Inhalt
Verbotene Nächte im Schlosshotel
Liebesgeheimnisse in Schloss Lichtenau
»Das also ist es, das Schloß deiner Ahnen!« Der Mann auf dem Beifahrersitz des schnittigen amerikanischen Sportwagens schob die lustig karierte Schirmmütze in den Nacken. »Sieht nicht schlecht aus, der Kasten, muß ich schon sagen. Warst du eigentlich schon einmal hier?«
Der andere junge Mann hatte beide Hände über das Steuerrad gelegt und das Kinn darauf gestützt. Er sah ernst und nachdenklich aus. »Nein, Archie, ich war noch nie hier. Eigentlich ist mir das unbegreiflich. Ich besitze zwar einige Fotografien, es existiert in unserem Haus drüben sogar ein uralter Holzschnitt, aber ich habe diese Dinge bisher noch kaum beachtet. Jetzt wundere ich mich, daß mich das alles so wenig berührt hat.«
»Empfindest du denn nun anders?«
»Ja, und darüber staune ich am meisten. Wenn ich so diesen gewaltigen Bau dort auf der kleinen Insel sehe und mir ins Bewußtsein rufe, daß diese dicken, festgefügten Mauern sozusagen die Wiege unseres Geschlechtes sind – also, ich muß schon sagen, dann wird mir doch ganz eigenartig zumute.«
»Dieses Gefühl kenne ich, Allan, und ich nehme es dir durchaus nicht übel, daß du manchmal ein wenig spöttisch die Lippen verzogen hast, wenn ich ähnliche Gedanken äußerte. Ihr Amerikaner seid eben ausgesprochene Gegenwartsmenschen, ihr seid nicht mit so vielen Traditionen behaftet wie wir Europäer, Traditionen, die übrigens oft auch wie Ballast wirken können.«
»Na, darüber wollen wir uns jetzt nicht unterhalten, das würde zu weit führen. Sag mir lieber, ob du immer noch an deinen wahnwitzigen Plan festhalten willst.«
»Ich finde unser Vorhaben durchaus nicht wahnwitzig, sondern höchstens amüsant. Schließlich sind wir ja zu diesem Zweck hierhergefahren.
»Was aber in keiner Weise verpflichtend für dich ist, Archie. Ehrlich gesagt, mir wäre es fast lieber, du würdest…«
»Nun, rede kein dummes Zeug, Allan! Reich mir die Reisetasche vom Rücksitz, damit der ehrwürdige Archibald Arthur Lord of Duncaster sich in einen dienstbeflissenen Butler verwandeln kann.«
»Je mehr ich darüber nachdenke, um so weniger gefällt mir die Geschichte«, sagte Allan Noraway. »Es hätte doch auch eine andere Möglichkeit geben müssen.«
Er war ein großer, stattlicher junger Mann, bei dem sich die kühnen Züge seiner südlichen Vorfahren in vorteilhafter Weise mit dem typischen Aussehen des modernen Amerikaners vermischt hatten. Das pechschwarze Haar war sportlich kurz geschnitten.
Die breiten Schultern und der elastische Gang verrieten den aktiven Sportler, obwohl der Sport für Allan Noraway nur Freizeitbeschäftigung war. In der Hauptsache befaßte er sich mit der Wahrnehmung der Geschäfte, die er von seinem früh verstorbenen Vater übernommen hatte, und er bewies eine äußerst glückliche Hand dabei.
Zwar war die Familie schon sehr wohlhabend gewesen, als Mirko Noraway starb, doch der Sohn hatte das Millionenvermögen trotz seiner Jugend bereits mehr als verdoppelt, und in amerikanischen Wirtschaftskreisen sah man in ihm den kommenden Mann.
»Eine andere Möglichkeit?« nahm Lord Archibald den Gesprächsfaden auf. »Ich wüßte wirklich nicht, welche. Immerhin haben wir, und nicht zuletzt auch deine Mutter, doch alle nur denkbaren Schritte erwogen. Es steht fest, daß die in Amerika lebende Familie Noraway in direkter Linie von den Königen von Norawa abstammt, aber ihr könnt es nicht beweisen.«
»Das stimmt. Im Grunde genommen ist es mir auch ziemlich gleichgültig«, brummte Allan.
»Das glaube ich dir sogar, mein lieber Freund, aber deine von mir hochverehrte Frau Mama denkt anders darüber, und da gebe ich ihr recht. Außerdem gibt es da auch noch eine junge Dame, die…«
»Laß bitte Jennifer aus dem Spiel, Archie!«
»Wie du willst, Allan, das ist in diesem Zusammenhang auch unwichtig. Jedenfalls geht es darum, die Wahrheit über die Herkunft eurer Familie zu ergründen und dir gegebenenfalls zu dem Titel zu verhelfen, der dir zusteht.«
»Der Titel interessiert mich wenig. Ich möchte nur Klarheit haben.«
»Nun gut. Aber ich weiß, daß deine Mutter da ein bißchen anders denkt. Ihr habt euch an Maximilian Peter, den derzeitigen König von Norawa, gewandt und um Einsicht in die Familienchronik gebeten, und ihr habt einen abschlägigen, in seiner schroffen Kürze schon fast beleidigenden Bescheid erhalten. Ihr habt Detektive und sogar Wissenschaftler mit der Wahrnehmung eurer Interessen beauftragt, es war gar nichts zu machen. Der Versuch, den König mit Geld zu locken, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn der Reichtum der Norawas ist beinahe sagenhaft. »Also…«
»Also ist mein bester Studienfreund, der edle Lord of Duncaster, auf die Idee gekommen, sich als Butler in das Schloß meiner Vorfahren einzuschleichen, um dort in Ruhe nach den entscheidenden Dokumenten suchen zu können«, vollendete Noraway lächelnd.
»Jawohl, und ich werde finden, was ich suche«, behauptete Lord Archibald mit Nachdruck. »Niemand wird mich von meinem Vorhaben abhalten können, auch du nicht, lieber Freund. Also wollen wir auch keine Zeit mehr mit unnötigen Redereien verschwenden. Ist ja auch nicht nötig, daß man uns hier zusammen sieht, obwohl das in dieser menschenarmen Gegend ohnehin ziemlich unwahrscheinlich ist. Aber man braucht nichts herauszufordern. Na, wie gefalle ich dir in meiner Rolle als Butler Archibald?«
Allan Noraway, der während des Gesprächs die herrliche, ihm bisher noch unbekannt gewesene Landschaft an der Küste der Adria bewundert hatte, wandte dem Freund sein Gesicht zu – und brach augenblicklich in schallendes Gelächter aus.
Es war auch zu komisch, wie der flotte junge Lord sich durch ein paar Manipulationen verändert hatte.
Nicht nur, daß er sein fesches Tweedjackett gegen einen steifen schwarzen Cutaway vertauscht hatte, er hatte auch das rotblonde lockige Haar mit reichlich Frisiercreme gebändigt und durch einen schnurgeraden Mittelscheitel in Fasson gezwängt.
Die lustigen Sommersprossen standen in einem ulkigen Gegensatz zu dieser strengen Frisur und der würdevoll hochnäsigen Miene, die der Lord aufgesetzt hatte.
»Umwerfend«, Allan lachte, »einfach umwerfend! Du wirst einen großartigen Erfolg haben, Archie!
»Das will ich meinen«, näselte Lord Archie. »Die Leute auf Schloß Norawa sollen sich vorsehen vor dem Butler Archibald.«
*
»Ich kann es gar nicht erwarten, wieder nach Schloß Norawa zu kommen.«
Prinzessin