denn von der Arbeit zurück?«
Frau Schmidt sah bei Michael bessere Chancen für ihr Anliegen und meinte eifrig: »Er ist sicher mittlerweile zurück. Das wäre toll, wenn Sie mitkommen würden!«
Michael schmunzelte. »Das macht dann der Kollege.«
Ein paar Minuten später stand Andreas vor einem komfortablen Familienhaus im Neubauviertel. Hier wohnte das Geld: Sowohl der Inhaber der Leder- als auch der Inhaber der Käsefabrik in der näheren Umgebung hatten hier ihre Villen errichtet.
Andreas bemerkte das Schild an der Haustür: »Sabine Klenkemeyer, geborene Amstettl – kommt Ihre Mutter aus Bayern?«
»Ja, aus einem Dorf in der Nähe von München«, erklärte Tochter Maria, während sie auf den Klingelknopf drückte. »Da war es ähnlich provinziell wie hier, sagt sie. Nur eben auf bayrisch.«
»Warum ist sie dann nicht in München geblieben?«
»Papa«, war die lapidare Antwort. »Jetzt haben sie ein gut gehendes Maklerbüro in Hannover und die Münchner seien eh lusert, hat sie mal gesagt.«
»Lusert?«
»Hinterhältig«, übersetzte Maria den bayrischen Ausdruck.
Die Tür öffnete sich und ein Mann in weißem Hemd und Krawatte öffnete die Tür und musterte die Anwesenden. Seine Frisur war penibel mit Haargel in Form gebracht worden. Die Schuhe glänzten durch Politur.
Die Begegnung mit Frau Klenkemeyer blieb Andreas wohl noch eine Weile erspart. Obwohl er sich mittlerweile fast wünschte, sie wäre anwesend.
»Maria? Ist was passiert? Ist Mama nicht bei euch?«
»Guten Tag«, ergriff Andreas das Wort. »Stanford, Polizei Bodenwerder. Sie sind der Ehemann von Sabine Klenkemeyer, richtig?«
»Ja, ich bin Tobias Klenkemeyer. Was ist denn los?«
»Ihre Tochter kam zu uns und wollte Ihre Frau als vermisst melden, da sie die Enkel nicht wie versprochen von der Schule abgeholt hat. Dürfen wir kurz reinkommen?«
»Ja, natürlich.« Er ließ die beiden ein und führte sie ins Wohnzimmer. Beunruhigt sah der Mann zu seiner Tochter, als sie sich setzten. »Ich dachte, Mama ist bei dir?«
»Nein, die Kinder haben bei mir angerufen, dass Oma sie nicht abgeholt hat.«
»Was? Und dann?« Eindringlich sah Klenkemeyer seine Tochter an.
»Dann habe ich die Nachbarin gebeten, einzuspringen. Sie spielen jetzt dort.« Ein tiefer Seufzer ertönte. »Und sobald ich konnte, habe ich versucht, sie zu erreichen. Aber bislang ohne Erfolg.« Zu Andreas gewandt sagte sie: »Ich bin Professorin an der Hochschule Weserbergland in Hameln und hatte eine Vorlesung. Deshalb sollten die Kinder eigentlich von meiner Mutter betreut werden.«
»Mama lässt dich doch nicht einfach so im Stich! Seltsam. Ich habe sie nicht gesehen, als ich nach Hause kam. Deshalb dachte ich, sie sei noch bei euch.« Er kaute auf seinen Lippen. »Und wenn sie einen Unfall hatte?«
Mehr wütend als besorgt fragte Maria: »Warum gehst du auch nicht ans Telefon? Ich habe zigmal versucht, dich anzurufen!«
Klenkemeyer schüttelte verwirrt den Kopf. »Aber ich … Oh, stimmt, du konntest mich nicht erreichen, weil ich mein Telefon auf dem Küchentisch vergessen habe. Einen Moment, bitte.« Er stand auf, verließ den Raum und kam mit einem Telefon zurück. »Tut mir leid, dass du mich nicht erreichen konntest.« Er schaute auf sein Telefon, während er sich hinsetzte. Doch dann stutzte er, wischte einige Male auf dem Gerät hin und her, schaute kurz auf. Als er die neugierigen Blicke sah, schoss ihm die Röte ins Gesicht. Er murmelte etwas Unverständliches und setzte sich schnell.
Andreas kam das Lächeln, das er dann aufsetzte, etwas unsicher vor, deshalb fragte er: »Alles in Ordnung?«
»Jaja, alles gut«, kam die Antwort - etwas zu schnell für Andreas´ Geschmack.
»Haben Sie etwas entdeckt, was uns weiterhelfen könnte? Vielleicht erscheint es Ihnen nicht wichtig, aber alles kann uns helfen, wenn wir Ihre Frau finden wollen.«
Der Mann nickte fahrig. Er war offensichtlich nicht ganz bei der Sache. Andreas klopfte auf den Busch: »Hatten Sie Streit mit Ihrer Frau? Sie müssen uns schon die Wahrheit sagen, wenn wir von Ihrer Tochter alarmiert werden.«
Herr Klenkemeyer blickte zu Boden. »Es ist nur … etwas ist seltsam. Wahrscheinlich habe ich mich nur nicht richtig erinnert.«
»Was denn?«, hakte Andreas nach. »Sagen Sie schon! Oder haben Sie etwas mit dem Verschwinden Ihrer Frau zu tun? Sollte ich Sie als Verdächtigen behandeln?«
Erschrocken blickte Herr Klenkemeyer hoch. »Nein! Oder irgendwie doch …« Er seufzte. »Sehen Sie selbst.« Mit einer hilflos anmutenden Bewegung gab er Andreas das Handy.
»O là là«, entfuhr es dem Polizisten, als er den Chat einsah. Heißes Liebesgeflüster zwischen Tobias Klenkemeyer und einer weiblichen Person - und diese hieß nicht Sabine Klenkemeyer. Emma und er schrieben sich zwar wie jedes Paar ab und an süße Nichtigkeiten oder auch mal etwas Erotisches, aber das hier war ihm dann doch zu direkt. Seine Devise war »Ein Gentleman genießt und schweigt«. Da war er englisch durch und durch, wie es ihm sein Vater, ein britischer Verbindungsoffizier aus Hameln, gelehrt hatte.
»Ich treffe mich schon seit zwei Jahren immer mal wieder mit ihr. Sehen Sie, die letzten zwei Antworten von ihr sind als gelesen markiert, aber ich bin mir sicher, dass ich sie erst jetzt gelesen habe. Jemand muss sie also vor mir gelesen haben.«
Maria hatte bisher stumm die Szene beobachtet. Ihre Stimme hörte sich trocken und rau an, als sie jetzt zusammenfasste. »Du betrügst Mama jahrelang, lässt dann dein Telefon auf dem Küchentisch liegen, dass alle dein Liebesgeflüster einsehen können, und bist überrascht, dass Mama jetzt verschwunden ist?«
Traurig blickte der Vater seine Tochter an. »Du verstehst das nicht. Nach Rouvens Tod … im ganzen Haus nur Trauer, alles hat an ihn erinnert - ich wollte einfach nur für ein paar Stunden vergessen und bei ihr war das so leicht.«
»Du bist geflohen!«, fuhr ihn seine Tochter an.
Rouven. Ja, Andreas erinnerte sich nur zu gut. Und er wusste auch, wer Rouvens Lehrerin gewesen war. Behutsam legte er der Tochter die Hand auf den Arm und sah Herrn Klenkemeyer in die Augen. »Ich denke, das werden Sie mit Ihrer Frau klären müssen. Um einen Verdacht gegen Ihre Bekannte erst gar nicht aufkommen zu lassen, würde ich sie einmal befragen und dazu bräuchten wir die Daten der Dame.« Dabei legte er das Handy neben sich auf die Couch und tippte etwas in sein Telefon.
»Wieso?« Herr Klenkemeyer schaute zu seinem Handy, zu Andreas und dann zu seiner Tochter. Er blinzelte. »Ach, ich glaube, ich weiß, was Sie meinen. Nein, sie hat garantiert nichts mit dem Verschwinden meiner Frau zu tun. Im Gegenteil, ihr war es nur recht, dass ich verheiratet bin und keine Ansprüche stelle.«
»Nun, wenn das so ist, wird sie es uns genau so sagen. Wir müssen es allerdings von ihr selbst hören und klären, wo sie war.« Er räusperte sich. »Wann haben Sie denn Ihre Frau zuletzt gesehen?«
»Mal überlegen … heute Morgen? Beim Aufstehen lag sie neben mir. Sie konnte aber noch schlafen, also habe ich sie nicht geweckt.«
»Erschien sie Ihnen in letzter Zeit verändert, könnte sie in Schwierigkeiten stecken?« Wohl eher Schwierigkeiten gemacht haben, dachte Andreas bei sich.
Maria und ihr Vater schauten sich verständnislos an und schüttelten unisono den Kopf.
Nun, das wäre sowieso Sache des FK 1. Er würde Emma auf jeden Fall informieren. »Dann müssen wir zunächst davon ausgehen, dass Ihre Frau Abstand benötigt, nachdem sie von Ihrer Geliebten erfahren hat. Und dann«, hier wandte er sich an Maria Schmidt, »werden wir auch keine Vermisstenanzeige aufnehmen. Wir gehen nicht von einem Verbrechen aus und es liegt auch keine Gefahr für Leib und Leben vor.«
Während Andreas schon dabei war, sich zu verabschieden, meinte der Vater zur Tochter: »Warst du denn schon