Ursula Isbel-Dotzler

Pferdesommer mit Lara


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ist für Fußgänger da, wie der Name schon sagt. Wenn Sie trotzdem hier radeln, müssen Sie eben vorsichtig sein.«

      Um uns herum erhob sich Stimmengemurmel. Eine Frau sagte, ich hätte recht, während ein Mann meinte, Hunde gehörten an die Leine, und zwar immer und überall.

      Inzwischen hatte sich der Radfahrer aufgerafft. Seine helle Hose war nass und voller Schmutz. Er war rot vor Wut und Verlegenheit.

      »Tiere haben auch ein Recht auf Freiheit«, sagte Arne in seiner ruhigen Art. »Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie dauernd an einer Leine gehen müssten?«

      »Hunde sind keine Menschen!«

      In mir begann es zu brodeln. »Aha. Und deshalb haben sie auch keine Rechte in unserer Welt, wie? Nur wir Menschen dürfen alles tun, was wir wollen. Wir dürfen die Erde zerstören und Tiere quälen und die Luft verpesten, aber ein Hund darf nicht mal frei herumlaufen …«

      »Reiß deine Klappe nicht so weit auf, du Göre! Du bist ja noch grün hinter den Ohren!« Der Radfahrer warf mir einen bösen Blick zu, während er sein Rad aufrichtete.

      »Und Sie haben keine Manieren.« Das kam von Arne. Bonnie bellte. Sicher spürte sie das wütende Knistern, das in der Luft lag. Die Leute um uns herum begannen zu diskutieren und der Radfahrer fuhr mit zornigem Gemurmel davon.

      Ich zwängte mich an einer Gruppe von Kindern vorbei und merkte, dass Bonnie mir folgte. Als ich über die Schulter schaute, war Arne hinter mir.

      Unter dem Vordach der Sparkasse blieben wir stehen. Arne streifte seine Kapuze zurück. Er fing einen Regentropfen mit der Zungenspitze auf, lächelte mich an und sagte: »Danke für die flammende Verteidigungsrede.«

      »Willst du mich veralbern?«

      »Nein, echt nicht. Du solltest beim Tierschutz arbeiten!«

      Bonnie rieb ihre Stirn an meinem Knie, wahrscheinlich, um sich abzutrocknen. »Gehst du einen Tee mit mir trinken?«, fragte Arne. »Vorausgesetzt sie lassen uns mit dem nassen Hund irgendwo rein.«

      Ich dachte an Frau Schmidt. Frau Schmidt war die Inhaberin eines Bäckerladens mit einem winzigen schlauchähnlichen Nebenraum, in dem es zwei Tische gab. Dort konnte man Tee oder Kaffee trinken und Kuchen essen.

      »Okay«, sagte ich. »Wir gehen zu Frau Schmidt.«

      »Wo ist das? Ich kenne mich hier noch überhaupt nicht aus.«

      »Die Bäckerei in der Gerbergasse, beim Flüsschen.«

      »Da, wo’s die guten Rosinenbrötchen gibt?«

      »Haargenau.« Ich nickte.

      Als wir weitergingen, wusste ich nicht, ob ich Arne mit unter meinen Schirm lassen sollte. Doch dann hätten wir uns einhängen müssen und das kam mir irgendwie komisch vor. Er setzte auch seine Kapuze wieder auf, und Bonnie trottete zwischen uns und kniff die Augen zu, weil es ihr ins Gesicht regnete.

      Bei Frau Schmidt war es wie in einer Höhle, dämmrig und gemütlich. Wie immer roch es wunderbar nach frischem Brot und Kuchen. Einer der beiden Tische war noch frei. Frau Schmidt brachte ein Handtuch, mit dem Arne Bonnie trocken reiben konnte.

      Wir tranken Tee – Pfefferminztee für Arne, Rotbuschtee für mich. Arne bestellte ein Rosinenbrötchen, ich eine Butterbreze. Am Nebentisch saß ein alter Mann und las seine Zeitung.

      »Hat der Mückenstift geholfen?«, fragte Arne.

      »Ja, prima, danke.«

      Eine Weile saßen wir uns stumm gegenüber. Bonnie kroch unter den Tisch und legte sich auf die Seite. Dann stellte Frau Schmidt die Teekännchen auf den Tisch.

      »Ich hab ordentlich Butter auf deine Breze gestrichen«, sagte sie zu mir. »Du musst mehr essen, Mädel!« Und sie warf mir einen mütterlich besorgten Blick zu, ehe sie ihre breiten Hüften durch die Verbindungstür zum Laden zwängte.

      Sie meinte es natürlich gut. Trotzdem war ich ganz starr vor Verlegenheit und hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst. Arne rührte in seiner Tasse und tat, als hätte er nichts gehört.

      Unter dem Tisch stieß Bonnie einen tiefen Seufzer aus. Unwillkürlich musste ich lachen. Es war ein Lachen, das rasch in Weinen umschlagen konnte, wenn ich nicht aufpasste.

      »Cool, dass es immer Leute gibt, die genau wissen, was gut für einen ist«, sagte Arne und lachte ebenfalls.

      Die Breze war so dick mit Butter bestrichen, dass mir schon vom Hinsehen schlecht wurde. Ich kratzte den größten Teil ab und gab ihn Bonnie, die an »unstillbarem Hungersyndrom« litt, wie Arne erklärte. Draußen platschte der Regen aufs Pflaster. Der Mann am Nebentisch raschelte mit seiner Zeitung. Arne begann, von den drei Pferden zu erzählen, die ihm und seiner Schwester und seinem Vater gehörten.

      »Anfangs hatten wir nur Fee«, sagte er. »Meine Mutter hat sie von meinem Vater geschenkt bekommen.«

      Konnte es sein, dass Arnes Mutter gestorben war? Ich wollte nicht direkt danach fragen, deshalb versuchte ich es auf andere Weise. »Und jetzt gehört sie dir?«

      »Ja. Meine Mutter lebt in England. Sie und mein Vater haben sich vor einem Jahr scheiden lassen.«

      Ich gab mir Mühe, an seinem Gesicht abzulesen, wie er dazu stand. »Vermisst du sie?«

      »Ziemlich. Aber ich glaube, meine Schwester leidet am meisten unter der Trennung.«

      Dann wechselte er das Thema und redete wieder von den Pferden. Robin, der Wallach seiner Schwester, stammte aus einem Rennstall, wo er jahrelang total überfordert worden war.

      »Sie haben ihn viel zu früh in Rennen eingesetzt. Wir sind sicher, dass sie allerhand gemeine Tricks angewandt haben, um ihn zu Höchstleistungen zu zwingen. Jedenfalls ist er voller Ängste und ziemlich unberechenbar. Vermutlich haben sie ihn mit Elektroschocks und Schlägen traktiert.«

      Erschrocken sah ich ihn an. »Habt ihr die Leute angezeigt?«

      »Man kann ihnen nichts beweisen. Was in solchen Ställen passiert, dringt kaum jemals an die Öffentlichkeit; die schotten sich total ab. Und Pferde können nicht reden. Obwohl man sie nur richtig beobachten muss. Sie zeigen mit ihrem Verhalten genau, ob sie gut oder schlecht behandelt worden sind. Nur sind das natürlich keine Beweise, um jemanden anzuklagen.«

      Er streifte mich mit einem Seitenblick. »Könntest du dir vorstellen, ein Pferd zu halten?«

      Eine seltsame Frage, dachte ich. »Ich kann ja nicht mal reiten.«

      »Das kann man lernen. Ich könnte es dir beibringen.«

      An seinen Augen sah ich, dass er sein Angebot ernst meinte. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte.

      »Echt? Das würdest du tun?«

      »Klar, sonst hätt ich’s nicht gesagt.«

      Der Mann am Nebentisch zahlte, stand auf und ging. Arne bestellte noch ein Rosinenbrötchen. Bonnie schlief jetzt tief und fest. Ihre Vorderpfoten zuckten, als träumte sie von der Jagd auf Kaninchen.

      »Aber … ich hab keine entsprechenden Klamotten!«

      »Es reicht, wenn du dir ein Paar Reitstiefel aus Gummi kaufst. Und einen Reithelm. Beides ist nicht teuer. Ich reite auch in Jeans – Wrangler sind besser als Levis, da scheuern die Nähte nicht so. Und diese Schickimicki-Jacketts hab ich nie getragen.«

      Reiten – Ronjas Traum. Jetzt konnte er sich für mich erfüllen, ganz von selbst. Ich brauchte nur Ja zu sagen.

      9

      Als ich wieder zu Hause war, brauchte ich Zeit, um alles einigermaßen zu verarbeiten.

      Übermorgen sollte ich meine erste Reitstunde bekommen, auf einer der großen Wiesen, die zu Eulenbrook gehörten. Falls es nicht weiter in Strömen regnete. Und gleich morgen früh wollte ich in die Stadt fahren, um mir Gummireitstiefel und einen Helm zu besorgen.

      »Warum hast du