Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Quittung in Blei


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      Jerry Cotton

      Privatdetektiv Joe Barry

      Quittung in Blei

      SAGA Egmont

      Privatdetektiv Joe Barry – Quittung in Blei

      Copyright © 1963, 2017 Joe Barry Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711669082

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      1. Kapitel

      Das Zuchthaus von Scranton, Pennsylvania, war ein schmucker Bau. So schmuck, daß es einige Leute gab, die sich überhaupt nicht davon trennen konnten. Scranton hatte eine Menge langjähriger Kunden. Manche waren schon zum zweiten-, dritten — oder viertenmal dorthin zurückgekehrt.

      Es gab eine Menge Leute, denen Scranton zur zweiten Heimat geworden war, und wenn man der Ansicht ist, daß ein Ort, an dem man sich länger als fünf Jahre aufhält, so etwas wie eine Heimat ist, dann war Pritchie Hutchkins in Scranton zu Hause.

      Denn Pritchie Hutchkins war schon über zwölf Jahre dort.

      Er stammte aus dem Süden, aus Tennessee. Er war früh auf die schiefe Bahn gekommen, und als er erst einmal darauf war, hatte sie sich in eine Rutschbahn verwandelt, auf der Pritchie immer tiefer rutschte.

      Im Jahre 1949 war er ganz unten angelangt. Zu dieser Zeit war er der Polizei kein Unbekannter mehr. Seine Strafakte hatte sich längst zu einem hübschen handlichen Buch ausgewachsen, und wenn irgendwo in den Vereinigten Staaten bekannt wurde, daß Pritchie Hutchkins in der Gegend auftauchte, reiste ihm dieses Buch nach. Der betreffende Polizeichef vertiefte sich in die Lektüre und sah sich alsbald vor die Wahl gestellt: Entweder sah er zu, daß er Pritchie aus seinem Bereich herausbugsierte oder, wenn er ehrgeizig war, machte er sich daran, Pritchie zu überführen und ihn festzusetzen.

      Um die Wahrheit zu sagen, es gab eine Menge Polizeichefs im Mittleren Westen und im Süden, die an dieser Aufgabe gescheitert waren.

      Das änderte aber nichts an ihrer Überzeugung, daß Pritchie Verbrechen anzog, wie Baldrian den Kater.

      Wenn Pritchie etwa in Cleveland, Ohio, gesehen wurde und gleichzeitig in Cleveland eine Bank geplündert wurde, dann war jedem Einsichtigen klar, daß hier ein gewisser Zusammenhang bestand. Die Frage war nur, konnte Pritchie etwas bewiesen werden? Meistens war das unmöglich.

      Erst im Jahre 1949 war man soweit. In Philadelphia wurde der Tresor einer Versicherungsgesellschaft geplündert. Ein Zeuge erkannte Pritchie wieder, und die Jagd nach ihm begann. Kurze Zeit später konnte er in New York Citygestellt werden. Er wurde nach Philadelphia gebracht, vor Gericht gestellt und zu sechs Jahren verurteilt.

      Diese sechs Jahre wären 1955 vorbei gewesen. Aber Pritchie war schon immer ein ungeduldiger Mensch gewesen. Zwei Jahre vor seiner Entlassung legte er sich mit einem Aufseher an. Er verletzte den Mann nicht unerheblich und bekam ein neues Verfahren angehängt. In Anbetracht seines Vorstrafenregisters wurde seine Strafe verlängert. Damit hatte er sich auch die letzte Chance vergeben, jemals mit Bewährungsfrist vorzeitig entlassen zu werden. Er mußte seine Zeit absitzen bis zum letzten Tag.

      Dieser letzte Tag stand dicht bevor.

      Der 13. August 1963.

      *

      In der Zelle 1183 von Scranton betrachtete Pritchie sich im Spiegel und fand sich nicht schön.

      Er war nie schön, aber auf seine Art ein anziehender Mann gewesen.

      Er war groß, über einsachtzig. Als man ihn eingeliefert hatte, vor nunmehr vierzehn Jahren, war er einundzwanzig gewesen. Seine Lippen bewegten sich lautlos, als er rechnete. Einundzwanzig und vierzehn macht fünfunddreißig. Fünfunddreißig Jahre war er jetzt alt. Kein schlechtes Alter, überlegte er. Die Chance, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, war jedenfalls noch nicht vorbei. Der jüngste Präsident bisher war vierundvierzig gewesen. Hatte er also noch neun Jahre Zeit, überlegte er grimmig.

      Er hatte Männer kennengelernt, die zu kürzerer Haft verurteilt worden waren als er selbst. Er hatte gesehen, wie diese Männer sich verwandelten, wie ihnen die Zuchthausluft das Mark aus den Knochen saugte, und wie ihnen das durch Gitter gefilterte Licht die Haut gerbte. Er hatte gesehen, wie Männer in wenigen Jahren zerfielen, bis sie nur noch Wracks waren. Äußerlich Wracks und innerlich.

      Er hatte auch die anderen beobachtet, die sich äußerlich fit gehalten hatten, die das Zuchthaus beherrschten, aber er wußte, daß diese Männer nach den langen Jahren innerlich ausgebrannt und leer waren. Daß sie unfähig waren, sich in einer anderen Umgebung zu behaupten, und er hatte beobachtet, wie diese Männer immer wieder zurückkamen.

      Pritchie hatte daraus gelernt.

      Er hatte versucht, sich fit zu halten. Es war ihm besser gelungen, als er geglaubt hatte. Er war körperlich mindestens ebensogut beisammen wie zum Zeitpunkt seiner Einlieferung, und er hatte alles getan, um seinen Geist und seinen Verstand nicht verkümmern zu lassen.

      Der Grund dafür war einfach. Pritchie hatte all die Jahre über gewußt, was er tun würde, wenn er heraus kam Er hatte es hundertmal geplant. Er hatte mit keinem darüber gesprochen. Der Plan war in den Jahren gereift und stand jetzt so deutlich vor ihm, daß ihm selbst die kleinste Einzelheit geläufig war.

      Aber ein Plan allein hätte noch nicht ausgereicht, um einen Mann vierzehn Jahre hinter meterdicken Betonmauern physisch und geistig aufrecht zu erhalten. Es kam noch etwas hinzu.

      Pritchie haßte. Er haßte einen Mann, der sechzig Meilen von Scranton entfernt in New York lebte, den Mann, der ihn hierher gebracht hatte und der sich all die Jahre hindurch — davon war er überzeugt — im Speck mästete. Diesem Mann galt sein Haß, und diesen Haß hatte er gepflegt, vierzehn Jahre lang.

      Jetzt war er bereit.

      Die Zellentür wurde geöffnet, und Leutnant Stonewall Jackson erschien, der bestgehaßte Mann im Bunker. Spielerisch ließ er seinen kurzen, ungestrichenen Holzknüppel über die Stäbe der Gittertür klimpern, dann starrte er Pritchie an.

      „Mitkommen!“ sagte er kurz.

      „Ist was passiert, Herr General?“ höhnte Pritchie.

      Leutnant Jacksons Gesicht blieb ungerührt.

      „In vierzehn Jahren solltest du gelernt haben, wer in diesem Bau die Fragen stellt und wer sie beantwortet“, knurrte er.

      Verächtlich wälzte Pritchie sich von seinem Bett, zog sich lässig die Hosen hoch und ging vor dern Leutnant auf den Gang. Ihre Absätze klapperten über die Eisenplatten.

      Es war kurz vor Mittag. Vom Küchenflügel her kam Essengeruch — immer der gleiche Fraß. Eintopf, Dörrgemüse, Kartoffeln und sonntags mageres Fleisch.

      Sie passierten die Zentrale und erreichten den Verwaltungstrakt. Die Böden waren hier mit spiegelndem Linoleum belegt. Vor der Tür des Direktors stoppte der Leutnant, klemmte sich den Knüppel unter den Arm und klopfte an.

      „Der Strafgefangene. Hutehkins, Sir!“ meldete er.

      „Führen Sie ihn herein, Leutnant, und lassen Sie uns allein“, kam die Stimme des Direktors von drinnen. Pritchie trat ein und sah sich mit unbewegtem Gesicht um.

      Er kannte den Mann, der unter dem Sternenbanner an dem schweren Mahagonischreibtisch saß. Der Direktor, ein Endfünfziger, mit frischem Gesicht und weißem Haar, war ein beliebter Mann im Bunker. Nur konnte er sich nicht recht gegen seine Leute durchsetzen; da führte der