Nataly von Eschstruth

Lebende Blumen


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wird.“

      „Das besorgen die holden Blümlein ganz allein.“

      „Also heute bei der Taufe der Jüngsten wollen wir mit vollem Glas der Brautbowle gedenken, welche gleich Fortunas Füllhorn alle Glücksvollendung über dieses Haus ergiesst.“

      „Grossmama — hörst du es? — Wenn die Mandeln blühen!“

      „Sie tuen es.“

      Der Pfarrer, welcher im Hause des Kommerzienrats den heiligen Akt der Taufe vollzogen, schritt an der Seite des Landegerichtsrates der Stadt entgegen. Es war ein köstlicher Heimweg, durch den milden, stillen Frühlingsabend.

      Zum letztenmal stiegen die Vögel mit hellem „Gutenachtgruss“ zum Himmel, zogen ihre weiten Kreise, gleichsam als wollten sie noch einen freundlich hütenden Blick auf die Welt hernieder tun, welche so gar nicht müde werden will, gleichviel, ob die Sonne mit gutem Beispiel vorangeht und sich auf ihrem nächtigen Lager in weiche Wolkendecken hüllt.

      Die Schwalben schiessen im fröhlichen Zickzackflug noch einmal hin und her über die saubere Landstrasse, und die Mückenschwärme stellen ihren tollen Ringelreihen ein und verkriechen sich in den Baumrinden.

      Von den nahen Feldern tönt Gesang.

      Die Landarbeiter ziehen mit ihren Gespannen, Pflug und Egge, sowie den farbenfreudigen Drillmaschinen Zurück. Die Alten müde und gebeugt von der Last der Jahre, die Jungen mit flottem Gang und geschulterten Spaten, helles Lachen in den Augen und ein Lied auf frischen Lippen.

      Die ersten Dämmerschatten sinken herab und verdichten sich unter den breiten Lindenkronen der Allee.

      Die Herren sind anfänglich schweigend nebeneinander hergeschritten. Nur hier und da tauschen sie kurzen Gruss mit Vorübergehenden, oder wehren frech kläffende Hunde ab.

      Der Pfarrer zieht den Hut von dem Haupt, um hochaufatmend die frische Luft um die Stirn streichen zu lassen.

      „Welch ein lindes Wehen ringsum“, sagt er leise. „Mehr denn je kommt mir im Frühjahr das herrliche Wort in den Sinn: ‚der Geist, welcher an allen Enden wirkt und schafft!‘ — dann deucht es mir, man sieht sein geschäftiges und schöpferisches Walten mit Augen, man erlebt es persönlich mit, wie eine Welt erschaffen wird.“

      „Tatsächlich, Herr Pastor, Sie sprechen aus, was ich denke. Vor ein paar Wochen war hier noch Eis und Schnee und bleiche todesstarre Zeit über der Welt, welche wüst und leer in tiefer Leblosigkeit einen ewigen Schlaf zu schlafen schien, und heute ist wiederum wie vor vielen Millionen Jahren ein seliges Liebeswunder geschehen, welches sein „Werde, so gewaltig über all die Schneemassen rief, wie damals, als die ersten Seiten der Bibel erfüllt wurden.“

      „Sie kennen und lieben also wohl gleich mir die wundervolle Haydensche Vertonung dieses Anfangskapitels der Schrift: Die Schöpfung.“

      „Es bringe die Erde in Fülle hervor,

      Blühende Gewächse, die Samen tragen.“

      Welch eine Melodie! Welch eine Urkraft des Klanges! Unwillkürlich hört man solche Harmonien durch das weite All brausen.

      „Blumen! — Lebende Blumen! Gerade heute, jetzt, wo wir solch einem jungen Menschenblümchen das Wasser ewigen Lebens über das blonde Köpfchen sprengen durften, gewinnt solch ein Schöpfungswort doppelt schönen Wert.“

      „Es ist eine ganz reizende und eigenartige Idee von dem Ehepaar Eicklingen, ihren Töchterchen Blumennamen mit in das Leben hinaus zu geben!“

      „Sehr praktisch und sinnig empfunden“, nickte der Pfarrer nachdenklich. „Aber so sehr ich auch früher schon diesen lebenden, kleinen Blumen voll Entzücken ihre schönen Namen zulegte, so sehr sind mir gerade heute ernste Zweifel gekommen, ob es wohl das rechte war.“

      „Inwiefern das?“

      „Man sagt wohl nicht mit Unrecht: Nomen est omen! Der Dame eines Menschen wird zu einem Stück eigenster Persönlichkeit. In einem Namen können nicht nur, — nein, sie tuen es sogar sicher — die einzelnen Charaktereigenschaften schroff zutage treten.“

      „Und doch lacht man oft über so viel unpassend gegebene Namen. Ich kannte eine Brunhilde, verwachsen, klein, hässlich wie eine Meerkatze.“

      „Äusserlich, bester Freund! Äusserlich!“

      „Allerdings! — und einen Siegfried, den Idioten auf O-Beinen! Die wandelnde Parodie auf den reckenhaften Götterspross!“

      „Äusserlich, lieber Freund! Rein äusserlich!“

      „Ich verstehe Sie nicht! Trennen Sie den inneren Menschen so scharf von seinem Fleisch und Blut?“

      „Gewiss, und versichere Sie, dass diese, Ihre angeführten Beispiele nur die Ausnahmen sind, die auffälligen, welche die allgemeine Regel bestätigen, dass die Namen für ihre Träger ein Glück — aber auch ebensogut ein Unglück sein können! Sie sahen an jener Brunhilde nur die Aussenseite, von dem Idioten schweige ich! Aber wissen Sie nicht, ob nicht in dem elenden, siechen Frauenkörper eine Seele wohnte, so stark, so totenkühn, wie diejenige von Wotans ‚herrlichem Kind?‘ Wenn man von klein auf mit einem Namen genannt wird, an welchen sich gewaltige Traditionen knüpfen, so bedingt es schon die menschliche Eitelkeit und Phantasie, all diese Überlieferungen auf sich selber zu beziehen und sie auf die eigene Person anzuwenden, welche ja denselben Namen trägt, wie das Ideal aus der Heldensage oder Geschichte.“

      „Aha! Ich verstehe, wo Sie hinauswollen!“

      „Schnurstracks auf das Ziel! Denken Sie sich einmal in die Lage Ihrer unglückseligen, verkrüppelten Brunhilde hinein.“

      „Der Name speiste den Geist mit denselben Eindrücken, den eine Walküre auf Menschen macht. Das verwachsene, missgestaltete Mädchen möchte es der gewaltigen Himmelstochter gleich tun, der Name verpflichtet sie gewissermassen dazu! Warum hiesse sie sonst so? Und nun quält sich der gefesselte Geist in den trostlosen Banden eines schwachen missgestalteten Körpers! — Die Seele will heldenhaft, gewaltig empor, — der Leib zwingt sie erbarmungslos nieder! Der Geist jauchzende, sieghafte Tatenlust, der Körper grausame Gefangenschaft!“

      „Man sollte annehmen, Herr Pfarrer, ein kranker Körper hat gar nicht die Kraft für derart seelischen Aufschwung.“

      „So krank macht wohl ein akutes Leiden, nicht aber eine Missgestaltung! Denken Sie an Prinz Eugen, den edlen Ritter, an einen Menzel — an — um noch weiter zurückzugreifen — den Apostel Paulus mit dem Pfahl im Fleisch! — Wie viele andere könnte man noch nennen! Und dies sind Beispiele von übergewaltigem Geist, welcher die Materie bezwang: ‚Das Genie! Die Begeisterung!‘“

      „Und wo diese fehlen? Ein verzweifelter Kampf ohne Sieg! Welchem meist der Name zum Ballast ward, der die falschen Illusionen, welche nicht verwirklicht werden konnten, weckte und täglich nährte!“

      „In dieser Beleuchtung allerdings volle Wahrheit! — So glauben Sie, dass den kleinen Eicklingens ihre idealen Namen nicht sehr vorteilhaft sein werden?“

      „Ich bin sehr gespannt, die seelischen Einflüsse und Entwickelungen, die diese Namen auf Leib und Seele ausüben werden, zu beobachten.“

      „Es fiel mir heute allerdings auch auf, dass gerade von den Kinder die Bedeutung ihrer Namen besonders stark hervorgehoben wurde.“

      „Von den Kindern selbst!“

      „Je nun — unwillkürlich wurden auch die Grossen gereizt, davon Notiz zu nehmen.“

      „Sehen Sie! — Nichts ist so gefährlich für das leichtempfängliche Kindergemüt wie ein Name, an welchen sich gewisse Bedingungen knüpfen.“

      „Eine Rose! Ah — also, du bist die Königin unter den Geschwistern! Alle müssen dich wohl Majestät nennen?!“

      „Und wenn es von Erwachsenen zehnmal im Scherz gesagt wird, so nimmt es ein lebhaftes Kind zehnmal für ernst.“

      „Ich machte die Beobachtung, dass die kleine