Richard Harding Davis

Der rote Reiter


Скачать книгу

      

      Richard Harding Davis

      Der Rote Reiter

      Nebst zwei Erzählungen von L. Mott

      Autorisierte Uebersetzung von Joachin Francke

      Saga

      Ebook-Kolophon

      Richard Harding Davis: Der rote Reiter. © Richard Harding Davis. Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2015 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2015. All rights reserved.

      ISBN: 9788711462157

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com - a part of Egmont, www.egmont.com.

      Der Rote Reiter

      Von R. H. Davis

      Erstes Kapitel.

      Die Subalternoffiziere von Fort Crockett pflegten in der Kantine zu dinieren. Anfänglich, aber nur anfänglich, hatte Leutnant Ranson einen schlechten Witz nach dem andern über das merkwürdige Offizierskasino gemacht. Mit einer gewissen Berechtigung. Wie überall auf den einsamen Militärposten des amerikanischen Westens war auch in Fort Crockett die Kantine das einzige Bindeglied zwischen kaufendem Konsumenten und verkaufendem Produzenten — ein Restaurant, ein Klubraum, ein Warenhaus, vollgepfropft mit den Tausenden von Dingen, deren die Soldaten des Forts und die Indianer der Reservation bedurften. Und weil die Kantine so vielseitig war, haperte es mit dem Platz! Der Tisch der Offiziere war eingezwängt zwischen riesige Syrupfässer und die glühende Hitze eines offenen Kaminfeuers; der Ladentisch diente ihnen als Büfett; ein Billard, dessen grünes Tuch mit Flecken aller Farben gesprenkelt war wie eine Inselkarte der Grossen Seen, musste den Anrichtetisch ersetzen; Pete, der Indianer, fungierte als Haushofmeister und servierender Kellner. All’ diese unbequemen Kleinigkeiten jedoch schwanden zu einem Nichts zusammen gegenüber der allein wichtigen und allein massgebenden Tatsache, dass jeden Abend Mary Cahill der Tafel präsidierte und durch ihre blosse Gegenwart die einfache Mahlzeit in ein üppiges Bankett verwandelte. Mary Cahill war die Tochter des Fort-Händlers. (So wurde der Inhaber der Kantine nach alter Armeegewohnheit genannt). Von ihrem Stuhl hinter dem Ladentisch aus, zwischen Kasse und Wage sitzend, diktierte sie dem Kasino ihre Gesetze und schenkte Allen und Jedem ein liebenswürdiges Lächeln, unparteiisch, wie ein richtiger guter Kamerad.

      Früher wenigstens war sie unparteiisch gewesen. Seit einiger Zeit freilich lächelte sie auf alle hernieder — nur nicht auf Leutnant Ranson. Wenn der sprach oder erzählte, wandte sie den Blick ab und starrte ins knisternde Feuer, mit heissen Wangen, mit Augen, so blitzend, als hätten sie Feuer gefangen am Flammenschein.

      Seit fünf Jahren, seit dem Tage, an dem ihr Vater sie aus dem Kloster in St. Louis holte, hatte Mary Cahill fortwährend Offiziere kommen und Offiziere gehen sehen. Sie besass ausgedehnte und reichhaltige Kenntnisse über diese Offiziere, ihre militärischen und privaten Angelegenheiten. Sie kannte die Tradition jedes einzelnen Regiments der Armee, seine Kriegstaten, seine Politik in Friedenszeiten, seine Spitznamen, seine Skandale; ja sogar die Kantineneinnahmen der einzelnen Kompagnien. Von den Ereignissen des militärischen Lebens in Fort Crockett jedoch, das sich ja unter ihrer unmittelbaren Beobachtung abspielte, wusste sie mehr als der Regimentsadjutant, mehr noch als selbst des Obersts Frau! Wenn Trompeter Tyler beim Kirchensignal wieder einmal greulich falsch geblasen hatte, wenn Frau Stickney den Quartiermeister immer wieder um eine neue Ofenröhre plagte, wenn Leutnant Curtis zwei Tage Urlaub erhielt, um Wachteln zu schiessen, dann wusste es Mary Cahill; und wenn »Frau Kapitän« Stairs sich den Fort-Landauer für eine Fahrt nach Kiowa-City verschaffte, während »Frau Kapitän« Ross zu gleicher Zeit den gleichen Wagen für ein Picknick mit Beschlag zu belegen wünschte, so wusste Mary Cahill ganz genau, was die Damen zueinander gesagt hatten und welche von den beiden in Tränen ausgebrochen war. Sie wusste alle diese Dinge, denn sie wurden ihr jeden Abend von ihren »Kasinogästen« haarklein erzählt. Die Kasinogäste waren sehr loyal gegenüber Mary Cahill. Die Stellung des Mädchens war schwierig genug, und wenn die blutjungen Offiziere nicht ein so feines Verständnis gezeigt hätten, so wäre sie noch viel schwieriger gewesen. Denn das Leben auf einem Militärposten ist ebenso von Rangunterschieden eingeengt, wie das Leben auf einem Kriegsschiff; und so wenig des Schiffbarbiers Schultern mit den Epauletten des Admirals in Berührung kommen, so unmöglich ist es, dass einerseits die Tochter eines Forthändlers die Damen der »Offizierslinie« besucht oder andererseits Soldatenfrauen bei dem jungen Mädchen eingeladen werden, dessen Wäsche sie besorgen.

      So befand sich Mary Cahill zwischen den oberen und den unteren Mühlsteinen, war der Gesellschaft ihres eigenen Geschlechts beraubt und musste wohl oder übel mit den Offizieren vorlieb nehmen. Und die Offiziere spielten ehrliches Spiel. Loyalität Mary Cahill gegenüber war eine Tradition von Fort Crockett, die ein jedes der ablösenden Regimenter pflichtgemäss aufrecht erhielt. Ausserdem wusste man von ihrem Vater, einem unheimlichen Gesellen, der nur fürs Geldverdienen lebte, dass er sich ausgezeichnet auf Revolverschiessen verstand ...

      Seit dem Tage, an dem sie aus dem Kloster gekommen war, hatte Mary Cahill nur nach zwei Richtungen hin Liebe empfunden: Sie liebte ihren grimmigen, schweigsamen Vater, der mit der Eifersucht eines Liebhabers über sie wachte, und sie liebte die gesamte Armee der Vereinigten Staaten. Die Armee erwiderte ihre Liebe, ohne die Eifersucht ihres Vaters und mit weit grösserer Zärtlichkeit. Als jedoch Leutnant Ranson von den Philippinen nach Fort Crockett kam, verteilte Mary Cahill ihre Liebe nicht mehr auf die militärische Allgemeinheit, sondern ihr Herz schwankte stündlich zwischen Hangen und Bangen.

      Zwei Räume bildeten das Erdgeschoss der Forthandlung — der grosse Raum, der nur von Offizieren und ihren Damen betreten werden durfte; der andere, kleinere, der für die Soldaten bestimmt war. Beide waren durch eine Bretterwand getrennt. Auf der Offiziersseite wie auf der Soldatenseite liefen Regale mit Kleiderstoffen und Konserven und Patentmedizinen die Wand entlang. Durch eine mit Büffelfellen verhängte Türe in der Scheidewand konnte Cahill von dem Ladentisch des einen Raumes zum Ladentisch des andern treten. Auf der einen Seite bediente Mary des Obersts Frau mit vielen Metern Seidenband zu Kotillongeschenken — auf der andern wog ihr Vater Bärenklauen ab (aus Truthahnknochen in Hartford, Staat Connecticut, fabriziert) zu einer Halskette für Rotschwinge, die Squaw des Häuptlings der Arrephaos. Cahill bediente einen jeden mit gleichem Ernst und in gleicher eigensinniger Schweigsamkeit. Noch niemand hatte ihn je lachen sehen. Er selbst scherzte dann und wann einmal mit anderen in seiner grimmigen, halb verlegenen Art. Noch niemals aber hatte jemand mit ihm gescherzt. Einmal wurde erzählt, nach Fort Crockett sei Cahill aus New York gekommen, wo er in der berüchtigtsten Gegend, in der Bowery, die erste Hand des nicht weniger berüchtigten Kneipenwirts McTurk gewesen sein sollte.

      Dieses Gerücht stammte vom Sergeanten Clancey, von »G«-Schwadron. Als aber der Sergeant sich auf die New Yorker Zeiten berief und Cahill als Bekannten begrüsste, spreizte der Forthändler die Hände auf dem Ladentisch aus und starrte den Sergeanten aus kalten, drohenden Augen an.

      „’war niemals in ’ner Wirtschaft,“ sagte er. „Bin noch nie auf der Bowery gewesen, niemals in New York, bin in meinem Leben nicht weiter östlich gekommen als Denver. Was wünscht Ihr sonst noch?“

      „Schön, vielleicht irre ich mich,“ brummte der Sergeant.

      Einen Monat später, als eines Abends unten beim Indianerdorf ein Coyote heulte, sagte der Sergeant hinterlistig:

      „Klingt gerade wie das Signal der Whyos, nicht?“

      Und Cahill, der dem Geheul des Wolfes lauschte, nickte gedankenlos mit dem Kopf.

      Der Sergeant schnaubte vor Triumph. „Häh, hab ich’s doch gewusst!“ schrie er. „Ein Mann, der nie auf der Bowery gewesen sein will, und doch das Signal der Whyos kennt! Das kostet Euch eine Runde, Cahill!“

      Das