Nataly von Eschstruth

Lebende Blumen


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nähen.“

      „Und Strümpfe stricken.“

      „Und beim Christkind will sie sich zu Weihnachten einen Papa für ihre Kinder wünschen!“

      „Bravo, Violetta! Das ist ein schlauer Gedanke!“ ruft ein unverheirateter Landgerichtsrat vergnüglich. Ich werde dem Christkind gleich meine Adresse schicken, falls es nicht wissen sollte, woher solch einen Vater auf Kaution nehmen!“

      „Spielt ihr andern denn nicht ebenso gern mit Puppen?“

      „Lilie! ja, Lilie spielt auch manchmal mit ihnen, aber dann sind sie meist krank, und sie setzt sich eine Haube von der Kinderfrau auf und kommt als Pflegerin.“

      „Und ich als Doktor!“

      „Fehlt ja nur noch der Totengräber!“ ulkt der Student. „Na Eicklingen hat sich ja mit seinen Töchtern ganz gut eingedeckt!“

      „Mir ist das Spiel mit den dämlichen Puppen viel zu dumm!“ rümpft Rose Damascena das reizende Näschen.

      „Mir auch! Mir erst recht!“ echoen Oleandra und Arnika.

      „Na und was wird denn nun aus der kleinen Cilla hier?“

      „Cilla heisst: Fürwitzchen!“

      „Das ist ja drollig!“

      „Also ein lüttes Gör, das immer recht frech mit dem Schnabel vorweg ist“, lacht der Student drastisch. „An der bekommst du mal Konkurrenz, Arnika! Wenn du nicht auf den Mensuren mitpaukst und dir nicht den Doktorhut holst, dann wird Fürwitzchen mein Liebling.“

      „Cilla ist ja zu niedlich.“

      „Die kleine Frühlingsbotin, wie ihr Vater sie nennt.“

      „Wirklich ein entzückender Strauss von lebenden Blumen, mit welchen der ehrengeachtete Herr Tobias sein trautes Heim schmückt!“

      „Sie sind wohl sehr stolz auf ihr Patenkindchen, gnädige Frau?“

      Die Grossmama lächelt freundlich.

      „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich sie Mandelblüte genannt.“

      „O wie poetisch!“

      „Aus besonderer Vorliebe.“

      „Kennen Sie nicht das süsse kleine Lied: Wenn die Mandeln blühen!“

      „Italienisch?“

      „Wenn es von ewiger Glückseligkeit kündet, so muss es auch in unsterblicher Sprache geredet sein!“

      „Was ist dann, Grossmama, wenn es so weiss und duftig rosa im Land der Sonne an allen Ästlein und Zweigen blüht?“

      „Dann zieht die Göttin Minne ein in Herz und Haus!“ lächelt die alte Frau mit weichem Blick der Sehnsucht, „und in ihrem Gefolge sind all die Wonnen und Freuden, von denen die Herzen so oft träumen und denken und doch unentwegt auf die Erfüllung ihres heissesten Wunsches warten müssen.“

      „Grossmama! Du bist Dichterin!“

      „Hattest du dir so viel von dem Namen für die Kleine versprochen?“

      „Gewiss! Man glaubt so gern und so fest und zuversichtlich an solch schöne Verheissungen.“

      „Wer weiss, ob Fürwitzchen deinen Erwartungen entsprochen hätte.“

      „Warum?“

      „Es gibt doch auch bittere Mandeln“, scherzte der Enkelsohn.

      „Die wachsen nicht im Paradies!“ schüttelt die Matrone das ergrauende Haupt, „und die reizenden Reime des genialen Unsterblichen versichern ja für Herz und Seele alle Ruhe eines Seraphs mit aller Himmelslust dazu —: wenn die Mandeln blühen!“

      „Wir taufen Cilla um.“

      „Das gilt nicht.“

      „Sie singen ihr das Lieblingslied so oft vor, gnädige Frau, bis Baby es als Ehrensache erachtet, alle Hoffnungen seines Grossmütterchens zu erfüllen.“

      „Für Haus und Hof.“

      „Und den gesamten Familienring der Eicklingen!“

      „Das ist selbstverständlich.“

      „Geteiltes Glück ist doppeltes Glück.“

      „Während geteilter Taufkuchen nur halber Kuchen ist.“

      „Rolf, du bist unausstehlich!“

      „Minnchen ist nicht mehr so geizig wie früher, sie hat sich gebessert ...“

      „Hörst du, Meta?“

      „Inwiefern das?“

      „Nun, als wir Oleandra und Lilie tauften, servierte sie uns aus lauter Sparsamkeit Zwillinge, damit sie die Festlichkeit mit einer grossen Torte bestreiten konnte.“

      „Sehr richtig!“

      „Bei meiner Nichte Cilla hilft alle Genauigkeit nichts, wir erhalten unverkürzte Ration!“

      „Aber nicht nach Grossmamas Herzen. Die rosa und weiss blühenden fehlen!“

      „Doch nicht!“ erklang eine sonore Stimme mit fröhlichem Lachen hinter der Plaudernden. „Ich weiss gar wohl die Wünsche meines lieben Weibes zu würdigen und bin stets bemüht, alle ihre Sehnsucht, so weit es in meiner Macht steht, zu erfüllen ...“

      „Hurra! Der Grosspapa!“

      Der alte Herr mit dem lockigen weissen Haar und dem noch immer flott ausgestellten dunklen Schnurrbärtchen, welches ihm das Aussehen eines Marquis mit gepuderter Perücke gab, stand zwischen den Portieren und winkte einem Diener, ihm zu folgen.

      Die süsseste aller Mandeltorten trug dieser auf einem Tablett, nach dem Rauchzimmer, wo soeben noch eine „verfrühte Maibowle“ von Waldmeister aus den Frühbeeten der Firma Eicklingen, als besonderer Scherz angesetzt wurde, und der alte Grosskaufmann hielt ein Sträusschen von weissen und rosa Blumen in der Hand, verneigte sich ritterlich vor seiner Gattin und zitierte lächelnd: „Die ewige Liebe kann ihren Einzug halten, Sisi, die Mandeln blühen!“

      Da gab es einen allgemeinen Jubel und Grossmama Luise sah ihrem Gatten voll tiefen und warmen Dankes in die Augen und sagte zärtlich: „Das sieht dir einmal wieder ähnlich, du Herzensmann!“

      „Ist Cilla nun doch eine Mandelblüte geworden?“ forschte Damascena.

      „Nach dem Taufschein wohl nicht! Aber ich denke, das Lieblingslied der Grossmutter ist nun doch wie ein sinniger Segenswunsch auf unseren kleinen Täufling überkommen!“

      „Ich, als stimmberechtigter Onkel bin doch sehr dafür, dass man die Mandeltorte nicht grausam von der Bowle trennt!“ rief Student Rolf übermütig. „Ich füge meiner jüngsten Nichte zur Cilla und Mandelblüte noch den Waldmeister hinzu, denn dies ist die einzige Blume, welche für eine herangewachsene junge Dame die beste aller Bedeutungen hat!“

      „Hurra — mir ahnt etwas!“

      „Aber nichts Böses!“

      „Im Gegenteil! — An die Gläser, meine Herrschaften! — Waldmeisters Brautfahrt ist zu weltbekannt, um sie in diesem weihevollen Augenblick verschweigen zu können!“

      „Sehr richtig!“

      „Der König der Wälder hat soeben seinen Einzug gehalten, um sich aus dem Strauss lebender Blumen, im Hause des Herrn Tobias eine Waldmeisterin zu wählen! In fünfzehn bis zwanzig Jahren, so denke ich, hat er seine Wahl endgültig getroffen und dann bitte ich um das Recht, für das neuverlobte Paar die süsseste aller Festbowlen ansetzen zu dürfen.“

      „Bravo! Die kleine Cilla-Mandelblüte schiesst den Vogel ab!“

      „I wo! Ich steh für mein Patenkind Damascena ein!“

      „Bon; so tue ich es für meinen Kommilitonen Arnika!“