Rafael Fuchsgruber

Passion Laufen


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Fast nur Sand und Tagestemperaturen von 56 °C, die wir mit verschiedenen Uhren auf Brusthöhe gemessen haben. Was wir in Filmen oder Berichten unerwähnt ließen, war die Tatsache, dass auf Schienbeinhöhe die Temperatur 65 °C betrug. Unter der Wüste Lut, die auch als heißester Ort der Welt in Wikipedia steht, ist die Erde sehr aktiv. Es gibt keine Vulkane, aber die Hitze kommt massiv aus dem Boden. Wir haben diese Tatsache nie erwähnt, weil wir Angst davor hatten, dass man uns maßlose Übertreibung hätte unterstellen können.

      Da ich auf der kürzeren Distanz unterwegs war, hatte ich andere Startzeiten als Mohamad, aber bei der langen Etappe standen wir alle gemeinsam am Start. An diesem Tag hatte ich mir vorgenommen, Mohamad zu folgen, solange es geht. Ich kann mich noch genau erinnern, wie er vor zehn Jahren in einem Film auf die Frage geantwortet hat, wie man auf Sand am besten läuft: »Das Geheimnis ist, sehr schnell zu laufen.« Eine weise Antwort – und so stimmig. Aber nur, weil sie stimmt, ist sie noch lange nicht umsetzbar. Gilt natürlich nicht für Mohamad! Versuch mal, Mohamad Ahansal auf Sandboden zu folgen. Ich habe es knapp 20 min geschafft. Oder eher versucht. Er hat eine enorme Kraft, sein Laufstil ist sehr elegant, und die Füße berühren den Boden nur einen kurzen Moment. Es wirkt so, als hätte die Schwerkraft einfach nicht genügend Zeit, ihn zu erwischen.

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      Mohamad Ahansal: Veranstalter des Trans Atlas Marathon.

      In Sri Lanka und auch im Iran entstanden zwei Konzepte während des Laufens; einmal wurde der Little Desert Runners Club geboren. Das andere Konzept beschäftigte sich mit dem Buch nach Running wild.

      Es gibt ja bekanntlich keine Zufälle, und es war auch nicht abgesprochen. Genau zehn Jahre zuvor hatte ich meinen ersten Wüstenlauf gemacht, und nun stand ich mit dem Meister Seite an Seite an der Startlinie. Welche Ehre! Hätte mich 2006 jemand gefragt, ob ich mir so etwas vorstellen könnte, hätte ich nur gesagt: »Is’ klar, ne?!«

      Im Iran bin ich ihm hinterhergerannt, wir haben in der Not aus dem gleichen Infusionsbeutel vom Doc gesoffen. Ja! Die Infusionen sind gemeint, die man mit der Nadel bekommt, wenn man total fertig ist. Richtiger Doc mit Nadel war gerade nicht in der Nähe, aber hier der kleine Insider: anpieksen und trinken, hilft auch. Wir sprachen dabei weniger über das Rennen und die irrsinnige Hitze, die wir beide noch niemals so intensiv bei einem Rennen erlebt hatten. Wir sprachen über Familie, über unsere kleinen Kinder und vor allem über die Zukunft. Mohamad hat ein Trainingscamp in Zagora aufgebaut, in dem man sich sehr schön auf Wüstenläufe vorbereiten kann. In die eine Richtung geht es aus dem Lager in die Wüste, und auf der anderen Seite ins Atlasgebirge, wo es sehr schöne Trails gibt. Mit dem Trans Atlas Marathon und dem Ultra Trail Morocco Eco Sahara (UTEMS) veranstaltet er mit seinem Bruder mittlerweile auch die ersten eigenen Rennen, die schon guten Zuspruch bei den Läufern finden.

      Naheliegend war die Idee, ihn im Buch dabei zu haben. Ich bin über die Jahre der Wüste nähergekommen und mir auch – verstehen tue ich immer noch wenig, aber doch viel mehr als früher. Es freut mich ganz arg, dass wir die Chance auf diese schönen Gespräche auf dem Perserteppich hatten und noch mehr, dass wir diese in dem danach stattgefundenen Interview nochmal für Passion Laufen zusammenfassen konnten.

      Mohamad, du bist ein Sohn der Wüste, lebst aber große Teile des Jahres auch in Deutschland.

      Ja, das stimmt. Ich bin der Sahara geboren. Ich war das jüngste von fünf Kindern, und wir waren anfangs tatsächlich Nomaden draußen in der Wüste. Wir hatten Ziegen, Schafe und Dromedare und lebten von der Zucht und Verkauf der Tiere. Als ich zwei Jahre alt war, starb mein Vater, und wir zogen für eine Übergangszeit mit unserer Mutter zu unserem Onkel. Aber das war alles sehr schwierig. Es kam ein wenig später das Angebot von meinem Großvater, zu ihm in die Oase von Draa zu ziehen. Sie liegt bei Zagora und bot die Möglichkeit der Schulbildung für uns Kinder, was für meine Mutter äußerst wichtig und Nomaden normalerweise verwehrt war. Wir siedelten um und blieben dauerhaft in der Oase bei unserem Großvater, der starb, als ich neun Jahre alt war. Es wurde noch schwieriger für meine Mutter, aber immerhin durften wir auch weiterhin im Haus von meinem Großvater wohnen. Einer meiner Brüder lebt heute noch dort.

       Wie sind die beiden Welten für dich im Vergleich, wo fühlst du dich wohler?

      Den Wechsel zwischen den Welten kenne ich ja schon seit meiner Kindheit. Wir lebten bei meinem Opa, und in den Ferien sind wir wieder raus in die Wüste und verbrachten viel Zeit bei unserem Onkel. Ich mochte beide Welten sehr gern, eben weil sie so unterschiedlich waren. Ich ging gern zur Schule, fühlte mich aber auch sehr glücklich in der Einfachheit und Kargheit der Wüste. Heute ist es ähnlich. Ich verbringe viel Zeit bei der Organisation meines Rennens und in unserem Trainingslager. Den Rest des Jahres verbringe ich aber auch sehr gern hier bei meiner Familie in Bayern.

       Wo lernt es sich besser?

       In der Wüste oder in der Schule?

      Schwer zu beantworten … Oder auch ganz leicht. Ich werde oft gefragt, warum es uns ohne Unterbrechung gelungen ist, so viele Jahre den MdS zu gewinnen. Wir haben als Nomaden gelernt, mit Entbehrungen zu leben, und dies in einer Konsequenz und einem Ausmaß, welche mit dem Dasein in Europa nicht zu vergleichen ist. Sicherlich gibt es hier auch manchmal Probleme und schwierige Situationen, da möchte ich niemandem zu nahetreten. Aber die Kindheit als Nomade ist härter. Wir sind gute Läufer, und andere Teilnehmer hatten auf der Marathondistanz sogar bessere Zeiten vorzuweisen als wir, aber mit den Entbehrungen in der Wüste kamen sie nicht so gut klar. Auf der anderen Seite hatte unsere Mutter vollkommen recht mit ihrer Entscheidung, dass wir auf die Schule müssen. Alles, was sie durch den Verkauf von Datteln, Koriander und ein oder zwei Schafen pro Jahr verdiente, steckte sie in unsere Schulsachen und in die Ausbildung. Sie arbeitete extrem hart für uns. Wir sind dafür sehr dankbar. Heute ist sie 82 Jahre und lebt immer noch in Zagora bei einem meiner Brüder und dessen Frau. Einer meiner großen Brüder nahm ein Studium in Agadir auf, das war teuer für die Familie, und für ein weiteres Studium fehlte das Geld. Also gingen Lahcen und ich nach Casablanca an einer Art Berufsschule, wo wir eine Schneiderlehre machen konnten. Ich bekam allerdings kurzfristig die Chance, eine Ausbildung als Bergführer zu machen. Lahcen erlernte somit den Schneiderberuf, und ich ging in die Tourismusbranche.

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      Genaue Planung: Safety first!

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      Traillaufen ist Abenteuer.

       Kommen daher deine perfekten Deutschkenntnisse?

      Nein, nicht direkt. Während einer meiner Bergtouren, die ich im Atlasgebirge führte, lernte ich Lutz und Ursula Böhme aus Bremen kennen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Sie hatten die Idee, mich nach Deutschland zu holen – auch vor dem Hintergrund, dass es viele englisch- und französischsprechende Bergführer in Marokko gab, aber keine deutschsprachigen. So kam ich 1998 auf ihre Einladung zum ersten Mal nach Europa und lief nebenbei in Frankfurt den Marathon. Ich hatte das lange Laufen auf der Straße nie geübt, doch mit einer Zeit von zwei Stunden 23 Minuten war ich ganz zufrieden. Danach verbrachte ich weitere sechs Monate in Deutschland und lernte an der VHS und im Alltagsleben die deutsche Sprache. Auch mit dem Straßenlauf wurde es besser, irgendwann steigerte ich meine Zeit nochmals um 5 min.

       Wie kamt ihr ans Laufen? Klar, alle Jungs auf der Welt wollen rennen …

      Stimmt, das ist in Afrika wie überall in der Welt. Für die Jungs heißt es Fußball und Laufen. Wir sind als Kinder barfuß um die Wette gerannt, und bei meinem ersten Rennen über sieben oder acht Kilometer habe ich den zweiten Platz gemacht. Während der Zeit im Gymnasium gingen Lahcen und ich bei Wettkämpfen immer als Sieger hervor. Bei den offiziellen Meisterschaften in Casablanca oder Agadir konnten wir aber leider nie starten, da weder unsere Mutter noch die Schule die Kosten