und glitzernde Empfangshalle über eine gläserne Treppe hinauf in den ersten Stock und von dort aus über eine so zerbrechlich wirkende gewölbte Brücke in einen weiteren Anbau, dass David nicht sicher war, ob sie sein Gewicht tragen konnte. Denn anders als in der Menschenwelt berührten seine Füße hier den Boden.
Unter ihm breitete sich eine Wiese aus. Zartgrüne Halme bewegten sich in weichen Bewegungen im Wind hin und her.
Die beiden Frauen waren bereits in dem angrenzenden Raum auf der anderen Seite verschwunden, als David den Anbau betrat. Von außen hatte das Gebäude ebenso kristallen gewirkt wie der Hauptbau. Doch sein Inneres war gänzlich anders ausgestattet. Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, Kerzenleuchter spendeten warmes Licht, auf dem Boden fanden sich edle Teppiche, die klassische Motive des Mittelalters zeigten. Ritter auf ihren Pferden, wie sie sich im Lanzenkampf miteinander maßen, während das Königspaar auf der Tribüne thronte und huldvoll winkte.
»Setz dich, Prinzessin Rhiannon«, bat die Herrin vom See und deutete auf eine mit Samt bespannte Chaiselongue vor einem heimelig flackernden Kaminfeuer.
Seine Schwester folgte der Einladung, während David sich mit etwas Abstand im Hintergrund hielt und wachsam, seiner Rolle gemäß, stehenblieb. Dieser Raum war ganz offensichtlich eine Illusion, wenn auch nicht im magischen Sinne. Die Gemütlichkeit und Intimität der Einrichtung beschworen die alten Tage herauf. Tage, die Jahrhunderte zurücklagen und wahrscheinlich glücklichere Tage für Nimue symbolisierten.
So mochte Lancelot seine Lehrzeit verbracht haben, wenn er nicht gerade seine Nase in den Bibliotheksbüchern vergraben oder seine Kampfkunst draußen im Hof trainiert hatte. Vielleicht war das der Ort gewesen, an dem Merlin und Nimue ihrer Liebe Ausdruck verliehen hatten. Hier in ihrem sicheren Heim, fernab der Welt.
Die Herrin vom See hatte gegenüber von Rian in einem Sessel Platz genommen. Ihr Kopf war dem Kamin zugewandt, sodass David sie nur im Profil sehen konnte. Doch selbst darin ließ sich Sorge ablesen. »Ich danke euch beiden, dass ihr diesem Ruf so eilig gefolgt seid und alle Hindernisse überwinden konntet«, sagte sie.
Eine Pause entstand. Rian warf ihrem Bruder einen kurzen, hilfesuchenden Blick zu. Er hob zur Antwort die Schultern. Man tat gut daran, mächtige Wesen wie Nimue nicht zu irgendetwas zu drängen oder sie zu verärgern, außer man konnte mit den Flüchen leben, die einen daraufhin treffen mochten.
Nimue war äußerlich ein zartes Feenwesen. Ihr wahres Alter war unbekannt und sie galt bei den Menschen als mystisches Sinnbild für die wahrhaftig Liebende. Doch wie jeder Elementargeist war sie auch überaus gefährlich. Sie war diejenige, die den größten aller Zauberer ausgetrickst, gebannt und für alle Zeiten aus dem Spiel des Lebens genommen hatte.
»Denkt nicht, ich hätte die Veränderungen nicht mitbekommen«, fuhr Nimue schließlich fort. »Gewiss, ich habe dieses Reich schon seit Ewigkeiten nicht mehr verlassen. Ich bin selbst gefangen, wie ihr bereits herausgefunden habt. Aus dem Drang heraus, das Kostbarste zu schützen, das es gibt, habe ich mich darin verfangen und verirrt.« Wieder stockte sie. Pausierte. Während David sie mühsam kontrolliert ein und ausatmen sah, während ihr Blick unbewegt auf das Feuer gerichtet lag. Ohne ein Blinzeln oder auch nur ein Muskelzucken.
»Die Zeit«, gab Rian das Stichwort. »Sie hat alles verändert.«
»Ein lange vorausgeplantes erstes Steinchen in einer Reihe von Spielsteinen, die nun einer nach dem anderen fallen werden oder bereits gefallen sind«, nahm die Herrin vom See den hingeworfenen Köder auf und fuhr fort. »Ich habe Mittel und Wege zu sehen. Vielleicht nicht überall gleichzeitig. Aber das große Ganze lässt sich dennoch erschließen.«
»Was meint Ihr?«, hakte Rian vorsichtig nach. Ihr Blick lag voller Konzentration auf der Herrin vom See. Doch Nimue verschleierte ihr Innerstes. Eine spürbare Schutzaura umgab sie. Das erweckte Davids Misstrauen, und er blieb angespannt.
»Mein Blick reicht weiter als bis zu den Grenzen der Menschenwelt«, sagte Nimue. Ihr Mund zog sich voller Verbitterung und Abscheu zusammen. »Ich habe Gwynbaen gesehen. Wie sie sich gewandelt hat. Wie sie litt und immer noch leidet und dafür anderen noch schlimmere Qualen antut. Selbst für ein Wesen ohne Seele ist das zu viel. Sie hat Grenzen überschritten, die unantastbar sein sollten. Eine Ungeheuerlichkeit, die am Gleichgewicht rüttelt. Die Lawine baut sich gerade erst auf, Prinzessin. Und sie wird schon bald geradewegs auf uns und besonders auf Euch zurasen.«
»Bandorchu will unseren Vater! Sie will Fanmór stürzen, um das Reich der Sidhe Crain an sich zu reißen. Genau wie sie es mit der Menschenwelt gerade tut«, mischte sich David ein.
Nimue blinzelte. Das war alles. Er sollte hier sein, aber nicht reden. Diese Gefühlskälte tippte in David etwas an. Eine Wut, die tief aus seinem Inneren kam. Doch er beherrschte sich. Biss die Zähne zusammen und nahm es hin, dass er ignoriert wurde. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, zu gehorchen und nicht nach Nadja zu suchen.
Bleib diplomatisch, ermahnte er sich in Gedanken. Du bist nicht einfach nur ein Elf. Du bist der Kronprinz.
»Ich fühle mich geschmeichelt, dass Ihr Euch offenbar um uns sorgt«, antwortete Rian, als wäre nichts gewesen. »So wie wir uns natürlich auch um Euch sorgen und Euch zur Verfügung stehen, so es in unserer Macht steht, zu helfen.«
Das Gespräch glich einem komplizierten Tanz, bei dem sich die Partner versuchten näher zu kommen, während sie einer alten Abfolge von Schritten, Verbeugungen und Drehungen folgten.
»Das könnt ihr. Und vielleicht seid ihr es, die das nötige Wunder vollbringen können.« Mit diesen Worten wandte Nimue sich ihnen beiden zu. Ihre Augen funkelten wie Sterne, so unergründlich schwarz und doch so leuchtend an der Oberfläche.
David las jetzt die Trauer in ihren Zügen. Winzige Fältchen, die sich um ihre Mundwinkel gebildet hatten. Dunkle Ränder unter den Augen, die das makellose Weiß durchbrachen, wie feine Risse im Porzellan.
Die immer junge Dame vom See, Sinnbild der Liebe und der ewigen Schönheit wirkte müde und kraftlos. Auch sie war nicht mehr unsterblich, wie alle Wesen aus der Anderswelt. Waren Rian und David bei ihr, um sie vor dem Tod zu bewahren? War sie krank?
David begann nervös auf der Stelle zu wippen. Wenn selbst eine so allmächtige Frau dem Sterben unterworfen war, war auch der eigene Tod nicht mehr weit.
»Wie können wir helfen?«, fragte Rian nun gerade heraus. »Welche Krankheit plagt Euch?«
David sah Tränen in den Augenwinkeln der Fee glitzern.
»Es geht nicht um mich«, erwiderte Nimue mit brüchiger Stimme. »Es geht um meine Tochter.«
David hob die Brauen und auch seine Schwester wirkte überrumpelt. Seit wann hatte die Dame vom See Nachkommen?
»Sie ist etwas ganz Besonders, müsst ihr wissen«, fuhr Nimue fort. »So zart und filigran wie das Netz des Morgentaus, das sich in der Dämmerung über die Blätter legt und wenige Augenblicke später bereits vergangen ist.«
»Was ist passiert?« Rians Stimme war kaum mehr als ein Wispern.
»Als die Zeit Einzug hielt, fing es an. Als würde sich ein Schatten auf Eloise legen. Wie eine Vorahnung oder tiefe Trübsal, die sich auf ihrem Gemüt niederließ«, berichtete Nimue stockend. »Natürlich habe ich nach dem Grund geforscht, habe alle mir zur Verfügung stehenden Kanäle geöffnet, meine Boten in die Welten ausgesandt, um es zu verstehen, um die Machenschaften dahinter zu durchblicken.«
Sie stöhnte auf, als würde ihr die Erinnerung körperliche Schmerzen bereiten. »Als der Getreue den ersten Stab in einen der Ley-Knoten versenkte, war es, als hätte er einen der Lebensfäden meiner Tochter durchschnitten. Und mit jedem weiteren Knotenpunkt, den die Dunkle Königin für sich gewann, schwanden die Kräfte meiner Tochter. Sie … liegt im Sterben.«
Nimue schluchzte erstickt auf und David war so erschlagen von der Welle an Schmerz, die sie ausstrahlte, dass er einen Schritt zurück wankte.
Abrupt stand die Herrin vom See im nächsten Moment auf, straffte sich und schritt auf die Tür zu. Erst an der Schwelle hielt sie inne. »Folgt mir. Ihr sollt