Perry Rhodan

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)


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er hatte in diesem Moment die Hoffnung aufgegeben, die Sonnentransmitter in absehbarer Zeit wieder in Betrieb zu nehmen.

      »Irgendwann stehen wir ganz allein«, murmelte er auf dem Weg zur Zentrale und dann trotzig; »Wenn schon.«

      »Schreiben wir Andromeda nicht ab«, sagte ich.

      Er lachte bitter. »Wer behauptet denn, dass wir Andromeda abschreiben? Ich glaube eher: Sie schreiben uns ab!«

      »Das ist nur eine Vermutung.«

      Bull grummelte etwas Unverständliches und ging weiter. Kurz bevor wir die Zentrale erreichten, fragte er: »Wie hieß noch einmal das Schiff, mit dem die Tefroder nach Andromeda wollen?«

      »SCIMOR«, antwortete ich. »Benannt nach einem legendären lemurischen Wissenschaftler, der ...«

      »Ja, ja.« Bull machte eine wegwerfende Handbewegung. Das Schott zur Zentrale glitt auf. »Tu mir einen Gefallen«, sagte Bull, als wir hineingingen.

      »Und zwar?«

      »Flieg mit!«

      »Nach Andromeda?«

      Bull nickte grimmig. »Du könntest den Tamaron ein wenig für uns im Auge behalten.«

      »Aye«, sagte ich.

      3.

      Atlan

      27. April 2046 NGZ

      »Und der gute Vetris-Molaud war ganz erpicht darauf, mit seinem alten Spielkameraden eine Sause zu machen?«, fragte Gucky burschikos.

      »Der Resident bat Vetris-Molaud einige Tage später offiziell, mich an der Expedition teilnehmen zu lassen«, bestätigte Ganud. »Das Gesuch wurde umgehend und ohne Kommentar von der Botschaft des Tamaniums im Ephelegonsystem bewilligt.«

      Ich nickte. »Nicht ausgeschlossen, dass Vetris-Molaud nach Archi-Trans geflogen war, um genau dieses Gesuch zu provozieren.«

      »Du hältst ihn für einen Manipulator«, stellte Ganud fest.

      »Nein«, sagte ich. »Ich halte ihn nicht dafür. Ich weiß, dass er es ist.«

      Nur keinen Neid, meldete sich mein Extrasinn. Auf diese Gabe hast du kein Monopol. Und der Tamaron ist wirklich gut darin: Er verschafft sich außenpolitischen Spielraum weit über das Tamanium hinaus, präsentiert sich als Vertreter der Milchstraße und gewinnt dadurch Handlungsoptionen. Bull überlässt er die wenig ruhmreichen Niederungen des galaktopolitischen Alltags. Und bleibt mit dem Residenten doch über Ganud persönlich verbunden. Respekt.

      Was Reginald durchschaut haben dürfte, warf ich ein.

      Bull ja, gab der Logiksektor mir recht. Aber auch die Billionen Zuschauer auf der galaktischen Bühne?

      »Diese SCIMOR«, wandte ich mich wieder an Ganud. »Reginald hat sie erwähnt. Es war ein Spezialraumschiff, nicht wahr? Ein Unikat.«

      »Ja«, sagte Ganud. »Das Schiff bestand aus einer 2400 Meter durchmessenden Kugelzelle, wie sie für den Bau der damals neuen ANNUNA-Klasse verwendet wurde, und einer weiteren, darunter angesetzten Sphäre nach dem Vorbild der 2000 Meter durchmessenden NEBERU-Klasse.

      Diese NEBERU-Zelle war angefüllt mit Antriebseinheiten, den dazugehörigen Energieerzeugern, vor allem den Varianten der Daellian-Meiler, da man im Leerraum nur selten Sonnenzapfung würde nutzen können. Dazu lagerten dort zahllose Ersatzteile und ganze Ersatzaggregate. Wegen der Hyperkorrosion benötigt man für eine solche Reise etliche Ersatz-, Zusatz- und Austauschgeräte.

      Die ANNUNA-Kugel war ebenfalls zur Hälfte mit Antriebs- und Energieerzeugungsaggregaten gefüllt, konnte allerdings mit dem restlichen Raum immer noch in gewissem Maß ihrer ursprünglichen Auslegung als Träger- und Ultraschlachtschiff gerecht werden.

      Ihr besonderes Kennzeichen: Anstelle eines Ringwulstes befanden sich vier tiefere und acht flachere, halbkugelige Einbuchtungen regelmäßig verteilt im Äquator, für vier Schwere Kreuzer der ZAON-Klasse mit 230 Metern im Durchmesser und acht leichte PECTOR-Kreuzer mit 120 Metern.

      Als Bull das Schiff schließlich sah, die Landebuchten sämtlich bestückt, meinte er: Sieht aus, als hätte jemand eine Perlenkette um das Schiff gelegt. Seitdem heißen die Einheiten der ANNUNA-Klasse in der Liga auch Perlenkettenraumer.

      Bei der SCIMOR wurde die ANNUNA-Sphäre über einen 200 Meter breiten und 200 Meter langen Zylinder an den oberen Pol des NEBERU-Elementes gekoppelt.«

      »Das Schiff existiert nicht mehr?«, fragte ich.

      »Ich weiß es nicht«, sagte der Posbi. »Nach der gescheiterten Mission wurde keine zweite gestartet. Möglich, dass die beiden Schiffe getrennt wurden und das ANNUNA-Element seitdem für sich operiert.«

      Ganud klang ein wenig geistesabwesend.

      Er ist nicht bei der Sache, konstatierte der Extrasinn. Er ruft sich das damalige Geschehen ins Gedächtnis. Wir wissen nicht, mit welcher Intensität Posbis ihre Erinnerungen abrufen.

      »Es ist ein kalter Ort, der Leerraum«, sagte ich nachdenklich.

      Gucky nickte, für einen Moment in eigenen Erinnerungen versunken. Dann blitzte sein Zahn auf. »Sollte man dich noch einmal auf eine Dienstreise nach Andromeda schicken, stricke ich dir einen Pulswärmer.«

      4.

      Ganud

      11. November 1638 NGZ

      Der Flug nach Andromeda – das die Lemurer einst als Zweite Insel bezeichnet hatten – dauerte bereits über drei Monate. Die Tefroder an Bord der SCIMOR hätten die Reise als ereignislos bezeichnet – und dabei immer noch das Gefühl einer Schönrednerei gehabt.

      Die Antriebseinheit des Doppelkugelraumers jagte das Schiff durch den Linearraum. Der gelegentliche Aufenthalt im Normalraum zur routinemäßigen Überprüfung der Schiffsmaschinerie brachte nur wenige Stunden Abwechslung. Das Bewusstsein, durch die sternenlose Leere zwischen den Galaxien zu treiben, umgeben von nichts als kaltem Gas und Finsternis, hellte die Bewusstseine meiner Mitreisenden nicht auf.

      Da die technische Überprüfung meist in kurzen Gesprächen mit spezialisierten Positroniken bestand, die die von ihnen ermittelten Datenvolumen vektoriert, aufgewertet und in knappen Worten zusammengefasst hatten, sorgten auch diese Intermezzi nicht für spektakuläre Aufmunterungen.

      Und die Zeiten, von denen manchmal die alten Astronauten berichteten, Zeiten, in denen man im Nirgendwo zwischen Karahol und Apsuhol beinahe zwangsläufig auf verirrte Mobys stieß, auf marodierende Maahks in schrottreifen Walzenraumern und auf bösartige Hinterlassenschaften der Meister der Insel in vergessenen Raumstationen mit verrückt gewordenen Positroniken – diese Zeiten waren wohl endgültig vorüber.

      Die SCIMOR jedenfalls begegnete keiner einzigen Raumstation mit paranoider Positronik. Der Leerraum barg keine Geheimnisse, sondern tat bloß, was sein Name verlangte: Er stand leer.

      Und ich dachte: schade eigentlich.

      Wer Posbis kennt, weiß, dass auch mein Anteil lebender Materie von Zeit zu Zeit regenerieren muss. Er wechselt Stoffe mit der Außenwelt, nimmt auf, verwertet, entsorgt.

      Schlaf allerdings benötigt er nicht. Für die Archivierung meiner Erlebnisse, deren Hierarchisierung und Priorisierung ist mein positronischer Anteil zuständig. Aber die Gabe des Schlafs hat mich immer inspiriert. Gelegentlich spazierte ich deswegen auch an Bord der SCIMOR aus meiner Unterkunft, die ich im Grunde nicht benötigte, und über die Korridore der Besatzungsquartiere.

      Unterwegs warf ich den einen oder anderen Blick in die Gesellschaftsräume, wohnte kleinen Theateraufführungen bei oder artistischen Darbietungen; ich sah Tefroderinnen und Tefroder über komplexe Strategiespiele vertieft, hörte sie miteinander singen, streiten oder flüstern und studierte nicht zuletzt die Schemata ihrer körperlichen Annäherung aneinander. Die erstaunten mich jedes Mal aufs Neue: wozu ein solch labyrinthisches Spiel, nur um den Hormonhaushalt des eigenen Leibes zu erfrischen,