Perry Rhodan

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)


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der Aussicht, befreit zu werden, redete Santral wie ein Wasserfall. Pen half mit ihrer para-suggestiven Gabe ein wenig nach, damit er nicht auf den Gedanken kam, Lügen zu erzählen.

      »Hin und wieder fallen neue Splitter herab. Aber das ist seit etwa zehn Jahren nicht mehr passiert, zumindest nicht in dieser Gegend. Davon wüsste ich.«

      »Das interessiert uns auch nicht sonderlich«, versetzte Pen. »Wir sind vielmehr an dem Aberglauben der Dovoin interessiert, um sie besser zu verstehen.«

      »Ach!« Santral lachte keuchend auf. »Was ihr nicht sagt. Da findet ihr in Baan genug Anschauungsmaterial!«

      »Wenn du uns eine Spur weisen kannst ...« Pen wagte einen Schuss ins Blaue. »Wir hörten von einem legendären Ort, an dem graue Schleier existieren, die Dovoin anziehen und gleichzeitig abstoßen, sie müde und niedergeschlagen machen.«

      »Nun ja, der Ort, von dem ich euch erzählen kann, ist vielleicht nicht legendär, aber er passt zu eurer Beschreibung.«

      Wieder sah Santral ungeduldig an ihnen vorbei und sprach so schnell weiter, dass Pen ihn nicht verstanden hätte, wäre die Ausgabe des Translators nicht langsamer abgelaufen.

      »Vor ewigen Zeiten sind Hunderte Dovoin aus der Küstenstadt Ugnoton fortgezogen. Dort hat sich eine seltsame Krankheit verbreitet – eine körperlose, den Geist drückende Last. Diese Last hatte ihren Ursprung auf der Feuerinselgruppe Tomonuta. Ugnoton wurde geräumt. Die Bewohner bauten in einiger Entfernung, weiter im Norden der Küste, eine neue Stadt auf. Bossonu. Das ist auch mein Ziel. Mein Auftraggeber wartet in Bossonu auf mich.«

      »Dann soll er nicht mehr zu lange warten müssen«, sagte Pen. Sie prüfte das Vorhängeschloss der Zelle. Das weiche Buntmetall sollte mit einem Vibromesser zu öffnen sein. »Wenn du uns bitte vorher den Weg nach Ugnoton weist?«

      *

      Der Wind peitschte Pen Assid ins Gesicht. Sie saß auf Icho Tolots Schulter, der mit einer Geschwindigkeit von über 120 Stundenkilometern Richtung Küste rannte. Pens Haare wirbelten durcheinander, dennoch schloss sie nicht den Helm, sondern genoss die frische Luft nach dem Gestank des Verlieses.

      Sie hatten den Dovoin mühelos daraus befreit, ihm die Augen verbunden – was nicht ohne Protest vonstattengegangen war – und im Schutz der chromatovariablen Anzugtarnung in ihrer Mitte aus dem Wrack geschleust.

      Santrals Empörung über das Vorgehen der Fremden war schon bald der Erleichterung gewichen, den Ladhonen entkommen zu sein. Sein Angebot, ihnen das exotische Lastentier abzukaufen, für das er Tolot hielt, hatten sie dankend abgelehnt. Er hatte es bedauert und sie zu seinem Dampfwagen gebracht, auf dessen Anhänger ein Boot befestigt war. Zumindest hatte er es als solches bezeichnet. Pen hatte darin einen ausgeschlachteten Gleiter erkannt, der aber aufgrund seiner Leichtbauweise auch ein gutes Wasserfahrzeug abgeben würde.

      Santrals Wegbeschreibung nach Ugnoton schien korrekt. Je näher sie der verlassenen Küstenstadt kamen, desto öfter griff sich Jalland Betazou an die Horchhaut im Nacken und an den Schläfen. »Der diffuse Druck, den ich seit der Landung auf Zpud verspüre, verstärkt sich, wird spezifischer«, behauptete der Onryone.

      Er saß auf der rechten Schulter Icho Tolots neben Pen Assid. Auf der linken klammerten sich Bru Shaupaard und Gry O'Shannon an das Anzugmaterial, das sich dank der chromatovariablen Oberfläche stetig der Umgebung anpasste.

      O'Shannon bestätigte Betazous Eindrücke. »Ich fühle mich auf eine ungute Art und Weise angezogen, ganz so, als würde ich Vektormaterie erspähen. Aber bislang spüre ich keine direkten körperlichen Anzeichen, also muss unser eigentliches Ziel weiterhin ein ganzes Stück entfernt sein.«

      Sie erreichten Ugnoton, als die Sonne sich allmählich dem Horizont näherte. Noch reflektierte das Meer mit einem kräftigen Blau die Strahlen Suznys. Vereinzelt zogen kleine Haufenwolken über den Himmel.

      Pen sah angestrengt hinauf.

      »Was suchst du?«, fragte O'Shannon.

      »Phersunen. Oder Anzeichen von ihnen. Sonden zum Beispiel oder Gleiter. Vielleicht fahnden sie aber auch aus dem Orbit nach uns.«

      »Sie werden glauben, dass wir tot sind«, behauptete Betazou. »Man wird höchstens das Wrack der ZALTERTEPE-Jet untersuchen und nach den Emissionen höherdimensionaler Geräte fahnden. Wir sind schließlich nicht die Ersten, die auf Zpud abgestürzt sind. Womöglich haben noch andere Träger von Sextadim-Spänen, wie Bru Shaupaard einer ist, den Weg hierher gefunden, sind jedoch gescheitert.«

      Der Cairaner schwieg.

      Ugnoton war tatsächlich verlassen. Die Fensterläden der Steinhäuser quietschen in den Scharnieren oder verrotteten auf dem Boden. Die Scheiben waren blind und gesprungen. Kein Dovoin war zu sehen.

      Nicht einmal höhere Tierarten belebten die Straßen und Gassen, die vom Sand der Strände zurückerobert worden waren. Pen sah nirgendwo die sonst allgegenwärtigen Federspinnen verschiedener Größenordnungen. Nur winzige Insekten krabbelten über die unebenen Pflastersteine. Wahrscheinlich spürten sie die Vektormaterie nicht, da ihr vegetatives Nervensystem nicht weit genug entwickelt war.

      Pen rieb sich den Nacken, um die Gänsehaut zu vertreiben. An einem Ausleger im Hafen setzten sie sich auf die vermoderten Bohlen und ließen die Beine baumeln. Tolot blieb am befestigten Ufer stehen. Die morsche Konstruktion wäre unter seinem Gewicht zusammengebrochen.

      Es roch nach Salz und Wasser. Der Wind trug feine Tropfen mit sich, die ihre SERUNS benetzten. Pen schmeckte das Meer auf den Lippen, auf irritierende Weise fremd und doch vertraut.

      Schäfchenwolken zogen über den Himmel, und die Nachmittagssonne wärmte ihre Gesichter. Sie kauten auf Konzentratriegeln. Betazou hatte sich zurückgezogen, da die Nahrungsaufnahme für Onryonen ein intimer Vorgang war.

      Der Anblick wäre inmitten der Trostlosigkeit der Stadt idyllisch gewesen, hätte nicht dieser Druck auf Pen gelastet. Sie musterte Shaupaard. Der Cairaner starrte auf die See. Mit den Innenhänden nestelte er am Stoff seiner Handschuhe, die Finger der Außenhände ineinander verschränkt, im Versuch, die nervöse Bewegung zu verbergen.

      Betazou kehrte zurück. Immer wieder rieb er sich über die Horchhaut. O'Shannon fasste sich behutsam an den Kopf. Sogar Tolot zeigte Anzeichen von Bedrückung. Sein breiter Mund stand leicht offen, und er schnaufte leise. Als er Pens Blick bemerkte, schloss er ihn rasch.

      »Selbst das Meer scheint verlassen«, sagte der Onryone. Er hatte den Folienhelm halb geschlossen und betrachtete die vergrößerten Kameraaufnahmen. »Ich sehe keine Fische im Hafenbecken. Alles, was hoch genug entwickelt ist, um die schädliche Ausstrahlung der Vektormaterie zu spüren, ist offensichtlich geflüchtet.«

      »Wundert mich nicht«, murmelte Pen.

      Tolot hatte sich aufgerafft und eine Miniatursonde aus einer Tasche seines Kampfanzugs genommen. Von Sonnenenergie betrieben stieg sie surrend in die Höhe. Ihre Kameras übertrugen die Aufnahmen per Richtstrahl direkt an den Haluter.

      »In etwa 200 Kilometern vor der Küste liegt eine Inselkette«, teilte er den Gefährten mit. »Den Kratern zufolge ist sie vulkanischen Ursprungs. Das muss Tomonuta sein.«

      »Sind die Inseln bewohnt?«, fragte Shaupaard.

      »Wer sollte auf Inseln leben wollen, die voller Vektormaterie sind?« Pen sah den Cairaner fassungslos an.

      »Deshalb frage ich. Sollten sie bewohnt sein, könnte es sich bei ihnen nicht um unser Ziel handeln. Außer es wären Phersunen.«

      »Ich sehe keine Anzeichen von Zivilisation«, sagte Tolot. »Keine Ansiedlungen, keine Schiffe. Dafür scheint ein steter Wind über die Inseln zu wehen. Die Vegetation ist spärlich und duckt sich gegen die Felsen. Ich glaube, selbst ohne Vektormaterie sind die Inseln kein beliebtes Ausflugsziel.«

      »Zumindest für Menschen«, versetzte Pen. »Für Haluter sind das bloß laue Lüftchen, oder?«

      Tolot lachte, doch es klang halbherzig. »Die mittlere und größte Insel weist eine gewaltige kesselförmige