Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Quittung in Blei


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Pritchie seinerzeit hinter Gitter brachte, war mir alles klar. — Wollen Sie jetzt wissen, was ich denke?“

      „Ich weiß es auch so.“ Jo nickte nachdenklich. „Sie meinen, Pritchie wird, wenn er herauskommt, versuchen, sich an mir zu rächen.“

      „Genau“, bestätigte der Leutnant mit Nachdruck. „Und deshalb sind wir hier.“

      Jo hob die Schultern.

      „Gentlemen, ich danke Ihnen für die Warnung, aber sonst wüßte ich nicht, was da zu tun ist. Ich erlebe das nicht zum erstenmal. Es gibt in den Zuchthäusern dieses Landes einige Burschen, die wahrscheinlich ganz präzise Vorstellungen davon haben, was sie mit mir machen, wenn sie ’rauskommen. Das gehört zu meinem Berufsrisiko. Da komme ich nicht daran vorbei. Bisher bin ich ganz gut damit fertig geworden.“

      „Du kannst um Polizeischutz bitten“, schlug Antony vor.

      „Danke“, brummte Jo. „Seit meinem achten Lebensjahr habe ich gelernt, allein auf mich aufzupassen. — Was ist eigentlich los mit dir, Alter? Bist du sicher, daß du in deinem Arbeitsschuppen keine Langeweile hattest?“ Fragend sah er den Captain an. „Daß Pritchie sich an mir rächen will, hättest du mir auch telefonisch mitteilen können. Ich hätte dir für den Tip gedankt und mich entsprechend vorgesehen. Da gibt’s doch noch einen Pferdefuß, oder?“

      Antony nickte.

      „Wie es scheint, ist deine hohe Denkerstirn nicht nur ein äußerliches Attribut“, frotzelte er. „Der Pferdefuß ist folgender: Dan Reno hat nicht gesagt, was Pritchie mit dir vorhat. Er hat nur gesagt, sie wollen ihn …‘ Mehr wissen wir nicht. Wir wissen nicht, was sie vorhaben. Wir wissen aber, daß es mehrere sind.“

      „Well, Gangster sind wie Schmeißfliegen“, brummte Jo, „sie treten immer im Verband auf.“

      „Ja, aber da liegt der kleine Haken“, sagte Antony beharrlich. „Wenn es stimmt, daß es mehrere sind, dann ist die Erkenntnis, daß Pritchie sich an dir rächen will, nicht umfassend genug, findest du nicht? — Ein Mann, der zwölf Jahre im Zuchthaus sitzt, hat keine Komplicen mehr, es sei denn, es gibt gemeinsame Interessen, die ihn mit Leuten außerhalb des Zuchthauses verbinden. —

      Wenn Pritchie sich an dir rächen will, dann ist das allein seine Sache. Dafür würde er sich kaum neue Komplicen suchen. Abgesehen davon, daß er auch kaum welche finden würde.“

      „Meinst du?“ warf Jo skeptisch ein.

      „Er müßte sich jemanden engagieren“, fuhr Antony nachdenklich fort, „denn zum Privatvergnügen wird sich kaum jemand mit dir amlegen wollen. Andererseits ist Leutnant Jackson ganz sicher, sich nicht verhört zu haben.“

      „Bestimmt nicht“, versicherte Jackson. „Dan Reno sagte: ,Sie wollen ihn … ‘Und das ist eindeutig wie ein geplatzter Wechsel.“

      „Wenn Pritchie Komplicen hat, dann außerhalb des Zuchthauses“, ließ Jo sich vernehmen. „Es muß sich um Leute handeln, die er noch aus der Zeit vor zwölf Jahren kennt, bevor er eingeliefert wurde. Freundschaft unter Gangstern pflegt gemeinhin nicht so lange zu dauern. Was verbindet die Burschen also miteinander?“

      „Wir haben eine Theorie“, sagte Antony. „Eine ziemlich wahrscheinliche Theorie. Vielleicht erinnerst du dich daran, daß Pritchie damals einen ziemlich großen Betrag, fast eine halbe Million, erbeutete. Das Geld ist seither spurlos verschwunden. Es wurde nie gefunden. Pritchie hat nie ein Geständnis abgelegt, und deshalb konnte man ihn nie festnageln. Er hat auch seine volle Strafe verbüßt, so daß man ihn jetzt nicht mehr unter Polizeiaufsicht stellen kann.

      Das einzige, was man tun kann, ist, ihn zu beschatten, um auf diese Weise vielleicht herauszufinden, wo er das Geld hat. Auch das wäre kein Problem. Natürlich ist fraglich, ob wir damit Erfolg haben. Wenn nicht, ist es auch nicht weiter schlimm. Die Frage ist nur, was hat das alles mit dir zu tun.“

      „Wir müssen davon ausgehen, daß Pritchie sich an mir rächen will“, sagte Jo gelassen.

      „Ja, sicher, zum Kaffeeplausch will er dich bestimmt nicht besuchen. Zum Schatzheben braucht er dich ebenfalls nicht. Und jetzt kommt meine Theorie.“

      „Und die wäre?“ erkundigte sich Jo.

      „Pritchie wurde damals geschnappt“, führte Antony Starr aus, „seine Komplicen nicht. Es konnte ihm nicht einmal nachgewiesen werden, daß er Komplicen hatte. Er hat jedenfalls dicht gehalten und den Kodex der Branche nicht verletzt. Aber natürlich hat er damit gerechnet, daß, wenn er rauskommt, sein Anteil an der Beute noch da ist. Pritchie ist ein schwerer Junge, der damals in der Unterwelt einigermaßen gefürchtet war. Wenn nun seine Komplicen das Geld in der Zwischenzeit durchgebracht haben, was ich stark annehme, dann müssen sie damit rechnen, daß Pritchie, sobald er herauskommt, ihnen aufs Dach steigt. Und wenn ein Mann wie Pritchie einem aufs Dach steigt, dann ist das in der Regel ein Fall für den Leichenwagen.“

      „Ich verstehe“, sagte Jo langsam. „Du bist überzeugt davon, die Burschen haben das Geld durchgebracht. Das ist wahrscheinlich. Wenn jemand von dieser Gemütsart zwölf Jahre lang eine halbe Million hüten soll, dann ist die Versuchung, den Zaster anzuknabbern, ziemlich stark. Umgekehrt ist jetzt die Angst, von Pritschie zur Verantwortung gezogen zu werden, ebenfalls da.“

      „Den Burschen flattert jetzt die Muffe“, warf Jackson weise ein.

      „Sie werden bestimmt bereit sein, allerhand zur Wiedergutmachung zu tun“, folgterte Jo. „Sie können ihm zwar das Geld nicht wieder beschaffen, aber sie werden bereit sein, ihm jeden Gefallen zu tun, um seinen Zorn nicht wie glühende Kohlen auf ihren Schädeln spüren zu müssen!“

      „Und dieser Gefallen bist du“, ergänzte Antony. „Sie werden versuchen, dich zu beseitigen, nur um Pritchie zu beschwichtigen. Für ihn ist das ein fast risikoloses Geschäft. Gelingt es den Burschen, dann hat er das bekommen, was er wollte. Gelingt es ihnen nicht, wird es kaum möglich sein, Pritchie etwas nachzuweisen. Genau wie im Fall Reno.“

      „Umgekehrt werden die Burschen alles tun, ihren Auftrag auszuführen“, brummte Jo. „Sie haben praktisch keine Wahl. Sie gehen damit ein erhebliches Risiko ein — ohne Belohnung, aber das Risiko für sie ist kaum geringer, wenn sie es nicht tun, denn dann sitzt Pritchie ihnen im Nacken. — Sie sind etwa in der Lage von Leuten, die zwischen dem elektrischen Stuhl, der Gaskammer und dem Galgen zu wählen haben.“

      „Eine solche Lage soll die Erfindungskraft ungemein schärfen“, sagte Antony. „Jedenfalls werden sie sich anstrengen. Und daß sie nicht ganz mindere Qualität sein können, beweist die Tatsache, wie sie sich damals, als Pritchie hochging, aus der Feuerlinie gezogen haben.“

      „Wenn ich es nur mit Pritchie zu tun habe, weiß ich, auf wen ich achten muß und vor wem ich mich vorzusehen habe“, spann Jo den Gedankengang weiter, „wenn das Sperrfeuer aus dem. Dunkel kommt, liegt die Sache anders.“

      „Immer vorausgesetzt, daß meine Theorie richtig ist“, betonte der Captain. „Jedenfalls wollte ich dich gewarnt haben.“

      „Danke“, sagte Jo. „Du scheinst recht zu behalten; mit dem geruhsamen Sommer ist es vorbei. Wann kommt Pritchie heraus?“

      „Morgen mittag. Viel Zeit hast du also nicht mehr. Es ist natürlich möglich, daß ich mich irre. Meine ganze Theorie basiert auf ein paar höchst vagen Tatsachen. Genaugenommen auf dem Wörtchen ,sie‘, das der sterbende Dan Reno röchelte. Aber ich habe schon viel unwahrscheinlichere Sachen erlebt. Jedenfalls würde ich mich entsprechend vorsehen. Wenn ich recht habe, hast du eine schöne Aufgabe an der die Polizei von Pennsylvania gescheitert ist: auszuschnüffeln, wer vor zwölf Jahren Pritchies Komplicen waren.“

      „Wir haben Ihnen alle Unterlagen mitgebracht“, knurrte Leutnant Jackson mißmutig. Er hörte es nicht gern, daß er gescheitert war. „Sowohl die Akte aus Pennsylvania als auch die Akten, die hier in New York geführt wurden. Und wenn Sie sonst noch eine Unterstützung brauchen, wenden Sie sich nur an uns. Die geschädigte Bank hat damals eine ziemlich hohe Belohnung ausgesetzt, und soviel ich weiß, ist die noch immer nicht verfallen.“