Laurelin Paige

Officer Hot Cop


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berühre ich den Prospekt, der hinter der Rainbow China Restaurant Karte am Kühlschrank klemmt, seit ich die Kinderwunschklinik letzten Monat aufgesucht hatte.

      Ist es das, was ich brauche? Die Kosten für eine künstliche Befruchtung sind nicht so hoch, wie ich erwartet hatte. Wenn ich es wirklich versuche, könnte ich mir das leisten, auch bei dem Gehalt einer Bibliothekarin. Aber ein unbekannter Vater … meine Mutter würde durchdrehen. Dennoch denke ich darüber nach. Jetzt, wo mein Tod auf mich zurast, sollte ich vielleicht schneller nachdenken.

      „Vermisst du denn nicht einmal den Sex?“

      Das scheint eine harmlose Frage zu sein, aber von Megan kommend bin ich mir sicher, dass ihre Frage zu einem Blind Date führt, wenn ich nicht aufpasse.

      „Mein Vibrator funktioniert einwandfrei“, erkläre ich ihr. „Und dabei ist er weder großspurig noch selbstgefällig und verlässt mich nicht.“

      „Stimmt, aber die Batterien halten nicht ewig.“

      „Sie sind wiederaufladbar.“

      „Das ist nicht dasselbe. Hör zu, Livia. Ich werde jetzt ganz ehrlich zu dir sein.“

      Doch ich verstehe nicht, was sie sagt, denn eine Reihe von Brummgeräuschen überlagert ihre Rede. Ich habe Nachrichten erhalten. Einige.

      Ich nehme das Handy vom Ohr und lese.

      Ich glaube, ich stecke in mächtigen Schwierigkeiten. So wirklich. Also richtig große Schwierigkeiten, und jetzt sind die Cops hier und du musst vielleicht Kautionsgeld mitbringen, denn Mom steht im OP und Dad ist bei einer Geburt dabei, also können sie mir nicht helfen kommen, aber ich habe was gemacht.

       LIVIA!

       ERINNER DICH AN MICH, wenn ich im Knast vergehe. Was, wenn ich die nächste Staffel von SKAM verpasse?

      Die Nachrichten sind von Ryan, einem Mädchen, mit dem ich in der Bibliothek oft zusammenarbeite. Also, sie ist eine richtige Drama-Queen. Ich halte mir das Handy wieder ans Ohr. „Bleib mal kurz dran, Megan.“ Dann tippe ich Ryan schnell eine Antwort.

      Ich: Was ist los? Fasse dich kurz!

      Sie antwortet in Form eines Panoramafotos. Es sieht aus wie der Parkplatz ihrer Highschool. Ich kann nicht viel erkennen, nur dass da viele Autos hinter ihr stehen und ein Polizeibeamter. Und es sieht so aus, als ob Ryan sich zwischen zwei Bäumen angekettet hat und somit eine Barrikade zwischen der Schule und der Zufahrt darstellt.

      Drama ist heute wohl das Thema des Tages.

      Nach einer schnellen Verabschiedung von Megan, schreibe ich Ryan eine kurze Antwort.

      Ich: Bin gleich da.

      Ich werfe mich in eine Leggings und ein übergroßes T-Shirt, das vielleicht schon in die Wäsche gehört, statt auf meinem Stuhl im Schlafzimmer rumzuliegen. Dann verknote ich mir die Haare zu einem unordentlichen Dutt und lese Ryans Antwort.

      Ryan: Du bist die Beste! Bringst du mir einen kalten Karamell-Latte von unterwegs mit? Danke!

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      Ich hole ihr keinen Latte.

      Der Verkehr scheint ganz gut zu rollen, als ich an der Shawnee Mission East, Ryans Highschool, ankomme. Ich parke auf dem, des Aufruhrs nächstgelegenen, freien Parkplatz und betrachte mir die Situation, bevor ich aussteige. Wie das Foto nahelegt, hält Ryans Blockade die Autos davon ab, auf die Runde Zufahrt zu fahren, wo man die Kinder ein- und aussteigen lassen kann. Die Ketten sind verschwunden, aber der Verkehr wurde zu einer anderen Einfahrt umgeleitet, weil sie noch immer mitten auf der Straße steht. Sie trägt eine goldene und lila Cheerleader-Uniform und hält ein Plakat hoch. Die Buchstaben sind so fett, dass ich sie von hier lesen kann.

      Eure schmutzigen Gedanken sind nicht mein Problem.

      Langsam dämmert es mir.

      Ryan ist erst vierzehn, aber bereits eine Aktivistin. Sie nutzt jede Gelegenheit, um zu protestieren, wenn sie das Gefühl hat, eine Person oder eine Gruppe wird ungerecht behandelt. Einmal marschierte sie vor der Bibliothek auf und ab, um für das Recht von Müttern zu protestieren, in der Öffentlichkeit zu stillen. Ein andermal schloss sie sich der Jugendgruppe in der Stadthalle an, um gegen die Steuern auf Lebensmittel zu protestieren. Sie hat auch schon Infobroschüren über die Notlage der Zwergpottwale verteilt. Vielleicht liegt es daran, dass Kansas City im Inland liegt, aber es hat sich herausgestellt, dass den Menschen im mittleren Westen die Gefühle von großen Meerestieren nicht sehr am Herzen liegen.

      Vielleicht sehe aber auch nur ich es so. Allerdings liegen mir die Gefühle dieser so leidenschaftlichen jungen Dame sehr am Herzen. Sie meint es gut und hat ein großes Herz. In welche Schwierigkeiten auch immer sie sich gebracht haben mag, ich hoffe, ich kann ihr raushelfen.

      Ich trinke meinen letzten Schluck mitgebrachten Pekannuss Kaffee und bin froh, ihn mitgenommen zu haben, denn das Koffein werde ich brauchen. Ich steige aus und höre Ryan sofort.

      „Bekommt ihr bei meinem Anblick schmutzige Gedanken?“, schreit sie einer Gruppe verspäteten Schülern zu, die in Richtung Schule eilen. „Und? Ist das so?“

      Oje.

      Obwohl der Unterricht sicher schon angefangen hat, hat sich in ihrer Nähe eine kleine Menschenmenge zusammengerottet. Ein paar erwachsene Frauen befinden sich darunter, wahrscheinlich Aufsichtspersonen, einige Schülerinnen und ein Polizist.

      Ich gehe auf sie zu. Der Cop spricht mit einer der Erwachsenen, als ich näher komme. Er hat mir den Rücken zugewandt.

      „Sie sind sicher stark genug, sie hochzuheben“, sagt die Frau zu ihm. „Man sieht, dass sie trainieren.“ Sie flirtet so heftig, dass ich es von hier aus höre.

      „CrossFit“, sagt der Cop mit einem Schulterzucken. „Fünf Tage die Woche.“

      Gott, einer von denen. Großspurig. Selbstgefällig. Copmäßig. Solche Typen kenne ich. Ich wappne mich für die mir bevorstehende Interaktion mit ihm.

      „Das ist ja total offensichtlich“, sagt die Flirtende. „Warum schnappen Sie sie sich nicht einfach selbst? Im Feuerwehrgriff.“

      Sie ist gut. Sie hat schwarzes Haar, weiße Haut, dass es so unnatürlich aussieht, als hätte sie sich angemalt. Und sie hat sehr, sehr rote Lippen. Ich habe den Eindruck, dass Verführung eins ihrer Hobbys ist, wenn nicht sogar ihr Nebenjob.

      „Das verstößt gegen die Vorschriften, ich darf keine Minderjährige anfassen. Wir müssen auf die Polizistin warten, die ich angefordert habe. Aber ich weiß das zur Verfügung stellen des Bolzenschneiders sehr zu schätzen.“

      Bolzenschneider. So sind sie also mit den Ketten fertig geworden. Jetzt, wo ich genauer hinsehe, kann ich einen Berg silberner Ketten erkennen, die an dem Baum neben der Straße liegen.

      Ryan, Ryan, Ryan, was hast du getan?

      Geduldig stehe ich hinter dem Polizisten und warte auf einen geeigneten Moment, um zu unterbrechen.

      „Ich bin keine Minderjährige“, sagt eine der Teenagerinnen und zwirbelt dabei eine dunkelblonde Haarsträhne zwischen den Fingern. „Ich bin achtzehn. Mich könnten Sie berühren, Officer Kelly.“

      Und schon ist der Moment gekommen. „Entschuldigung“, sage ich mit meiner Bibliothekarinnenstimme. Freundlich, aber bestimmt. „Was geht hier vor?“

      Als sie mich hört, wirbelt Ryan herum und sieht mich an. „Livia!“ Sie ist dabei, zu mir zu laufen, doch scheint sich dann daran zu erinnern, dass sie sich absichtlich dort befindet. „Hey, wo ist mein Starbucks Latte?“

      Ich werfe ihr einen strengen Blick zu und sehe dann wieder nach vorn, genau in dem Augenblick, in dem sich der Cop zu mir umdreht. Und jetzt verstehe ich auch, was das ganze Aufhebens soll. Er ist heiß.

      Ungefähr Ich-vergesse-was-ich-sagen-will-heiß.

      Ich-hätte-mir-die-Beine-rasieren-sollen-heiß.