Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Quittung in Blei


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      „Wir sind keine Besucher, Mac, sondern Amtspersonen. Du kannst uns also durchlassen, ohne gegen Barrys Anweisungen zu verstoßen.“

      Neugierig musterte Mac den zweiten Kleiderschranktyp.

      „Den Gentleman kenne ich nicht“, sagte er. „Wen darf ich also außer Ihnen melden, Captain?“

      Das war keine Frage, sondern ein Vorwand. Macs Neugier war in der Gun Hill Road sprichwörtlich.

      Lieutenant Antony lächelte.

      „Den Gentleman ist Leutnant im Staatszuchthaus von Pennsylvania. Es lohnt sich also, sich mit ihm anzufreunden. Man weiß nie, was wird, Mac.“

      Der Hausmeister grinste und salutierte.

      „Hab ich im Bürgerkrieg gelernt“, verkündete er. „Damals, als ich unter General Lee Fort Sumner verteidigt habe.“

      „Endlich weiß ich, warum das Fort damals gefallen ist“, brummte Antony und wandte sich dem Lift zu.

      Sie fuhren in die vierte Etage und betraten gleich darauf das Appartement, das einer Menge Leute in New York der geeignetste Ort zur Zündung einer 50-Megatonnen-H-Bombe erschien.

      Jo machte auf. Er war in Hemdsärmeln.

      „Altes Nashorn“, sagte er nur, „deine Versuche, meinen Alkoholvorrat zu dezimieren, überschreiten langsam jedes erträgliche Maß.“

      Der Captain wehrte ab.

      „Nichts zu trinken“, sagte er. „Ich bin dienstlich hier. Das hier ist Leutnant Stonewall Jackson vom Zuchthaus Scranton, Pennsylvania.“

      Jo schüttelte dem Leutnant die Hand.

      „Sehr erfreut, Leutnant. Ich dachte immer, bevor ich eingeliefert werde, würde man mir ein ordentliches Verfahren zubilligen.“

      Der Leutnant grinste.

      „In Ihrem Fall hat man darauf verzichtet, Barry. Das Todesurteil ist bereits unterzeichnet; wir wollten uns nur erkundigen, wann es Ihnen am besten paßt.“

      „Keinesfalls vor Montag“, sagte Jo. „Eine Verabredung, die ich ungern versäumen möchte, aber danach stehe ichIhnen ganz zur Verfügung.“

      Die Männer setzten sich, und Antony packte ein dickes Aktenbündel auf den niedrigen Rauchtisch. Jo sah ihn an und verstand.

      „Ärger?“ fragte er nur.

      Antony nickte.

      „Das kann man wohl sagen. Ich habe das komische Gefühl, als wäre es aus mit der geruhsamen Sommerpause. Bei meinem sprichwörtlichen Pech konnte das nur mir passieren. Die großen Bandenbosse sitzen alle in Miami, Florida oder Kalifornien, aber das bedeutet keineswegs, daß ich mal Daumen drehen kann, wie jeder normale Schreibtischbürger in diesem Lande. Weit gefehlt. Daß der Fall dich betrifft, ist zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung.“

      „Was ist los?“ fragte Jo.

      „Ist dir der Name Pritchie Hutchkins ein Begriff?“

      Jo dachte nach.

      „Ich müßte mal überlegen. — Irgendwann habe ich mit dem Burschen zu tun gehabt, aber es muß eine ganze Weile her sein.“

      Der Captain nahm einen dünnen Aktenordner von dem Stoß auf dem Tisch und blätterte darin.

      „Pritchie Hutchkins wurde im Jahre 1949 wegen Bankraubes in Philadelphia zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde damals nach dem Raub von Zeugen in Philadelphia erkannt. Seine Beschreibung ging an alle Polizeistationen des Landes. In New York wurde er schließlich gefaßt von einem jungen Detektiv-Sergeant der New Yorker Kriminalpolizei. — Erinnerst du dich noch, wer dieser Grünschnabel war?“

      Jo nickte.

      „Es war der Grünschnabel Jo Louis Barry. Damals war ich genau drei Monate bei der Polizei. Es war mein erster großer Fall. Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Der Fall hat ziemliches Aufsehen erregt.“

      Joe Barry war mit achtzehn Jahren in die New Yorker Polizei eingetreten. Er hatte ursprünglich vorgehabt, ganz bei der Polizei zu bleiben. 1952 hatte man ihn mit den Ledernacken nach Korea geschickt. Dort hatte er Sergeant Antony Starr kennengelernt. — Als Jo vom Feld der Ehre zurückkam, konnte er bei der Polizei nicht mehr landen. Seine Arbeitsmethoden waren zu eigenwillig, fand man. Zu eigenwillig vielleicht für einen einfachen Sergeant. Nicht aber für einen Detektiv. — Jedenfalls lag das alles schon eine ganze Weile zurück.

      „Was ist aus Pritchie geworden?“ erkundigte sich Jo aus seinen Gedanken heraus.

      „Er bekam sechs Jahre“, berichtete Antony. „Während dieser Zeit unternahm er einen Fluchtversucht, dabei verletzte er einen Aufseher schwer. Er bekam ein neues Verfahren, und seine Strafe wurde auf insgesamt zwölf Jahre verlängert. Die sind jetzt um.“

      „Fast“, warf der Leutnant ein. „In genau vierundzwanzig Stunden wird Pritchie Hutchkins entlassen.“

      „Okay, und was habe ich damit zu tun“, erkundigte sich Jo.

      „Du warst der Mann, der ihn damals geschnappt hat.“

      „Ja, aber in zwölf Jahren sollte Pritchie damit fertig geworden sein.“

      „Anscheinend ist er es nicht“, knurrte der Leutnant aus Seranton grimmig. „Jedenfalls benimmt er sich wie ein Wilder.“

      „Um es genau zu sagen“, fuhr Antony sachlich fort, „vor zwei Wochen wurde in Scranton einer der Häftlinge, ein gewisser Dan Reno, ermordet. Dan Reno war V-Mann. Man hatte ihn in Pritchies Zelle verlegt, weil man glaubte, auf diese Weise erfahren zu können, was Pritchie nach seiner Entlassung vorhat. Irgendwie hat der Knabe herausbekommen, daß Dan Reno für uns arbeitete. Ja, und jetzt ist Dan Reno tot.“

      „Trägt ziemlich eindeutig Pritchies Handschrift, dieser Mord“, meinte Jo.

      „Allerdings.“ Antony nickte, „Nur mit der feinen, kleinen Besonderheit, daß ihm nicht das geringste nachzuweisen ist. Im Gegenteil. Dan Reno wurde während einer Schlägerei erstoohen. Pritsehie hat für diesen Zeitraum ein hundertprozentig sicheres Alibi. Als Fachmann würde ich sagen: Einer, der unschuldig ist, kann so ein gutes Alibi gar nicht haben. Pritchie befand sich zur Zeit der Schlägerei etwa fünfzig Meter von Dan Reno entfernt. Er hatte sich so aufgebaut, daß nicht nur ein halbes Zuchthausinsassen bezeugen konnten, daß er dort war — nein — er hat sich so hingestellt, daß sogar zwei Aufseher bestätigen konnten, daß Pritchie mit dem Mord nichts zu tun hatte“

      „Es gibt ein Delikt, das heißt ,Anstiftung zum Mord‘“, hielt Jo dem Freund entgegen.

      Der Captain nickte.

      „Und wie jedes Delikt muß man dieses auch beweisen können. Es gibt in Scranton genug Mörder. Du weißt, wie sie über Spitzel denken. Die Chance, je herauszufinden, wer unter dem Haufen Dan Reno ermordet hat, ist tausend zu eins. Wir wissen alle ganz gut, daß Pritchie dahintersteckt, und der Bursche kann sich an beiden Pfoten abzählen, daß wir’s wissen. Aber das allein genügt noch nicht. Seit zwei Wochen wird Pritchie pausenlos verhört. Natürlich kommt nicht das geringste dabei heraus. Und da ihm nichts anzuhängen ist und der Untersuchungsrichter die Einleitung eines Verfahrens bei dem ungenügenden Beweismaterial verweigern mußte, wird nichts weiter übrig bleiben, als Pritchie morgen mittag Punkt zwölf Uhr zu entlassen. Das ist die Lage.“

      „Das ist zwar Pech für die Polizei“, meinte Jo achselzuckend, „aber ich sehe nicht ein, was ich damit zu tun habe“

      „Eine Kleinigkeit“, brummte Antony. „Eine ganze Kleinigkeit. Dan Reno lebte nämlich noch, als er gefunden wurde. Er konnte noch ein paar Sätze sagen. — Interessierst du dich dafür?“

      „Ich nehme an, sie haben mit mir zu tun?“ mutmaßte Jo.

      Leutnant Jackson räusperte sich.

      „Ich habe Dan Reno aufgefangen, als er umsackte“, berichtete er. „Seine letzten Worte waren etwa: ,Privatdetektiv