dich doch da mal.“ Holzhäuser schickte Bewerbungen zu Kickers Offenbach, zum Hessischen Fußball-Verband und zum DFB, der ihn letztendlich einstellte. Holzhäuser muss schmunzeln, wenn er an jene Zeit denkt: „Das war eine andere Welt damals“, erinnert er sich. „Das waren drei oder vier Zimmer.“ Er bekam ein paar Ordner hingestellt und sollte sich um den Liga-Betrieb kümmern. Doch nach Jahren beim Verband hatte Holzhäuser genug gesehen. Er wollte die Liga ausbauen und unabhängig machen. Seine Idee: den Profifußball den Profis überlassen. Doch damit stieß er auf großen Widerstand innerhalb des DFB. Die Funktionäre wollten die Liga nicht ziehen lassen, die Strukturen lieber innerhalb des Verbandes ausbauen. „Aber das hätte nicht funktioniert“, ist sich Holzhäuser noch immer sicher. Er kämpft e weiter, bis schließlich der damalige DFB-Präsident Egidius Braun Ende der 1990er Jahre entnervt aufgab. Die Grundlagen für die Liga waren gelegt – und Holzhäuser wechselte die Seiten, um seine Idee weiter voranzutreiben. „Die Bundesliga hätte mich nie als DFB-Vertreter akzeptiert“, erklärt er seinen Schritt, mit dem er auch seine berufliche Zukunft mit dem Glauben an eine eigenständige Liga verband: „Ich war Überzeugungstäter.“
„Der Fußball hat das Glück, dass keine Verteilungskämpfe einsetzen und Geld für alle da ist“
Holzhäuser wechselte in die Geschäft sführung von Bayer 04 Leverkusen, managte dort die Umwandlung des Vereins in eine GmbH. Er stieg zum Sprecher der Geschäft sführung auf, engagierte sich im neu gegründeten Ligaverband, dessen operative Tochter DFL den Spielbetrieb übernahm. Im September 2013, als sich Holzhäuser aus dem Fußball-Geschäft zurückzog, waren fast alle Bundesliga-Klubs Kapitalgesellschaften geworden. Die Geschichte hatte Holzhäuser Recht gegeben. Und auf seiner Abschiedsfeier erinnerte der damalige DFB-Präsident Wolf-gang Niersbach auch noch einmal an Holzhäusers Kündigung beim Verband. Denn mit deren Verkündung war damals direkt ein Schlussstrich gezogen worden. Holzhäuser musste sein Büro räumen, alles abgeben. „Der Wolfgang hat bei meiner Abschiedsfeier die Quittung von damals herausgeholt und vorgelesen“, erinnert sich Holzhäuser heute. „Ein Anzug, blau. Zwei weiße Hemden, Krawatte, Schlüssel, PKW und noch etwas stand darauf …“ Es fällt ihm gerade nicht ein. Doch angesichts der heutigen Summen erinnerte das kleine Stück Papier nochmals an die Zeiten vor den dreistelligen Millionen-Ablösen und milliardenschweren TV-Verträgen. „Der Fußball hat das Glück, eine so stark wachsende Branche zu sein, so dass keine Verteilungskämpfe einsetzen und dementsprechend Geld für alle da ist“, analysiert Holzhäuser mit etwas Abstand.
In der Branche hatte er immer das Image eines Kaufmanns, weil er sich bei Spielereinkäufen auch mal nach dem Grenzertrag erkundigte. Noch gut kann sich Holzhäuser an den öffentlichen Aufschrei beim ersten Millionen-Transfer der Bundesliga erinnern: Im Jahr 1976 wechselte der Stürmer Roger van Gool vom FC Brügge zum 1. FC Köln. Kaufpreis: eine Million DM. „Wenn Sie heute einen Spieler für zehn Millionen Euro kaufen und der einschlägt“, sagt Holzhäuser, „dann ist das ein Schnäppchen“. Mittlerweile sind Summen jenseits der 50-Millionen-Grenze Sommer für Sommer an der Tagesordnung. „In diese Zahlen wächst man rein“, erklärt Holzhäuser zwar. Aber: „Der Fußball ist nur noch Mittel zum Zweck.“ Für Holzhäuser ist die immer stärkere Kommerzialisierung nicht neu: „Ich habe schon damals die Haltung vertreten, dass wir ein Teil der Unterhaltungsindustrie sind. Einfach: die Sparte Fußball.“
Das betrifft nicht nur die Bundesliga, sondern auch und gerade die Nationalmannschaft. Eine „Bierhoffisierung des Fußballs“ nannte es Spiegel Online im Zuge der EM 2016 in Anlehnung an die Strategie des Nationalmannschafts-Managers Oliver Bierhoff und defi-nierte dies als: „Glattbügeln, Disziplinieren und Entemotionalisieren von allem, was irgendwie noch einen Hauch von Authentizität und Echtheit ausstrahlt. Und was die Inszenierung stören könnte.“ Denn über die Jahre und Jahrzehnte sind immer neue Geschäftsfelder entstanden, lässt sich der Fußball immer weiter monetarisieren, wie schon Ex-Repucom- und nun Nielsen-Mann Lehmann festgestellt hat. Ab den 1970er Jahren begann adidas mit dem Verkauf von Trikots der Nationalmannschaft und konnte Jahrzehnte später, rund um die WM 2014, mehr als drei Millionen Exemplare absetzen. Zu einem Stückpreis von rund 85 Euro. Die TV-Gelder, also die Einnahmen für die Fernsehübertragung des Fußballs, stiegen von rund 650.000 DM, die sich ARD und ZDF in den Gründungsjahren der Liga die Bericherstattung kosten ließen, auf inzwischen rund 1,3 Milliarden Euro. Pro Saison, ab der Spielzeit 2017/18.
Das alles funktioniert, weil der Fußball Aufmerksamkeit bekommt. Laut einer Umfrage der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) im Jahr 2015 gab es zu der Zeit deutschlandweit rund 68,61 Millionen Personen in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren, denen Fußball bekannt war. Das sind rund 99,1 Prozent, wobei sich nicht nur der damalige Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers, Peter Pauls, in einem Editorial wunderte, „dass es Menschen in unserem Land gibt, die nicht wissen, dass es Fußball gibt. 0,9 Prozent. Das sind ein paar Hunderttausend. Immerhin.“ Aufmerksamkeit ist die Währung im heutigen Medien-Zeitalter. In den Top Ten der quotenstärksten TV-Sendungen in Deutschland aller Zeiten sind ausschließlich Fußballspiele aufgeführt. An der Spitze steht das WM-Finale 2014: 34,57 Millionen Menschen schalteten damals offi-ziell ein. In Wahrheit dürfte diese Zahl sogar noch höher liegen. Der Fußball hat damit – nach dem Ende der TV-Sendung „Wetten, dass …?“ – den Status als das „letzte Lagerfeuer der Nation“.
Dabei hatte es zu Beginn der medialen Ausschlachtung des Fuß-balls noch Sorgen und Vorbehalte gegeben, wie sich Heribert Bruchhagen erinnert. Denn als Anfang der 1990er Jahre der Besitzer des Sky-Vorgängers Premiere, Leo Kirch, den Antrag stellte, die Bundesliga per Konferenzschaltung live zu übertragen, ließ Bruchhagen, der damals im Ligaausschuss saß, zu Protokoll geben, dass bei einer Zustimmung die Stadien alsbald leer sein würden. „Falscher konnte ich gar nicht liegen“, erinnerte er sich nun rückblickend: „Je mehr Hype es gibt und je mehr Fußball in den Medien stattfindet, umso mehr füllen sich die Stadien.“
Auch dieses Phänomen lässt sich belegen: Kamen in der Gründungssaison 1963/64 insgesamt rund sechs Millionen Zuschauer in die Stadien, verdoppelte sich diese Zahl bis heute – in der Saison 2011/12 waren es sogar exakt 13,55 Millionen. Und wie sich dieses Interesse teilweise vom sportlichen Erfolg entkoppelt hat, lässt sich an den Zuschauerzahlen des Gründungsmitglieds und ersten Meisters der Bundesliga, 1. FC Köln, ablesen: In der Saison 1977/78, als der FC das sogenannte Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal gewann, hatte der Verein einen Zuschauerschnitt von 34.763, kein einziges Heimspiel war ausverkauft. Ab Ende der 1990er Jahre entwickelte sich das Team zu einer sogenannten Fahrstuhlmannschaft, stieg insgesamt fünf Mal aus der Bundesliga ab, zuletzt in der Saison 2011/12. Der Zuschauerschnitt in jener Spielzeit lag fast um ein Drittel höher: bei 47.257, sechs Heimspiele waren ausverkauft.
„Bis zur WM 2006 waren alle Sportereignisse einfach nur Sportereignisse“
Steigendes Interesse, steigende Einnahmen, steigende Bedeutung. Doch der endgültige Durchbruch zum gesellschaftlichen Massenphänomen ist nicht nur für Nielsen-Mann Lehmann und Ex-Fußballfunktionär Holzhäuser, sondern auch für Alfons Madeja eindeutig mit einer Jahreszahl verbunden: „Bis zur WM 2006 waren alle Sportereignisse einfach nur Sportereignisse“, sagt der Professor für Betriebswirtschaft und Kultur-, Freizeit-, Sportmanagement an der Hochschule Heilbronn. Madeja spielte einst beim VfB Stuttgart in der zweiten Mannschaft, studierte anschließend BWL. Er arbeitete im Management bei Bundesligavereinen und gründete dann an der Universität Bayreuth einen Studiengang für Sportmanagement, bevor er schließlich nach Heilbronn ging. „Mit dem Erfolg der WM 2006 als Massenveranstaltung wurde der Fußball zum unausweichlichen Instrument für die Gesellschaft “, sagt Madeja.
Daran war der grauhaarige Schwabe mit Schnäuzer nicht ganz unschuldig: Im Vorfeld der WM 2006 erhielt er vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) den Auft rag, zu evaluieren, wie aus dem Turnier eine Veranstaltung für das ganze Land sowie eine Werbeplattform für Gäste aus der ganzen Welt werden könnte. Madeja fuhr nach Portugal, zur Europameisterschaft 2004, und befragte die Zuschauer. Zudem erfuhr er vom damaligen DFB-Generalsekretär Niersbach, dass die Tickets bei der WM in Deutschland eher knapp sein würden. Eine Erkenntnis, die Madeja mit seiner Umfrage kombinierte. Ein Ergebnis: 53 Prozent der Befragten gaben an, auch ohne Eintrittskarten nach