Johann Wolfgang von Goethe

Faust. Der Tragödie erster Teil


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mir fehlt der Glaube;

      Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.

      Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,

      Woher die holde Nachricht tönt;

      Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,

      Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.

      Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuss

      Auf mich herab in ernster Sabbatstille;

      Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle,

      Und ein Gebet war brünstiger Genuss;

      Ein unbegreiflich-holdes Sehnen

      Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn,

      Und unter tausend heissen Tränen

      Fühlt ich mir eine Welt entstehn.

      Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,

      Der Frühlingsfeier freies Glück;

      Erinnrung hält mich nun mit kindlichem Gefühle

      Vom letzten, ernsten Schritt zurück.

      O tönet fort, ihr süssen Himmelslieder!

      Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!

      chor der jünger. Hat der Begrabene

      Schon sich nach oben,

      Lebend-Erhabene,

      Herrlich erhoben,

      Ist er in Werdelust

      Schaffender Freude nah:

      Ach, an der Erde Brust

      Sind wir zum Leide da!

      Liess er die Seinen.

      Schmachtend uns hier zurück,

      Ach, wir beweinen,

      Meister, dein Glück!

      chor. der engel. Christ ist erstanden

      Aus der Verwesung Schoss!

      Reisset von Banden

      Freudig euch los!

      Tätig ihn Preisenden,

      Liebe Beweisenden,

      Brüderlich Speisenden,

      Predigend Reisenden,

      Wonne Verheissenden,

      Euch ist der Meister nah,

      Euch ist er da!

      Vor dem Tor

      Spaziergänger aller Art ziehen hinaus

      einige handwerksbursche. Warum denn dort hinaus?

      andre . Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus.

      die ersten. Wir aber wollen nach der Mühle wandern.

      ein handwerksbursch. Ich rat euch, nach dem Wasserhof zu gehn.

      zweiter. Der Weg dahin ist gar nicht schön.

      die zweiten. Was tust denn du?

      ein dritter. Ich gehe mit den andern.

      vierter. Nach Burgdorf kommt herauf: gewiss, dort findet ihr

      Die schönsten Mädchen und das beste Bier,

      Und Händel von der ersten Sorte!

      fünfter. Du überlustiger Gesell,

      Juckt sich zum drittenmal das Fell?

      Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.

      dienstmädchen. Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.

      andre . Wir finden ihn gewiss bei jenen Pappeln stehen.

      erste. Das ist für mich kein grosses Glück:

      Er wird an deiner Seite gehen,

      Mit dir nur tanzt er auf dem Plan!

      Was gehn mich deine Freuden an!

      andre . Heut ist er sicher nicht allein:

      Der Krauskopf, sagt er, würde bei ihm sein.

      schüler. Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten!

      Herr Bruder, komm! wir müssen sie begleiten.

      Ein starkes Bier, ein beizender Toback,

      Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack.

      bürgermädchen. Da sieh mir nur die schönen Knaben!

      Es ist wahrhaftig eine Schmach:

      Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben –

      Und laufen diesen Mägden nach!

      zweiter schüler zum ersten

      Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei:

      Sie sind gar niedlich angezogen.

      ’s ist meine Nachbarin dabei;

      Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.

      Sie gehen ihren stillen Schritt

      Und nehmen uns doch auch am Ende mit.

      erster. Herr Bruder, nein! ich bin nicht gern geniert.

      Geschwind, dass wir das Wildbret nicht verlieren!

      Die Hand, die Samstags ihren Besen führt,

      Wird Sonntags dich am besten karessieren.

      bürger. Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister!

      Nun, da ers ist, wird er nur täglich dreister,

      Und für die Stadt was tut denn er?

      Wird es nicht alle Tage schlimmer?

      Gehorchen soll man mehr als immer

      Und zahlen mehr als je vorher.

      bettler singt

      Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,

      So wohlgeputzt und backenrot,

      Belieb es euch, mich anzuschauen,

      Und seht und mildert meine Not!

      Lasst hier mich nicht vergebens leiern!

      Nur der ist froh, der geben mag.

      Ein Tag, den alle Menschen feiern,

      Er sei für mich ein Erntetag!

      andrer bürger. Nichts Bessers weiss ich mir an Sonn- und Feiertagen

      Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,

      Wenn hinten, weit, in der Türkei,

      Die Völker aufeinanderschlagen.

      Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus

      Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;

      Dann kehrt man abends froh nach Haus

      Und segnet Fried und Friedenszeiten.

      dritter bürger. Herr Nachbar, ja! so lass ichs auch geschehn:

      Sie mögen sich die Köpfe spalten,

      Mag alles durcheinandergehn;

      Doch nur zu Hause bleibs beim alten!

      alte zu den Bürgermädchen

      Ei! wie geputzt! das schöne junge Blut!

      Wer soll sich nicht in euch vergaffen? –

      Nur nicht so stolz! es ist schon gut!

      Und was ihr wünscht, das wüsst ich wohl zu schaffen.

      bürgermädchen.