Joseph Victor von Scheffel

Ekkehard


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begrüßt wurden? Praxedis, ich weiß, warum ich nicht nach Konstantinopolis ging.

      Der Kaiser ist der Herr der Welt, sprach die Griechin; was der Wille seiner Ewigkeit ordnet, ist wohlgetan; so hat man mich gelehrt.

      Hast du auch schon darüber nachgedacht, dass es dem Menschen ein kostbares Gut ist, sein eigener Herr zu sein?

      Nein, sprach Praxedis.

      Das angeregte Gespräch behagte der Herzogin.

      Was hat denn, fuhr sie fort, Euer Byzantiner Maler für einen Bescheid heimgebracht, da er mein Konterfei fertigen sollte?

      Die Griechin schien die Frage überhört zu haben. Sie hatte sich erhoben und stand am Fenster.

      Praxedis, sprach Frau Hadwig scharf, antworte!

      Da lächelte die Gefragte mild und sagte: Das ist schon eine lange Zeit her, aber Herr Michael Thallelaios hat wenig Gutes von Euch gesprochen. Die schönsten Farben habe er bereit gehalten, so erzählt' er uns, und die feinsten Goldblättchen, Ihr seiet ein reizend Kind gewesen, wie man Euch zum Gemalt werden vor ihn führte, und es hab' ihn feierlich angemutet, als sollt' er seine ganze Kunst zusammennehmen, wie damals, als er die Mutter Gottes fürs Athoskloster malte. Aber die Prinzessin Hadwig hätten geruht, die Augen zu verdrehen, und wie er eine bescheidene Einwendung erhoben, hätten Eure Gnaden die Zunge gewiesen und beide Hände mit gestreckten Fingern an die Nase gehalten und in anmutig gebrochenem Griechisch gesagt, das sei die rechte Stellung.

      Der Herr Hofmaler nahm Veranlassung, vieles über den Mangel an deutschen Landen dran zu knüpfen, und hat einen hohen Schwur getan, dass er zeitlebens dort kein Fräulein mehr malen wolle. Und der Kaiser Basilius hat auf den Bericht hin grimmig in seinen Bart gebrummt...

      Lass seine Majestät brummen, sprach die Herzogin. Und flehe zum Himmel, dass er jeder andern die Geduld verleihen möge, die mir damals ausging. Ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt, einen Affen zu sehen, aber allem zufolge, was glaubwürdige Männer erzählen, reicht Herrn Michaels Ahnentafel zu jenen Mitgliedern der Schöpfung hinauf.

      Sie hatte inzwischen die Armspange angelegt, es waren zwei ineinander verstrickte Schlangen, die sich küssen, jede trug ein Krönlein auf dem Haupt... Da ihr unter dem vielen Geschmeiden jetzt ein schwerer silberner Pfeil unter die Hände geraten war, so musste auch er seinen Aufenthalt im Gefängnis des Schreins mit anderem Platze vertauschen. Er ward in die Maschen des goldfadigen Haarnetzes gezogen.

      Als wollte sie des Schmuckes Wirkung prüfen, ging Frau Hadwig mit großen Schritten durchs Gemach. Ihr Gang war herausfordernd. Aber der Saal war leer: selbst die Burgkatze war von dannen geschlichen. Spiegel waren keine an den Wänden. Der Zustand wohnlicher Einrichtung überhaupt ließ damals manches zu wünschen übrig.

      Praxedis' Gedanken waren noch bei der vorigen Geschichte. Gnädige Gebieterin, sprach sie, er hat mich doch gedauert.

      Wer?

      Des Kaisers Sohn. Ihr seid ihm im Traum erschienen, sagt er, und all sein Glück hab' er von Euch erhofft. Er hat auch geweint...

      Lass die Toten ruhen, sprach Frau Hadwig ärgerlich. Nimm lieber die Laute und sing mir das griechische Liedlein:

Konstantin, du armer Knabe, Konstantin, und lass das Weinen!

      Sie ist zersprungen, war die Antwort, und alle Saiten zu Grund gerichtet, seit die Frau Herzogin geruhten, sie...

      Sie dem Grafen Boso von Burgund an den Kopf zu werfen, ergänzte Hadwig. Dem ist nicht zu viel geschehen, 's war gar nicht notwendig, dass er uneingeladen zur Leichenfeier Herrn Burkhards kam und mir Trost zusprechen wollte, als wär' er ein Heiliger. Lass die Laute flicken.

      Sag mir indes, du griechische Goldblume, warum hab' ich heut den festlichen Schmuck angelegt?

      Gott ist allwissend, sprach die Griechin, ich weiß es nicht. Sie schwieg. Frau Hadwig schwieg auch. Da trat eine jener schwülen inhaltsvollen Pausen ein, wie sie der Selbsterkenntnis vorangehen. Endlich sprach die Herzogin: Ich weiß es auch nicht!

      Sie schlug missmutig die Augen nieder: Ich glaube, es geschah aus Langerweile. Der Gipfel unseres Hohentwiel ist aber auch ein gar zu betrübtes Nest – zumal für eine Witwe. Praxedis, weisst du ein Mittel gegen die Langeweile?

      Ich habe einmal von einem weisen Prediger gehört, sprach Praxedis, es gäb' mannigfaltige Mittel dawider: Schlafen, Trinken, Reisen – das Beste sei Fasten und Beten.

      Da stützte Frau Hadwig ihr Haupt auf die lilienweiße Hand, sah die dienstbereite Griechin scharf an und sprach: Morgen reisen wir!

      Des anderen Tages fuhr die Herzogin samt Praxedis und großer Gefolgschaft im lichten Schein des Frühmorgens über den Bodensee. Der See war prächtig blau, die Wimpel flaggten lustig, und war viel Kurzweil auf dem Schiff. Wer sollt' auch traurig sein, wenn er über die kristallklare Wasserfläche dahinschwebt, die baumumsäumten Gestade mit Mauern und Türmen ziehen im bunten Wechsel an ihm vorbei, fern dämmern die schneeigen Firnen und der Widerschein des weißen Segels verzittert im Spiele der Wellen?

      Keines wusste, wo das Ziel der Fahrt. Sie waren's aber so gewohnt.

      Wie sie an der Bucht von Rorschach anfuhren, hieß die Herzogin einlenken. Zum Ufer steuerte das Schiff, übers schwanke Brett stieg sie ans Land. Und der Wasserzoller kam herbei, der dort den Welschlandfahrern das Durchgangsgeld abnahm, und der Weibel des Marktes und wer immer am jungen Hafenplatz sesshaft war, sie riefen der Landesherrin ein rauhes: Heil Herro! Heil Liebo!.. zu und schwangen mächtige Tannenzweige. Grüßend schritt sie durch die Reihen und gebot ihrem Kämmerer, etliche Silbermünzen auszuwerfen, aber es galt kein langes Verweilen. Schon standen die Rosse bereit, die waren zur Nachtzeit insgeheim vorausgeschickt worden; wie alle im Sattel saßen, sprach Frau Hadwig: Zum heiligen Gallus! Da schauten sich die Dienstleute verwundert an! Was soll uns die Wallfahrt? Zum Antworten war's nicht Zeit, schon ging's im Trab das hügelige Stück Landes hinauf, dem Gotteshaus entgegen.

      Sankt Benedikt und seine Schüler haben die bauliche Anlage ihrer Klöster wohl verstanden. Land ab, Land auf, so irgendwo eine Ansiedelung steht, die gleich einer Festung einen ganzen Strich beherrscht, als Schlüssel zu einem Tal, als Mittelpunkt sich kreuzender Heerstraßen, als Hort des feinsten Weinwuchses: so mag der Vorüberwandernde bis auf weitere Widerlegung die Vermutung aussprechen, dass sotanes Gotteshaus dem Orden Benedicti zugehöre oder vielmehr zugehört habe, denn heutigentages sind die Klöster seltener und die Wirtshäuser häufiger, was mit steigender Bildung zusammenhängt.

      Auch der irische Gallus hatte einen löblichen Platz erwählt, da er, nach Waldluft gierig, in helvetischer Einöde sich festsetzte: ein hochgelegenes Tal, durch dunkle Bergrücken von den milderen Gestaden des Sees gesondert, steinige Waldbäche brausen vorüber, und die riesigen Wände des Alpsteins, dessen Spitzen mit ewigem Schnee umhüllt im Gewölke verschwinden, erheben sich als schirmende Mauer zur Seite.

      Es war ein sonderbarer Zug, der jene Glaubensboten von Albion und Erin aufs germanische Festland führte. Genau besehen ist's ihnen kaum zu allzu hohem Verdienst anzurechnen. »Die Gewohnheit, in die Fremde zu ziehen, ist den Briten so in die Natur gewachsen, dass sie nicht anders können, « schrieb schon in Karls des Großen Tagen ein unbefangener schwäbischer Mann. Sie kamen als Vorfahren der heutigen Touristen, man kannte sie schon von weitem am fremdartig zugeschnittenen Felleisen. Und ein mancher blieb haften und ging nimmer heim, wiewohl die ehrsamen Landesbewohner ihn für sehr unnötig halten mochten. Aber die grössere Zähigkeit, das Erbteil des britischen Wesens, lebensgewandte Kunst, sich einzurichten, und beim Volk die mystische Ehrfurcht vor dem Fremden gab ihren Strebungen im Dienst der Kirche Bestand.

      Andere Zeiten, andere Lieder! Heute bauen die Enkel jener Heiligen den Schweizern für gutes eidgenössisches Geld die Eisenbahn.

»Die scotice mit altem Bardenfleiss Die Bücher schrieben und bewahreten.«

      Aus der schmucklosen Zelle an der Steinach, wo