Marisa Frank

Fürstenkrone Staffel 10 – Adelsroman


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hatte geschrien, Mama hatte gekreischt und geweint und Opa war erst wütend gewesen und dann ganz resigniert. Und das war noch schlimmer.

      Sie hatten versucht, mit ihm zu reden, aber er hatte sich in sein Zimmer eingesperrt und getan, als würde er nichts hören. Und Mami war nicht zum Essen erschienen und Opa natürlich auch nicht. Er hatte sich auch nicht das Essen aufs Zimmer bringen lassen: Ursula hatte es versucht! Er hatte wieder nicht aufgemacht.

      »Ich sagte zu ihm«, erzählte sie ungefähr zum fünften Mal: »Opa! Bitte! Mach’ doch auf! Jakob und ich halten zu dir!«

      »Ich weiß«, seufzte Jakob, auch zum fünften Mal. »Ich habe es später auch noch mal probiert. Doch er sagte nur: ›Ihr seid lieb – aber mischt euch nicht ein!‹«

      »Aber wir müssen uns einmischen!« fand Ursula.

      Jakob nickte. Nur: wie?!

      »Da kommt dieser Lackaffe! Dieser degenerierte Schnösel!« flüsterte er auf einmal aufgeregt seiner Schwester zu.

      Ursula drehte sich um.

      »Aribo! Wenn einer schon Aribo heißt! Das kann nur ein Idiot sein!« sagte sie laut, mit vor Aufregung ganz piepsiger Stimme.

      »Diese Adelsdeppen sind doch alle degeneriert und geistig behindert!« erklärte Jakob nun laut. »Das macht die Inzucht!«

      Aribo Sturmeck hatte die beiden bisher nicht beachtet, doch das konnte er schlecht überhören und auf sich sitzen lassen. Er blieb stehen.

      »Wollt ihr etwas von mir?« fragte er herablassend.

      »Ha!« machte Ursula, weil ihr nichts einfiel.

      »Was kann man von einem A… das aus einer Familie von A…n stammt, schon wollen?« erwiderte Jakob und machte sich kampfbereit.

      Aribo glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen.

      »Hör mal Kleiner – du scheinst mich zu verwechseln! Du nimmst das jetzt zurück, oder ich muß dir ein paar verpassen. Für gewöhnlich schlage ich mich ja nicht mit Babys herum…«

      »Baby – du – du…« Jakob warf ihm noch ein paar Schimpfworte an den Kopf. Schon um sich selbst Mut zu machen, denn Aribo war um einiges größer und kräftiger als er.

      Der war jetzt auch mit ein paar Schritten bei ihm und packte ihn unsanft an den Schultern und schüttelte ihn. Jakob verpaßte ihm einen Tritt gegen die Schienbeine, und Aribo revanchierte sich mit einem gut gezielten Kinnhaken, der Jakob zu Boden schickte. Daraufhin griff Ursula mit spitzen Schreien in das Kampfgeschehen ein, sprang dem großen Jungen an den Hals und biß ihn. Da Aribo ihr nicht mehr weh tun wollte, als unvermeidlich, drehte er ihr die Arme um. Kreischend trat sie um sich.

      Allmählich sammelten sich Zuschauer um die Streitenden.

      »Gibt’s dem kleinen Miststück!«

      »Bravo, Ursula!«

      »Hei! Jakob! Bist du schon bedient?«

      Bevor der sich wieder aufgerappelt hatte, um erneut ins Kampfgeschehen einzugreifen, erschien ein Lehrer auf der Bildfläche.

      »Was ist denn hier los? Sturmeck! Ich sehe wohl nicht recht! Ursula! Wenden! Sofort Schluß. Los! Ihr kommt mit mir!« Er packte Ursula am Handgelenk und zog sie mit sich, die beiden jungen Burschen folgten mit muffigen Gesichtern, sich gegenseitig wütende Blicke zuwerfend.

      Der Lehrer, es war der Klassenlehrer von Jakob, der Aribo aus dem Geschichtsunterricht kannte, schob die drei vor sich in ein leeres Klassenzimmer.

      »Also? Was war das?« Er sah von einem zum anderen. »Ich kenne euch doch. Ihr seid doch sonst nicht so – so – na ja. Also: was war der Grund?«

      Ursula und Jakob sahen sich an und schwiegen.

      »Sie haben mich und meine Familie beschimpft!« sagte Aribo nach einer Pause.

      »Aha. Und warum?« wandte der Lehrer sich nun an die beiden.

      »Weil seine Mutter, die blöde Kuh…«

      »Halt! Moment! So geht das nicht, Wenden!« unterbrach der Lehrer verärgert.

      »Moment!« Aribo horchte auf. »Heißt du ›Wenden‹?«

      »Das geht dich einen…«

      »Du hältst jetzt den Mund, Jakob!« unterbrach der Lehrer. »Ja, das sind Ursula und Jakob Wenden. Die Kinder von Dr. Peter Wenden.«

      »Und Dr. Andreas Wenden ist euer Großvater?« fragte Aribo rasch und rieb sich die schmerzenden Schienbeine.

      »Genau! Und Opa pfeift auf das Sch-Geld von deiner Großmutter!«

      »Wie? Was?« Der Lehrer sah perplex von einem zum andren.

      »Herr Staufer, ich denke, Sie können uns jetzt alleine lassen. Ich glaube, ich weiß, warum – es tut uns leid – wirklich…«

      »Mir tut gar nichts leid!« kreischte Ursula empört.

      Aribo lachte, was ihm mit seiner aufgeplatzten Lippe weh tat, sodaß er es gleich wieder unterdrückte.

      »Doch, Herr Staufer, ich komme jetzt mit den beiden zurecht. Vielen Dank, daß Sie mich gerettet haben. Bei Damen kann man doch nicht so hinlangen!« Er grinste Ursula an, die prompt rot wurde und sich darüber so ärgerte, daß sie am liebsten erneut auf ihn losgegangen wäre.

      »Na, schön, Sturmeck«, meinte der Lehrer zweifelnd. »Aber keine neue Rauferei. Und vielleicht erfahre ich dann, um was es ging, damit ich mich wegen einer Eintragung ins Klassenbuch entscheiden kann.«

      »Nicht nötig, Herr Staufer!« versicherte Aribo. »Es handelt sich um einen in jeder Hinsicht ritterlichen Kampf!«

      Kopfschüttelnd ließ der Lehrer die drei alleine.

      »Spinnst du?« fauchte Ursula.

      »Halt den Mund«, wies ihr Bruder sie zurecht.

      »Hört zu, ihr zwei!« Aribo sah sie an und fand sie auf einmal richtig nett.

      »Meine beiden Schwestern und ich – wir finden euren Opa prima.«

      »Das ist er auch!« erwiderte Jakob herausfordernd.

      »Wir finden es ziemlich unmöglich, wie unsere Eltern sich gegen unsere Oma verhalten. Und – es sieht mir fast so aus, als würden eure Eltern…«

      »Gemein sind sie! Richtig gemein! Nie hätte ich das gedacht!« rief Ursula, plötzlich den Tränen nahe, weil die Spannung sich löste. »Sie wollen, daß Opa weggeht, weil deine Mutter rumerzählt, er wäre hinter dem Geld von deiner Oma her. Die beiden haben sich in einem Geschäft gestritten.«

      Aribo sah sie entsetzt an, dann wandte er sich an Jakob.

      »Stimmt das?«

      »Weißt du das gar nicht?« fragte der zurück. »Sie hat Opa und uns alle als Erbschleicher bezeichnet!«

      »Du lieber Himmel«, flüsterte Aribo, nun wirklich erschüttert. Er tat Jakob fast leid.

      »Weißt du, unsere Mutter wird auch nicht gerade zurückhaltend gewesen sein. Der paßt es schon lange nicht, daß Opa bei uns wohnt. Obwohl er sehr nett ist und wirklich nicht stört und sich immer zurückzieht. Aber – es ist halt im gleichen Haus!«

      Aribo sah sie etwa nachdenklich an.

      Die Schulglocke läutete schrill.

      »Die Pause ist aus. Wir müssen in den Unterricht!« erinnerte Ursula.

      »Wißt ihr was: wir besprechen das zusammen. Mit meinen Schwestern. Ich habe das Gefühl, daß wir eigentlich alle das gleiche wollen!«

      »Ehrlich?« freute sich Jakob.

      »Ja!«

      »Prima!« Ursula klatschte in die Hände. »Tut mir leid, daß ich dich so gebissen und getreten habe! Du hast dich ja nicht getraut, dich richtig zu wehren!«

      »Na,