die Flossen zu verteilen. Als Kyle anbot, den Tauchgang zu übernehmen, stimmte ich nur zu gern zu. Er kannte mich und wusste, dass es Leute gab, mit denen ich einfach nicht klarkam. Dafür fehlte mir die Geduld. Nachdem ich Barbie und ihrem Begleiter nun die ganze Herfahrt über zuhören durfte, hatte ich bereits eine Ahnung, wie es unter Wasser ablaufen würde. Er versuchte mit jedem Satz, seiner Freundin zu beweisen, was für ein toller Hecht er war, und ich fürchtete, das würde sich auch unter Wasser nicht ändern. Vermutlich würden ihn die Regeln absolut nicht interessieren, weil er eh alles besser wusste, nur um seiner Angebeteten zu imponieren. Kyle war einfach geeigneter, solche liebestollen Gockel unter Kontrolle zu bringen.
Immerhin schien die Farbschicht in Barbies Gesicht wasserfest zu sein. Zumindest sah sie noch genauso aufgetakelt aus, als sie keine Viertelstunde nach dem Abtauchen von Kyle wieder an Bord gebracht wurde. Nur die Extensions hatten ihr Volumen verloren und hingen strähnig herunter.
„Ihr sind da unten zu viele Fische. Sie hat Angst, gefressen zu werden“, erklärte Kyle und schaffte es tatsächlich, bei seinen Worten ernst zu bleiben.
„Da war ein Rochen! Der kam genau auf mich zu. Mit Sicherheit wollte der mich beißen! Ich hab Panik bekommen“, erklärte sie mit ängstlich aufgerissenen Augen, als ich ihr die Hand reichte und ihr half, an Bord zu kommen. Ich ersparte es mir und Barbie, ihr zu erklären, dass Rochen ganz sicher nicht beißen würden und dass die Mantas, die man hier antraf, absolut ungefährlich waren. Durch die Taucher waren sie an den Anblick von Menschen gewöhnt und konnten ziemlich anhänglich werden. Bei manchen Tieren hatte ich das Gefühl, sie genossen es regelrecht, sich von den Touristen streicheln zu lassen.
„Das macht doch nichts. Das passiert häufiger. Es ist schon etwas anderes, Fische im Aquarium zu sehen oder sie auf Armlänge um sich zu haben. Da kriegt so mancher Angst. Setzen Sie sich einfach in die Sonne und genießen Sie es, auf dem Meer zu sein. Mögen Sie etwas zum Trinken?“, fragte ich freundlich und war ziemlich stolz, so verständnisvoll und ruhig zu bleiben.
„Haben Sie Prosecco? Also nach diesem Erlebnis brauche ich dringend ein Schlückchen.“ Barbie schälte sich aus ihrem Neoprenanzug und zippelte den Hauch von Stoff zurecht, der ihren Bikini darstellen sollte. Das Teil zeigte mehr, als es verbarg.
Ich atmete tief durch. „Nein, tut mir leid. Wir haben nur Wasser an Bord. Aber sobald wir wieder an Land sind, geht Ihr … Freund sicher mit Ihnen einen Prosecco trinken.“
Unter einem Vorwand verabschiedete ich mich ins Steuerhaus, während Barbie sich in der Sonne ausstreckte, und blieb dort, bis Kyle mit dem Rest der Truppe auftauchte und wir die Rückfahrt antraten.
„Puh, nun hab ich mir den Feierabend auch echt verdient!“, sagte ich zu Dylan, als wir in die Tauchschule zurückkehrten, und stellte die Box mit den Flossen ins Regal.
„Lass den Rest stehen, ich räume das weg. Im Kühlschrank ist Eistee, falls du magst.“
„Das klingt himmlisch! Eistee und ab in den Liegestuhl. Genau das Richtige nach diesem Tag.“
„Oh, hast du Feierabend? Da komme ich ja genau recht.“
Ich drehte mich um, als ich Marlis Stimme vernahm. „Hey, was machst du denn hier? Willst du etwa auch mal wieder raus zum Tauchen?“
Kurz huschte ihr Blick zu Dylan, der sich jedoch sofort abwandte und sich um die Kisten mit der Ausrüstung kümmerte, ohne Marli auch nur Hallo zu sagen.
„Nein, die hier hast du neulich bei mir vergessen“, erklärte Marli und streckte mir mein Basecap entgegen.
„Ach, bei dir hab ich das liegen gelassen. Ich habe es schon gesucht. Hast du es eilig oder magst du auch einen Eistee?“
„Ich habe Zeit“, antwortete meine Freundin, und während ich zwei große Gläser Eistee besorgte, ging Marli schon hinaus und setzte sich in einen der blau-weiß gestreiften Liegestühle, die vor der Tauchschule zum Entspannen einluden. Eine alte Kiste mit einem Brett darauf stand daneben und diente als Tisch.
„Hier könnte ich ewig sitzen“, sagte sie, als ich mich zu ihr gesellte, und nahm mir dankend eins der Gläser ab. „Einfach nur zuschauen, das Gewusel im Hafen in mich aufnehmen und das Nichtstun genießen.“
„Ja, deshalb bleibe ich abends gern noch, auch wenn ich Feierabend habe. Ich liebe es und es entspannt mich“, antwortete ich leise seufzend und schloss einen Moment die Augen.
„Anstrengender Tag, was?“, fragte Marli und ich nickte. Dann erzählte ich ihr, was heute alles geschehen war. Bei der Beschreibung der aufgetakelten Barbie musste sie herzlich lachen und ich stimmte mit ein.
Sekunden später blieb mir das Lachen im Hals stecken, als ich jemanden sah, der auf die Tauchschule zukam.
„Was will der denn hier?“, murmelte ich mehr zu mir selbst. Auf einmal spürte ich, wie die Hitze mir in die Wangen schoss, als mir klar wurde, welches Bild ich gerade abgeben musste. Das Oberteil des kurzen Neoprenanzugs hatte ich auf die Hüften runtergeschoben und lediglich mein Bikinioberteil bedeckte meine Brüste. Meine taillenlangen Haare, vom Salzwasser und dem Wind zerzaust, hingen offen über meinen Rücken und konnten mit Sicherheit dringend eine Bürste brauchen. Wie aus Reflex strich ich mit den Händen darüber, um sie zu glätten, als Tyler auch schon vor mir stehen blieb und auf mich herabsah.
„Hi, Tyler. Was machst du denn hier? Ich dachte, wir hätten alles geklärt?“, fragte ich und bemühte mich, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Ich wusste nicht, warum mich sein unverhofftes Auftauchen derart verunsicherte, doch diese Frage zu klären, musste warten. Ich benötigte meine ganze Konzentration, um mit ihm zu sprechen.
„Es hat sich eine kleine Änderung ergeben. Wärst du immer noch dabei?“, fragte er und ließ seine Sonnenbrille zwischen zwei Fingern baumeln.
In meinem Liegestuhl fühlte ich mich ihm unterlegen, so wie er von oben auf mich herabschaute, doch ich konnte auch nicht aufstehen. Tyler stand so dicht vor meinen Füßen, dass ich gegen seine breite Brust geprallt wäre, wenn ich versucht hätte, mich zu erheben. Wie sie sich wohl anfühlen würde? Ob seine Muskeln so hart waren, wie sie vermuten ließen?
„Ähm … Lou? Alles okay?“
„Ich? Was … Ja … Sorry, ich war kurz in Gedanken. Was hast du gesagt?“
„Ob du noch immer dabei wärst.“
Erst jetzt begriff ich, was er von mir wollte. „Ja, klar. Du kennst die Bedingung. Wenn das kein Problem für dich ist …“
Tyler nickte seufzend und hob ergeben die Hände. „Ist er da? Ich denke, ich sollte wohl besser mal mit ihm reden.“
„Ja, geh ruhig rein. Dylan räumt noch auf.“ Ich deutete mit dem Daumen hinter mich auf die Eingangstür zum Office und Tyler nickte knapp. Dann ging er hinein.
„Was war das denn gerade?“, fragte meine Freundin mit großen Augen und beugte sich neugierig zu mir herüber. „Wer ist dieser Tyler? Warum hast du mir noch nie von ihm erzählt? Und warum zum Henker hast du gerade ausgesehen wie in der Achten, als Tony Brunero dich vor der halben Klasse um ein Date gebeten hat?“
„Pst!“ Ich legte einen Finger an meine Lippen und deutete mit dem Kopf auf die Tür. Sofort biss Marli sich auf die Lippen.
„Komm, lass uns eine Runde durch den Hafen drehen. Nicht, dass die Männer uns hören. Außerdem könnte es sein, dass hier gleich die Fäuste fliegen, weil die beiden mal wieder einen Schwanzvergleich abziehen.“
Auf Marlis fragenden Blick winkte ich nur ab. „Erklär ich dir gleich von Anfang an. Komm, lass uns verschwinden.“
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