in diesem Saale und in diesem Auditorium, dessen musterhafte Ruhe und Aufmerksamkeit ich nicht genug zu preisen weiß, befände sich doch ein Individuum, welches sich störend benimmt und durch sein ungezogenes Lachen, Schwätzen, Scharren mit den Füßen meine Aufmerksamkeit von meiner Aufgabe abzieht. Ich erkläre, daß ich so nicht weiter vortragen kann, und daraufhin erheben sich einige kräftige Männer unter Ihnen und setzen den Störenfried nach kurzem Kampfe vor die Tür. Er ist also jetzt ›verdrängt‹ und ich kann meinen Vortrag fortsetzen. Damit aber die Störung sich nicht wiederhole, wenn der Herausgeworfene versucht, wieder in den Saal einzudringen, rücken die Herren, welchen meinen Willen zur Ausführung gebracht haben, ihre Stühle an die Türe an und etablieren sich so als ›Widerstand‹ nach vollzogener Verdrängung.« (Freud, 1910a, S. 22 f.)
Deutlich wird hier, dass es etwas Störendes (im »Innenraum«) gibt. Die Verdrängung als Form der Abwehr ist das, was den Störenfried nach draußen (also außerhalb des bewussten Erlebens) verfrachtet. Die Dynamik des Psychischen (und der Umstand, dass der Störenfried niemals einfach nur stört, sondern auch Amüsement verspricht) sorgt dafür, dass die Verdrängung/Abwehr (hier weitgehend noch gleichbedeutend verwendet) kein einmaliger Vorgang eines Hausverweises ist: Der Störenfried drängt von draußen wieder hinein und es muss etwas aufgerichtet werden (hier in etwas anderer Weise als später, nämlich in behandlungstechnischer Hinsicht, verwendet: ein Widerstand), das die Wirkung der Verdrängung aufrecht erhält. Abwehr bedeutet nun auch, dass etwas den Störenfried gleichsam neu einkleidet (eine psychische Entstellung bzw. Kompromissbildung) und er in diesem Aufzug unerkannt (d. h. nicht als der erkennbar, der zuvor gestört hat) wieder in den Saal gelassen wird.
Im Freud‘schen Werk ist die terminologische Differenzierung zwischen Abwehr und Verdrängung zunächst unklar beziehungsweise wird beides gleichbedeutend verwendet: Etwas wird vom Bewusstsein ferngehalten. Da das Abgewehrte in Freuds Sicht immer Lust und Unlust nach sich zöge, entsteht ein Dynamismus aus drängenden und verdrängenden Kräften und wie in der Traumarbeit werden auch im Wachbewusstsein beständig Umarbeitungen nötig. Eine solche Konzeption von Ersatz- oder Kompromissbildungen, die dem Motiv des Luststrebens und dem der Unlustvermeidung zugleich gerecht zu werden versuchen, kennzeichnet die Abwehrlehre und dies äußert sich in verschiedenen Abwehrmechanismen in unterschiedlicher Weise. Das führt zum Beispiel zur Konzeption, dass bei der Abwehr in der Regel die Verdrängung und ein weiterer Abwehrvorgang, der für eine Umarbeitung mit dem Ziel der entstellten Bewusstwerdung sorgt, zusammenkommen (
Die Verdrängung lässt sich in diesem Kontext recht genau bestimmten, zum Beispiel als »Operation, wodurch das Subjekt versucht, mit einem Trieb zusammenhängende Vorstellungen […] in das Unbewußte zurückzustoßen oder dort festzuhalten. Die Verdrängung geschieht in den Fällen, in denen die Befriedigung eines Triebes – der durch sich selbst Lust verschaffen kann – im Hinblick auf andere Forderungen Gefahr läuft, Unlust hervorzurufen.« (Laplanche & Pontalis, 1967, S. 582) Sie ist als solche im Freud‘schen Verständnis aber auch das »Vorbild für andere Abwehroperationen«, da »die Verdrängungsoperation […] sich mindestens als ein Abschnitt bei zahlreichen komplexen Abwehrvorgängen findet« (a. a. O.) (vgl. a. Zepf, 2006b; Moser, 1964).
Dass die Abwehr gelingt, begründet Freud ferner über die Annahme einer »Gegenbesetzung«, worunter er einen »ökonomische[n] Vorgang als Träger zahlreicher Abwehrtätigkeiten des Ichs« versteht: »Er besteht aus der Besetzung von Vorstellungen, Vorstellungssystemen, Verhaltensweisen etc. durch das Ich, die den unbewußten Vorstellungen und Wünschen den Zugang zu Bewußtsein und zur Motilität verwehren können« (Laplanche & Pontalis, 1967, S. 161). Gemeint ist die »Besetzung eines Elements des Systems Vorbewußt-Bewußt, das das Aufkommen der verdrängten Vorstellung [verhindert; TS]« (a. a. O.). Es wird also eine Vorstellung besetzt, damit eine andere nicht bewusst wird, das Vorbewusste verstärkt auf diese Weise »den Gegensatz gegen die verdrängten Gedanken« (Freud, 1900a, S. 610), es ist ein Vorgang, »durch den sich das System Vbw gegen das Andrängen der unbewußten Vorstellung schützt« und es ist dabei »sehr wohl möglich, daß gerade die der Vorstellung entzogene Besetzung zur Gegenbesetzung verwendet wird« (1915e, S. 280). Freud denkt psychoökonomisch: Wenn einer Vorstellung abwehrbedingt die Besetzung entzogen wird, dann muss mit dieser irgendetwas angestellt werden – die Antwortet lautet hier, dass diese Besetzung(senergie) der Abwehr zur Verfügung steht. Die Besetzung einer anderen Vorstellung ist daher sowohl in repräsentatorischer als auch in ökonomischer Hinsicht sinnvoll. Wichtig ist zu beachten, dass mit der Verdrängung hier kein prinzipiell pathologischer, sondern ein allgemeiner Vorgang beschrieben wird. Die Überlegungen sind grundlegend für die Konzeption eines dynamisch Unbewussten. Wie jede andere Abwehroperation betrifft die Verdrängung Elemente der Vorstellungswelt (in der Freud‘schen Terminologie: Triebrepräsentanzen), keine biologischen Elemente und oder andere Personen.
Allerdings werden hier auch die Probleme der Besetzungstheorie und des topischen Modells deutlich. Freud nimmt nämlich auch an (und das muss er auch, wenn das Modell des Seelenlebens ein dynamisches bleiben soll), dass es unbewusste Besetzungen gibt. Die Abwehr entzieht also nicht einfach einer Vorstellung die Besetzung, sondern durch sie ändert sich etwas im Verhältnis von Vorstellungen und Affekten. Hinzu kommt, dass eine solche Personalisierung von Abwehr und Zensur Unklarheiten mit sich bringt, zuallererst: Welchem System ist die Abwehr/Zensur zugehörig?
2.2.2 Abwehr im Instanzen-Modell
Soweit bewegen sich die Freud‘schen Überlegungen im Rahmen des topischen Modells. Es geht um Systeme und Zensuren zwischen diesen. Mit Beginn der 1920er Jahre allerdings wird eine Veränderung in Freuds Konzeption dessen, wie der psychische Apparat aufgebaut ist, erforderlich, in erster Linie unter der Perspektive der Abwehr. Denn die Abwehrvorgänge erfüllen nicht die Merkmale, die Freud für Inhalte und Vorgänge des Systems Ubw annimmt: nämlich das Herrschen des Lustprinzips bzw. des Primärvorgangs, freie Verschiebbarkeit von Besetzungen, Zeitlosigkeit. Außerdem: Wie könnte ein Vorgang sich selbst erzeugen oder zum Gegenstand nehmen (denn das müsste ja so oder so ähnlich angenommen werden, wenn die Abwehr im System Ubw operieren würde)? Freud (1923b, S. 244) stellt also fest: »Wir haben im Ich selbst etwas gefunden, was auch unbewußt ist, sich gerade so benimmt wie das Verdrängte, das heißt starke Wirkungen äußert, ohne selbst bewußt zu werden«. Gemeint ist damit die Abwehr, die einerseits eine Art von Organisiertheit oder Gesteuertheit aufweist (immerhin gibt es eine Art von Intentionalität oder Zielrichtung), andererseits selbst unbewusst sein muss, damit das Abgewehrte unbewusst werden oder bleiben kann. Freud meint also: »Von diesem Ich gehen auch die Verdrängungen aus« (a. a. O., S. 243).
Das zweite große Problem, das zu einer Re-Formulierung des psychischen Apparates durch Freud führt, hängt mit der Frage zusammen, »wo« die Zensuren zwischen den Systemen arbeiten: Gehören sie jeweils einem zu? Liegen sie an deren Grenzen? Freud folgert daher zum einen in Richtung der Annahme unbewusster Anteile des Ichs und zum anderen in Richtung der Formulierung des Über-Ichs als »zensurierender« Instanz. So formuliert er sein Struktur- oder Instanzen-Modell aus Ich, Über-Ich und Es (Freud, 1923b). Das Über-Ich wird dabei verstanden als Gewissensinstanz, die das Ich (bzw. hier eher: das Selbst; vgl. Storck, in Vorb. a) prüft und beurteilt. Es entscheidet darüber, wann jemand Schuldgefühle, aber auch Stolz erlebt. Dabei können Strafangst oder Gewissensangst als wichtiger Motor von Abwehrvorgängen beschrieben werden, dahingehend, dass die Abwehr zur Bewältigung eines Konflikts aus Wunsch und internalisiertem Verbot einsetzt. Das Erleben des Wunsches zieht Schuldgefühle nach sich bzw. ein ›schlechtes Gewissen‹. Bei Freud (1917a, S. 8) heißt es: »Irgendwo im Kern seines Ichs hat er [der Mensch; TS] sich ein Aufsichtsorgan geschaffen, welches seine eigenen Regungen und Handlungen überwacht, ob sie mit seinen Anforderungen zusammenstimmen.« An anderer Stelle formuliert er: »Wir waren […] gezwungen anzunehmen, daß sich im Ich selbst eine besondere Instanz differenziert hat, die wir das Über-Ich heißen […Es] kann sich dem Ich gegenüberstellen, es wie ein Objekt behandeln und behandelt es oft sehr hart. Es ist für das Ich ebenso wichtig, mit dem Über-Ich im Einvernehmen zu bleiben, wie mit dem Es« (Freud, 1926e, S. 253 f.). Das Über-Ich differenziert sich aus dem Ich, es ist eine »Stufe im Ich« und