigfaltigkeit bestimmt sind ohne Rücksicht darauf, daß sie Teile des Inhalts eines individuellen Ich bilden und in ihm erlebt werden. Die Naturwissenschaft sieht davon ab. Man kann sagen: Dieselbe Einheit gesetzmäßiger Bestimmungen, die wir aus der Erfahrung als individuellen Geist kennen, insofern wir sie selbst erleben, heißt ein objektiver Vorgang oder Körper, wenn sie ohne Rücksicht auf dieses Selbsterlebnis betrachtet wird und nur bestimmt werden soll durch die Wechselwirkung, in der sie mit andern räumlichen Systemen steht. Will man die letztere Bedingtheit hervorheben, so nennt man den betreffenden Gegenstand physisch; derselbe Vorgang heißt psychisch, wenn er, wie in der Psychologie, als Bestandteil des Erlebnisses eines individuellen Geistes gegeben ist. Komme ich von der Naturwissenschaft her, so sage ich, es gibt körperliche Systeme, die sich selbst erleben; aber für mich haben sie in dieser Hinsicht kein Interesse. Komme ich von der Psychologie her, so sage ich, alle Dinge gehören als Bestandteile irgend einem Bewußtsein an. Veränderungen, die ich in mir psychisch erlebe, sind für einen zweiten, äußern Beobachter nur physische, aber insoweit dadurch Veränderungen am Inhalt seines eigenen Systems (Leibes) entstehen, ändert sich auch sein Erlebnis. Die Menschen wirken aufeinander immer nur durch physische Mittel, optisch, akustisch, mechanisch usw. Das aber bedeutet nicht, daß