Jana Reeds

Faithless Love


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ihre Tränen aus meinem Kopf zu bekommen, bevor diese Gefühle die Mauern um mein eigenes Herz einrissen und meine Empathie mir die Arbeit noch mehr erschwerte. Ich musste stark bleiben. Ich durfte nicht darüber nachdenken, was in diesem Moment in ihr vorging, wo sie war, ob sie jemanden an ihrer Seite hatte.

      Nein!

      Ich rief mich selbst zur Ordnung und zurück in die Gegenwart.

      „Hier … Du musst etwas essen.“ Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie Toni mir einen Teller mit Tapas zusammengestellt hatte, den er mir nun hinschob. Ich lächelte, als ich sah, dass er genau die Kleinigkeiten darauf gehäuft hatte, die ich am liebsten mochte. Datteln im Speckmantel, Manchego mit Feigensenf, Sardellen, Oliven, kleine Hackbällchen in würziger Tomatensoße und dazu ein großer Korb von Tonis selbst gebackenem Weißbrot. Ich könnte ihn dafür küssen, dass er jederzeit so genau wusste, was ich brauchte. Tatsächlich wäre er für mich der perfekte Mann – wenn er nicht einen entscheidenden Haken hätte. Er war seit vier Jahren glücklich vergeben und Vater einer zauberhaften kleinen Tochter. Elena war gerade drei geworden und mit ihren schwarzen Kulleraugen und den blonden Locken wickelte sie nicht nur ihren Vater um den Finger.

      Während ich aß, machte Toni eine Runde durch das Lokal und nahm neue Bestellungen auf, brachte Getränke und Tapas an die verschiedenen Tische. Als er zurückkehrte, schob er mir ein weiteres Glas Whisky hin.

      „Willst du mich etwa abfüllen?“, fragte ich lachend, denn diesmal hatte ich keinerlei Zeichen gemacht, mir nachzuschenken. „Wie gut, dass ich jetzt eine vernünftige Grundlage habe.“ Die ersten beiden Whiskys waren mir ein wenig in den Kopf gestiegen, auch wenn ich mich nun nach dem Essen wieder nüchtern fühlte.

      „Der ist nicht von mir“, antwortete er achselzuckend und deutete mit dem Kopf auf jemanden rechts von mir.

      „Ich war so frei“, sagte dieser Jemand, als ich mich zu ihm umwandte. Einen Moment lang musterte ich mein Gegenüber. Die etwas zu langen, von der Sonne gebleichten Haare, der Vollbart, die vielen Tattoos auf seiner Haut … Dann fiel der Groschen.

      „Señor Alvarez, richtig? Wie ich sehe, sind Sie wieder genesen.“ Innerlich knirschte ich mit den Zähnen, als mir seine plumpen Annäherungsversuche im Krankenhaus einfielen.

      „Hey, kein Grund, so formal zu sein, nennen Sie mich Juan“, erwiderte er. „Genesen ist übertrieben, zumindest konnte ich das Krankenhaus verlassen. Wird noch etwas dauern, bis ich wieder tauchen kann, aber mein wichtigstes Körperteil funktioniert einwandfrei.“ Er wackelte zweideutig mit den Augenbrauen und grinste mich breit an.

       Geht das schon wieder los?

      Dann hob er ein Whiskyglas und deutete auf meines, das unberührt vor mir stand.

      „Ich finde, darauf sollten wir trinken!“, meinte er.

      „Ich bin nicht sicher, ob das für die Damenwelt tatsächlich ein Grund zum Feiern ist.“ Die Worte rutschten mir, ohne nachzudenken, über die Lippen.

      „Dann sollten wir es unbedingt herausfinden, Carmen.“

      Mein Herz verfiel in einen rasenden Galopp, während sich mir gleichzeitig bei dieser Vorstellung die Kehle zuschnürte. War das echt ein trampeliger Versuch, mich ins Bett zu kriegen? Schnell kippte ich den Whisky in einem Zug hinunter, bevor ich reagierte.

      „Nein, danke. So nötig kann ich es gar nicht haben, dass ich auf solche Sprüche abfahre.“

      Juan griff sich übertrieben theatralisch an sein Herz. „Oh, wie kann eine so schöne Frau nur ein so kaltes Herz haben? Das trifft mich sehr!“

      Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen, so langsam machte mir dieser Schlagabtausch doch beinahe Spaß.

      „Hm …“ Ernst musterte ich ihn von oben bis unten. „Vielleicht mag es daran liegen, dass jemand, der aus jeder Pore quasi ‚Macho‘ ausstrahlt – sorry –, nicht der Typ Mann ist, auf den ich abfahre. Viel zu vorhersehbar! Ich brauche dann doch ein wenig mehr Herausforderung.“

      „Herausforderung? Oh, das ist praktisch mein zweiter Vorname. Wenn es nur das ist …“

      Ich rollte übertrieben mit den Augen. „Echt jetzt? Hier laufen so viele Frauen herum, warum hören wir nicht auf, unser beider Zeit zu verschwenden?“

      „Vielleicht, weil ich keine andere Frau will?“

      Lauthals prustete ich los. „Ja, genau! Wer’s glaubt … Das Einzige, das Interesse an mir hat, ist dein Ego – das kann es nämlich nicht ertragen, einen Korb zu bekommen.“

      „Das ist nicht der erste Korb, den ich bekomme, aber früher oder später kriege ich jede Frau rum.“ Er grinste. „Im Grunde bin ich doch nur auf der Suche nach der wahren Liebe.“

      „Richtig, und um die zu finden, muss man ja möglichst viele Vergleichsmöglichkeiten haben. Am besten Hunderte.“

      „Nervt dich der Typ?“, mischte Toni sich ein und warf Juan einen warnenden Blick zu.

      „Nein, ist schon okay. Señor Alvarez wollte gerade weiterziehen.“ Ich wandte mich noch einmal an Juan. „Dort hinten, die drei Frauen am Ecktisch, die scheinen eher das richtige Kaliber zu sein. Manchmal sollte man das Beuteschema ändern, um sein Ziel zu erreichen!“

      Einen Moment lang musterte er mich ernst, schaute mir so tief in die Augen, als wollte er meine Gedanken lesen. Eine Gänsehaut zog sich über meinen Rücken, und ich musste den Drang unterdrücken, wie ein schüchterner Teenie zu Boden zu schauen. Was hatte er nur an sich, dass er mich derart triggerte?

      „Alles klar, ich hab’s kapiert. Dann werde ich wohl mal diesen Rat befolgen und mir die Schönheiten dort hinten ein wenig näher anschauen. Einen schönen Abend noch!“

      Er hob sein Whiskyglas wie zum Toast, seine Augen funkelten und seine Lippen umspielte ein süffisantes Lächeln, dann wandte er sich ab und ließ mich allein.

      „Was war das denn für ein Spacken? Kennt ihr euch? Oder wollte der dich nur anbaggern?“

      „Beides …“, murmelte ich gedankenverloren und zwang mich, ihm nicht hinterherzuschauen. Nicht zu beobachten, wie er die drei Frauen am Ecktisch ansprach und seine Nummer bei denen abzog, so wie er sie bei mir gerade abgezogen hatte.

      „Machst du mir noch einen? Diesmal aber einen Doppelten.“ Ich schob Toni mein leeres Glas hin. Mit hochgezogenen Augenbrauen warf er mir einen besorgten Blick zu, dann schaute er nachdenklich über mich hinweg in die Richtung des Ecktisches, bevor er mir schweigend das Glas bis zum Rand füllte und hinschob.

      8

      Juan

      Ich musste mich zusammenreißen, um halbwegs normal zu den drei Frauen hinüberzuschlendern. Carmen sollte nicht sehen, dass ich kaum laufen konnte. Diese Genugtuung würde ich der Polizistin garantiert nicht geben. Also tat ich so, als sei ich total fit, nur um es gleich darauf wieder zu bereuen. Und zwar in der Sekunde, nachdem ich mich übertrieben lässig hingesetzt hatte.

      Scheiße, mir tat alles weh. Außerdem tanzten Sternchen vor meinen Augen.

      „Sagt ihr mir eure Namen?“, fragte ich mit einem total dämlichen Grinsen. Auch wenn ich mein Gesicht nicht sehen konnte, die Grimasse, die ich da zog, musste ziemlich doof aussehen. Den drei Frauen machte es zum Glück nichts aus.

      „Ich bin Beatrisa, und das sind Jacinta und Kesara“, antwortete diejenige, die direkt neben mir saß. Sie sah mir tief in die Augen, fast so, als wolle sie Signale aussenden, die alle besagten, dass sie mit mir ins Bett wollte. Heute Abend würde sie da kein Glück haben, auch wenn ich vor Carmen so getan hatte, als wolle ich sie abschleppen, ich konnte froh sein, dass sie nicht darauf eingegangen war. So, wie meine Rippen schmerzten und mir die Luft bei der kleinsten Anstrengung wegblieb, hätte ich sie nicht mal umarmen können.

      „Schön,