Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Party für Tote


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Kearnie plump und sah sich um. „Sie haben sich ganz schön gemausert, Judy.“

      „Wenn es Ihnen darum geht, möchte ich diese Unterredung lieber als beendet ansehen“, sagte sie, unberührt von seiner Bemerkung. „Ich glaube, Mr. Kearns, Ihnen fehlt das Talent, über Fragen des Geschmacks etwas Gültiges auszusagen.“

      Kearnie wollte aufbrausen, aber Dawson hielt ihn zurück. „Sie haben recht, Miß Benjamin. Wir sind nicht gekommen, um Konversation zu machen. Wir sind deswegen gekommen.“

      Er legte die Einladungskarte auf den Tisch. Judy las sie durch und lachte dann hellauf.

      „Eine Einladung von Orville O. Owes? Das ist köstlich. Warum gehen Sie nicht hin?“

      „Das ist kein Grund zum Lachen“, wies Dawson sie zurecht. „Ich habe eine Frage an Sie: Haben Sie auch so ein Ding bekommen?“

      „Wie kommen Sie darauf?“

      „Miß Benjamin, ich möchte nicht über gewisse Dinge reden, die schon lange zurückliegen. Es wäre uns allen peinlich, Ihnen wohl auch.“

      „Wieso mir?“

      „Sie will nicht begreifen“, schnaufte Kearnie. „Aber sie wird begreifen. Sie wird es müssen.“

      Judy sah belustigt erst zu Kearns und dann zu Dawson.

      „Mr. Dawson, warum sind Sie nicht allein gekommen. Sie sind zwar auch ein Schuft, aber Sie zeigen es nicht so deutlich, wie Mr. Kearns.“

      Dawson blieb unbewegt.

      „Judy …“, und diesmal stieß sie sich nicht an der Anrede — „Judy, Sie wissen so gut wie ich, was diese Karte bedeutet. Es gibt zwei Möglichkeiten. Die erste: Jemand hat sich einen Scherz gemacht. Die zweite: Es ist kein Scherz, es ist ernst, vielleicht eine Warnung, was weiß ich. Vielleicht will man, daß wir einen Fehler machen. Judy, diese Geschichte ist tot und begraben, und so soll es bleiben. Wir müssen unsere Maßnahmen abstimmen, damit sich an diesem Zustand nichts ändert. Wir saßen damals alle drei in einem Boot. Deshalb dürfte es auch in Ihrem Interesse liegen, wenn wir jetzt zusammenarbeiten. Ich hätte Sie nicht belästigt, aber diese Geschichte geht auch Sie an. Begreifen Sie das bitte.“

      Es war sehr eindrucksvoll vorgebracht.

      Judy zögerte einen Augenblick, dann zog sie eine Schublade auf und holte eine Karte heraus.

      „Sie sehen, ich habe ebenfalls eine Einladung bekommen.“

      „Dachte ich mir’s doch gleich“, schnaufte Kearnie.

      „Und was haben Sie getan?“ erkundigte sich Dawson. „Nichts. Ich habe auch nicht vor, etwas zu tun.“

      „Werden Sie aussagen?“

      „Aussagen? Wo?“

      „Falls die Polizei bei Ihnen erscheint. Es ist sehr wichtig, daß wir unsere Aussagen untereinander abstimmen. Ich glaube, diese Karte ist der Auftakt zu allerhand Ärger. Jemand weiß anscheinend, was damals gespielt wurde. Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren. Wenn wir uns einig bleiben, kann uns nichts passieren. Ich würde vorschlagen …“

      „Mr. Dawson“, unterbrach sie ihn und drückte auf den Klingelknopf. „Was Sie hier Vorhaben, scheint mir ein Fall unzulässiger Zeugenbeeinflussung zu sein. Ich weigere mich, Ihnen länger zuzuhören. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich nicht bereit bin, in irgendeiner Form länger mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Das habe ich Ihnen schon vor ein paar Jahren gesagt, und heute wiederhole ich es. Gerade Ihr heutiges Verhalten zeigt mir, wie richtig dieser Entschluß war.“

      Das Dienstmädchen kam.

      „Sie haben geläutet, Miß Benjamin?“

      „Die Herren möchten gehen.“

      Wutschnaubend fuhr Kearnie hoch.

      „Das werden Sie bereuen.“

      Dawson bremste ihn.

      „Kein Grund zur Aufregung, Kearnie. Noch werden die Karten gemischt. Kann gut sein, daß wir die Trümpfe bekommen. Das Spiel hat noch nicht begonnen. Judy, ich warne Sie. Wir sind gute Spieler.“

      Draußen machte Kearnie seinem Ärger Luft.

      „Dieses Balg, dieses hochnäsige Miststück. ,Nehmen Sie bitte zur Kenntnis‘“, äffte er sie nach, „,Ihnen fehlt das Talent, über Geschmack etwas Gültiges zu sagen‘. Einem Mann hätte ich alle Knocher gebrochen!“

      Der Cadillac rauschte heran. Der Chauffeur sprang heraus und öffnete die Tür.

      „Ruhe bewahren, Kearnie“, sagte Dawson und stieg ein. „Sie hat guten Grund, zu schweigen. Wenn sie das nicht einsieht, werden wir dafür sorgen, daß sie trotzdem den Mund hält. Darauf kannst du Gift nehmen!“

      „Besser Whisky“, knurrte Kearnie und bediente sich aus der im Wagen eingebauten Tiefkühlbox.

      Feuchte Partys haben immer ein hinterhältiges Ende; das Erwachen am anderen Morgen. In dieser Hinsicht fühlte Jo sich durchaus erwartungsgemäß. Sein Schädel brummte wie eine Rotte Starfighter beim Tiefflug. Irgendwo da drin saß ein kleiner Mann und bearbeitete ihn im Rhythmus seines Pulsschlages mit einem Holzhammer. Der kleine Mann war nicht so ohne weiteres zu einem Kompromiß zu bewegen.

      Allmählich kehrte die Erinnerung zurück. Er lag immer noch an der Stelle, wo es ihn erwischt hatte. Nur drang jetzt ein fahles Grau in die Halle; es war Morgen geworden.

      Nachdenklich massierte er sich den Hinterkopf. Sein Blick fiel auf die Trümmer des Kronleuchters. Benommen richtete er sich auf.

      Warum? überlegte er, und diese Frage enthielt das ganze Problem.

      Bei Nacht hatte das Haus unheimlich gewirkt; jetzt, bei Tageslicht, war es grau und schmutzig. wie eine verblühte Barschönheit, die sich aus Versehen bei Tage zeigt.

      Eine Weile beschäftigte er sich mit den Überresten des Kronleuchters, Er wollte nicht glauben, daß der schwere Apparat zufällig heruntergerauscht war, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als er darunter stand.

      „Solche Zufälle gibt’s nicht mal bei der Polizei“, überlegte er laut. Das Echo seiner Stimme brach sich an den Wänden.

      Er fand nichts außer einer Theorie. Der Kronleuchter hatte ein großes Stück Deckenputz mit heruntergerissen, Er konnte schon so weit locker gewesen sein, daß er mit einem Seil völlig zu lösen war. Anschließend hatte man ihm noch einen aufs Haupt gegeben, damit das Seil in aller Ruhe entfernt werden konnte. Keine Spuren waren zurückgeblieben.

      Draußen regnete es noch, gleichmäßig und monoton wie bei einer Kuh, die vor einem flachen Stein steht. Jo trat an die Tür und stutzte.

      Auf dem verwilderten Kiesweg näherte sich eine Gestalt, ein alter Mann im Overall, dem die Pfeife im zahnlosen Mund hing. Der Alte starrte ihn entgeistert an. Die Pfeife fiel zu Boden.

      Jo trat ins Freie wie unter eine Dusche.

      „Hallo“, sagte er, „schöner Morgen heute!“

      „Wer, in aller Welt, sind Sie?“ ächzte der Alte.

      Jo sah an sich herunter. Er sah schlimmer aus als ein Kanalreiniger. Wenn man im Dreck landet, bleibt das eben nicht ohne Folgen.

      „Ich bin bei Mr. Owes zum Gabelfrühstück eingeladen“, brummte er. „Aber wie’s scheint, ist der Hausherr noch nicht empfangsbereit!“

      „Was sind Sie?“ Der Alte hatte sich gebückt, um seine Pfeife aufzuheben, aber jetzt erstarrte er wieder. „Sagten Sie Owes?“

      „Das sagte ich.“

      „Hören Sie, wenn Ihnen nicht gut ist, hier in der Nähe wohnt ein Arzt.“

      „Ich fühle mich prächtig“, sagte Jo wahrheitswidrig. „Reden Sie schon, Mann. Was ist mit Mr. Owes?“

      „Er ist tot“, krächzte der Alte.

      „Tot?“