ich heute noch gar nicht kenne. Man kann und soll sich für beides rüsten, um beides zu gestalten. Und das sollte man immer machen und immer jetzt machen.
2)Es gibt kein noch so bewährtes Handeln, das nicht auch noch verbesserbar ist. Es gibt keine noch so sichere Strategie, die nicht noch inkrementell optimierbar ist. Wenn man parallel immer wieder ungerichtete Strategien, vielleicht sogar mit der Hoffnung auf radikale Ansätze, verfolgt, können die dabei entstandenen Erfahrungen, die dabei gefundenen Lösungen und die dabei gemachten Fehler unglaublich befruchtend für den »bisher so erfolgreichen Lebensweg« und »das noch so bewährte Handeln« sein. »Es war schon immer so« und »So hat es immer funktioniert« heißt nicht, dass sich die Zeiten nicht ändern können oder dass es nicht noch besser geht. Umgekehrt bilden all das Wissen, all die Erfahrungen und all das Können aus den Kernbereichen der sicheren bewährten Strategien einen mächtigen Pool an (Human-)Ressourcen, Netzwerken und Handwerkszeug, um die Erfolgswahrscheinlichkeit neuer, vielleicht riskanterer Strategien zu beflügeln.
3)Die der menschlichen Natur grundsätzlich innewohnende Neugier auf andere Disziplinen beziehungsweise Kulturen soll stimuliert werden. Berührungsängste gegenüber anderen gilt es zu schmälern. Auch hierbei müssen dem wissenden Menschen unbedingt entsprechende Erfahrungen als Basis für sein zukünftiges Handeln ermöglicht werden. Schließlich bergen Ideen, die an den Schnittstellen zwischen verschiedenen Fachgebieten und Kulturen geboren werden, höchstes Potenzial dafür, neue Lösungen und Innovationen zu initiieren. Genau solche Ideen entstehen gern dann, wenn man in seiner eigenen Disziplin mutig gerichtet und ungerichtet gestaltet und sich gleichzeitig auch mit anderen Fachbereichen, Ansichten und Herangehensweisen beschäftigt, um zu lernen und um sich zu rüsten.
4)Auch ein kreativer Prozess entspringt der Wechselwirkung zwischen Genen und Umwelt. Er ist die Quelle für neue Problemlösungsansätze mit bisher nicht bedachten Mitteln. Um etwas Neues zu erschaffen, muss unterschiedliches Wissen miteinander verknüpft werden, beziehungsweise müssen bereits bestehende Lösungsansätze in anderen Zusammenhängen gedacht und schließlich angewendet werden. Das Erarbeiten solcher Neukombinationen beziehungsweise bisher noch nicht erkannter Verflechtungen setzt einerseits den Zugang zu verschiedenen Eindrücken, Informationen, Erfahrungsschätzen und Lösungskonzepten voraus und baut andererseits auf der Bereitschaft, der Motivation, der Flexibilität und auch dem Mut auf, solche neuen Zusammenhänge zu denken. Kreative Ansätze folgen einem dialektischen Prinzip, das im Wechselspiel zwischen Bekanntem und Unbekanntem, zwischen Wissen und Fantasieren, zwischen diszipliniertem Denken und Experimentierfreude, zwischen Struktur und Freiraum, zwischen der eigenen Kernkompetenz und einem Out-of-the-box-Denken erblüht. Das Hin- und Hergehen zwischen gerichteten und ungerichteten Strategien macht aus den Menschen Querdenker, steigert die Möglichkeiten für Inspirationen und fördert kreative Prozesse.
5)Um sich immer wieder einzubringen, bedarf es lebenslanger kontinuierlicher Bereitschaft, dazuzulernen und auszuprobieren. Das Erschaffen von neuen Lösungsansätzen ist kein einmaliges Ereignis, sondern eine immerzu fortlaufende Entwicklung. Gegenwart ist kein Event, sondern ein Prozess. Dafür muss sich jeder Einzelne auf den Weg machen, immer weitergehen und mit offenen Augen und Ohren wachsam bleiben, um Chancen und neue Lösungen erkennen zu können, wenn sie sich bieten. Wer im Heute konsequent in Bewegung ist, kann in Zukunft Dinge finden, die er nie gesucht hat.
Der 2017 verstorbene Gesundheitsstatistiker Hans Rosling bezeichnet in seinem letzten Buch Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist mit Possibilisten Menschen, die weder unbegründeten Hoffnungen anhängen noch sich durch unbegründete Befürchtungen ängstigen lassen, Menschen also, die sich konstant der überdramatischen Weltsicht widersetzen. Hans Rosling sagte über sich selbst: »I’m a very serious ›possibilist‹«. Machen wir doch uns und den nächsten Generationen das Angebot, Ermöglicher zu werden durch die Förderung des gegenwartskompetenten Einsatzes des wichtigsten Potenzials des Menschen – der Lösungsbegabung. Nach einem Vortrag kam einmal eine Zuhörerin zu mir und sagte: »Der Mensch hat doch eigentlich gar keine Ausreden – er muss für die Probleme unserer Zeit einfach Lösungen entwickeln!« Ich habe nicht widersprochen.
Markus Hengstschläger, Hinterbrühl, Kitzbühel, 2020
WAS WIR WOLLEN – die Wünsche des Menschen an die Zukunft
Erfolg im Wandel der Zeit
Man könnte argumentieren, dass man auf persönlicher Ebene dann Erfolg hat, wenn man die Ziele erreicht, die man sich selbst gesetzt hat. Und auch unternehmerisches Handeln könnte dann als erfolgreich gelten, wenn man die Unternehmensziele erwirtschaftet. Das ist selbstverständlich plausibel, wirft aber eine Reihe von Fragen auf. Wenn man sich in der Gegenwart Ziele setzt, die man dann in der Zukunft eben vielleicht auch erreicht, so setzt das voraus, dass man schon viel über die Zukunft beziehungsweise über das in Zukunft möglicherweise Erreichbare weiß beziehungsweise gewusst hat. Es ist zweifelsohne ausgesprochen wichtig und richtig, sich für die bereits bekannten Anteile der Zukunft Ziele zu setzen und auch Strategien zu entwickeln, die es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich machen, dann auch erfolgreich zu sein. Der Begriff »erfolgreich« sollte aber aus drei Gründen weiter gefasst werden. Erstens hängen die gesetzten Ziele davon ab, womit man sich betreffend das Ergebnis seiner Bemühungen zufriedengibt. Und was, wenn man sich die Latte einfach zu niedrig legt? Zweitens könnte es sein, dass gesetzte Ziele bei genauerer Betrachtung in der Zukunft nicht den Wert haben, den man ihnen in der Gegenwart noch gibt. Hierbei bestehen außerdem auch große Unterschiede zwischen den Generationen. Ein hohes Einkommen, das Besitzen eines tollen Hauses, das Fahren eines exklusiven Autos, viele Follower (ob influenced oder nicht) oder das Erreichen eines hohen Betriebsergebnisses – all die Earnings before interest and taxes (EBIT) – werden von manchen mehr, von anderen weniger als Statussymbole gesehen. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Frage, ob sie noch als repräsentativ für erbrachte Leistungen gesehen werden. Sie sind aber sicher nicht immer und automatisch das Resultat »erfolgreichen« – im Sinne von »wertvollen« – Handelns. Und noch viel wichtiger: Sie verändern die Welt auch nicht notwendigerweise zum Besseren. Drittens sind viele individuelle Leistungen, viele große Errungenschaften und Innovationen in der Menschheitsgeschichte nicht das Resultat eines Planes mit gesetzten Zielen gewesen. Vor allem deshalb nicht, weil sie in der Gegenwart noch vollkommen unvorhersehbar gewesen sind. Gesetzte, konkrete Ziele sind meist nur Lösungen für bereits bekannte Probleme, aber tragen oft sehr wenig zur Bewältigung von Aufgaben bei, die wir heute noch gar nicht kennen.
Grundsätzlich wird Erfolg sehr individuell gesehen und folglich auch nicht einheitlich bewertet. Was für den einen schon erfolgreich ist, ist für den anderen Standard oder gar nicht von Interesse. Der Erfolg wird außerdem oft mehr an der Reaktion der sozialen Umgebung gemessen. Und das, obwohl die Ausgangsbasis doch eigentlich sehr ähnlich sein müsste. Die Beschreibung der Bedürfnisse und Motivationen des Menschen, nach der vom amerikanischen Psychologen Abraham Maslow entworfenen Bedürfnispyramide, könnte einmal als erster Ansatzpunkt genommen werden. Die fünf Ebenen mit all ihren fließenden Übergängen reichen von den Grundbedürfnissen (Ernährung, Atmung, Schlaf, Fortpflanzung etc.) über Sicherheitsbedürfnisse (Gesundheit, körperliche, seelische und materielle Sicherheit, Arbeit, Wohnung, Familie etc.), soziale Bedürfnisse (Liebe, Gruppenzugehörigkeit, Kommunikation etc.), Individualbedürfnisse (Erfolg, Unabhängigkeit, Freiheit, Ansehen, Wertschätzung etc.) bis hin zu den individuellsten Bedürfnissen nach Selbstverwirklichung (seine Kreativität, seine Talente und Potenziale ausschöpfen zu können, Persönlichkeitsentwicklung, seinem Leben einen Sinn zu geben).
Die ersten vier sind Defizitbedürfnisse, die, wenn man sie nicht oder nur sehr eingeschränkt erfüllen kann, zu physischen oder psychischen Störungen führen. Und obwohl das auch für die Wachstumsbedürfnisse der Selbstverwirklichung zutrifft, können diese nie wirklich vollständig befriedigt werden. Maslow hat dieses Modell später noch erweitert und ist davon ausgegangen, dass die Befriedigung all dieser Bedürfnisse, und im Besonderen der Selbstverwirklichung, nur schwer und nicht von allen Menschen erreichbar sind. Am Rande sei erwähnt, dass auch eine maslowsche Bedürfnispyramide für den digitalen Wandel vorgeschlagen wurde, um die Werte