der Gustav-Falke-Straße den letzten deutschen Lebensmittelladen betreibt, zur Ruhe setzen will und dringend einen Nachfolger sucht, fällt ihm nur ein Kandidat ein: Arif.
Der Türke stellt sich vor – und stößt bei dem Ehepaar auf eine unterschiedliche Reaktion. Der Mann sagt: Das schaffen Sie nie. Seine Frau meint: Sie packen das! Auf das Angebot des Bewerbers, erst einmal ein paar Monate auf Probe und unentgeltlich in dem Laden zu arbeiten, lassen sich die beiden ein. »Ich habe mich den Kunden vorgestellt und versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich habe sie auch gefragt: ›Was fehlt nach Ihrer Ansicht in dem Geschäft? Genieren Sie sich nicht, es mir zu sagen.‹«
Anfang 1993 übergeben Arif und seine Frau die gut gehende Kantine im Wirtschaftsgymnasium ihrer türkischen Schwägerin. Sie selbst richten sich in dem Geschäft in der Gustav-Falke-Straße ein. Bevor ein Stammkunde das Viertel verlässt, verfasst er ein Gedicht von zweiundzwanzig Zeilen, das er mit »Der Selbstbedienungsladen« betitelt. Arif lässt es sich rahmen und hängt es sich zu Hause an die Wand. Damit würdigt er die emotionale Qualität der Eloge, die so beginnt:
Wegen Krankheit gab Herr Cichon seinen Laden auf.
Herr Sarikaya machte einen guten Kauf.
Es gab jetzt viel Arbeit und Schweiß.
Und der Laden war wieder weiß.
Ob selbst bedient oder betreut,
wohl fühlen sich hier die Leut’ ...
Wird Dogocan, der Sohn, das Geschäft eines Tages weiterführen? Eher nicht. Denn er besucht, nachdem er die Realschule abschloss, das Wirtschaftsgymnasium, dem sein Großvater als stellvertretender Hausmeister diente und wo sein Vater die Kantine betrieb.
Nach dem Fachabitur will Dogocan an einer Universität in Istanbul studieren und sich auf deutsch-türkisches Recht spezialisieren. Er weiß: die Türkei ist auch in Teilen Anatoliens ökonomisch längst nicht mehr von jener Rückständigkeit geprägt, vor der sich seine Großeltern und seine Eltern in die Bundesrepublik absetzten. Eines Tages als Jurist in einem türkisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmen arbeiten – es wäre die Krönung einer Erfolgsgeschichte.
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