Jana Reeds

Precious Love


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muss jetzt. Der Anfängerkurs geht gleich los. Wir sehen uns heute Abend.“

      „Heißt das, ich darf dein Stück Pie auch essen?“, versuchte ich, ihn zu ärgern. Ich wollte nicht, dass wir in dieser schlechten Stimmung auseinandergingen.

      Meine Frage zeigte die erhoffte Wirkung. Dylan lachte und schüttelte den Kopf. „Wehe dir! Finger weg von meinem Kuchen, ansonsten bist du die nächsten drei Wochen für die Anfänger zuständig.“

      „Jesses, bitte nicht! Ich bin auch ganz artig!“ Abwehrend hob ich die Hände. Noch immer lachend verschwand mein Bruder zur Tür hinaus, und kurz darauf hörte ich, wie er seinen Jeep startete und davonfuhr.

      Sosehr ich es auch liebte, unter Wasser zu sein, diese Anfänger-Tauchkurse forderten meine Nerven zu sehr. Mir fehlte schlicht und ergreifend die Geduld. Es war mir unbegreiflich, wie schwer es manchen Teilnehmern fiel, durch das Mundstück der Sauerstoffflasche zu atmen. Oder wie einem erwachsenen Menschen der komplette Orientierungssinn unter Wasser flöten gehen konnte. Allein wenn ich die Teilnehmer schon sah, musste ich mir ein deutliches Augenrollen verkneifen. Diese Großstadt-Bürohengste in mittleren Jahren, die der Meinung waren, noch einmal richtig was erleben zu müssen. Die das Abenteuer suchten, um sich nicht in der Midlife-Crisis zu verlieren. Da standen sie nun am Ufer in ihren teuren Badeshorts von irgendeinem angesagten Label und blendeten mich regelrecht mit ihrer fahlen weißen Haut, die in der strahlenden Sonne das Licht reflektierte. Diese Körper hatten seit Monaten kein Sonnenlicht gesehen, da sie fast rund um die Uhr unter teuren Anzügen verborgen in klimatisierten Büros ausharrten. Kaum hatten sie Freigang, verbrachten sie den Sommerurlaub auf den Keys, um danach monatelang im Büro davon zu zehren. Nein, keine Chance, damit durfte mein Bruder sich herumschlagen.

      Ich drehte das Radio an, dann verzog ich mich mit einem großen Becher Kaffee und meinem Stück Key Lime Pie ins Hinterzimmer, um mich in aller Ruhe der Buchhaltung zu widmen.

      Zwei Stunden später schaute ich erstaunt auf, als ich die Türglocke über der Tür zum Office-Bereich läuten hörte. Ein Blick auf die Uhr ließ mich vermuten, dass es Dylan war, der den Tauchkurs beendet hatte und nun zurückkehrte. Ich streckte die Arme weit über den Kopf und bog den Rücken durch, um ihn nach dem langen Sitzen ein bisschen zu entspannen.

      „Hallo? Jemand da?“, hörte ich eine mir unbekannte Stimme aus dem Empfangsbereich. Anscheinend hatte ich mich getäuscht, es war nicht Dylan. Schnell stand ich auf und ging nach vorn, um den potenziellen Kunden zu begrüßen.

      „Hi, und herzlich willkommen. Was kann ich für Sie tun?“, fragte ich den Mann freundlich. Während ich ihn unauffällig musterte, öffnete sich eine Schublade in meinem Kopf, in die ich den Kerl sofort hineinschob. Schwarze Haare, blaue Augen, markantes Gesicht mit einem Hauch indianischem Einschlag, leicht arroganter Blick, die vollen Lippen ein wenig spöttisch verzogen, als würde er nichts auf der Welt ernst nehmen. Die Kleidung zwar leger, dennoch schrie sie förmlich „arschteuer“. Ein reiches Bürschchen auf der Suche nach Abenteuer. Jünger als die meisten, die hier aufkreuzten, nur ein paar Jahre älter als ich.

      „Oh, gut, der Rottweiler scheint Ausgang zu haben. Hi, ich bin Tyler!“ Noch bevor ich fragen konnte, was er mit dem Spruch über den Rottweiler meinte, setzte dieser Tyler ein breites Lächeln auf und ließ seinen Blick über meinen Körper gleiten.

      „Hi, Tyler. Was kann ich für dich tun?“, fragte ich erneut. Endlich kehrte sein Blick zu meinem Gesicht zurück.

      „Ich bin auf der Suche nach Lou. Ist er da?“

      „Er? Sehe ich etwa aus wie ein Kerl?“, fragte ich belustigt und genoss die Verwirrung, die in Tylers Augen auftauchte. „Ich bin Lou“, klärte ich ihn nach ein paar Sekunden Stille auf.

      „Nein, das kann nicht sein. Lou ist ein Mann, da bin ich mir ganz sicher.“

      „Nun, dann bist du hier falsch. Hier gibt es nur eine Lou und das bin ich.“

      Tyler schüttelte den Kopf. „Du bist ein Püppchen. Der Lou, den ich meine, soll einer der besten Taucher auf den Keys sein. Also noch mal, wo finde ich ihn?“

      Wollte dieses reiche Söhnchen mich verarschen? Und hatte er mich gerade Püppchen genannt? Bevor ich Luft holen konnte, um ihm eine passende Erwiderung zu geben, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Dylan sich neben mir aufbaute.

      „Es ist mir scheißegal, was du gehört hast. Lou ist definitiv die beste Taucherin der Keys und absolut nicht deine Kragenweite. Also das Beste ist, du verschwindest wieder – und diesmal endgültig.“ Drohend verhakte sich sein Blick in dem von Tyler. Die beiden starrten sich an und ignorierten mich.

      Ich war mir nicht sicher, ob ich meinen Bruder richtig verstand – kannte er Tyler bereits? Es hörte sich so an. Doch dass er sich hier als mein Bodyguard aufspielte, kotzte mich richtig an. Ich war alt genug, um ohne ihn mit Tyler fertig zu werden.

      „Ihr kennt euch? Alles klar, ich verstehe. Du bist der Rottweiler … Wenn ihr also mit eurem Schwanzvergleich fertig seid, könntet ihr mich bitte mal aufklären. Warum hast du mir nicht gesagt, dass jemand nach mir gefragt hat?“, fragte ich meinen Bruder. Dann wandte ich mich an Tyler. „Und du? Was willst du eigentlich von mir?“

      Die beiden Männer reagierten nicht. Stumm starrten sie sich in die Augen und lieferten sich ein Blickduell wie zwei Boxer im Ring. Ich wartete förmlich darauf, dass sie sich aufeinander stürzten, und holte gedanklich schon einen Eimer Wasser, um die beiden mit einer kalten Dusche wieder voneinander zu trennen.

      5

      Tyler

      „Was der von dir will, ist doch wohl klar“, sagte dieser Dylan, noch bevor ich ihre Frage beantworten konnte.

      „Ach, und was soll das sein?“, fragte ich ihn nun meinerseits, denn allmählich nervte mich seine Art gehörig. Ich hatte es nicht nötig, jeder attraktiven Frau nachzulaufen, die meinen Weg kreuzte. Und, okay, diese Lou war sexy, aber gleich dermaßen eifersüchtig, auf mich loszugehen, als wäre sie sein Eigentum, ging mir entschieden zu weit. Die meisten Frauen machten mich an, vor allem, wenn sie sahen, dass ich Geld hatte.

      „Na, was wohl?“ Dylan warf mir einen abschätzigen Blick zu.

      „Dylan, könntest du dich da raushalten? Vor allem, wenn du ohnehin nicht vorhast, mir zu antworten?“ Lou stemmte die Hände in die Hüften und funkelte Dylan wütend an, dann wandte sie sich mir zu. Ihr Blick wurde nicht freundlicher, dabei hatte ich bis jetzt noch überhaupt nichts verbrochen. Außer vielleicht mit diesem Idioten einen Tauchgang zu absolvieren. Okay, es hatte Spaß gemacht, mit Dylan zu diesem Wrack runterzugehen, was wohl in erster Linie daran lag, dass er unter Wasser die Klappe halten musste. „Also, worum geht’s?“, fauchte Lou jetzt mich an.

      „Was ich von dir will, geht ihn nichts an.“ Mit dem Daumen zeigte ich auf Dylan. „Und es hat nichts mit dem zu tun, was er denkt“, fügte ich hinzu, um dieses Thema ein für alle Mal zu beenden. Lou war total heiß, aber ich war kein kompletter Vollidiot. Falls ich sie wirklich anheuerte – und ich war mir im Moment nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre –, musste ich mich sowieso von ihr fernhalten. Ich liebte schöne Frauen und heißen Sex, doch ich fing nie was mit Angestellten an. So etwas brachte nicht nur Ärger, sondern garantiert auch eine Anzeige wegen sexueller Nötigung. Warum dieses Risiko eingehen, wenn es in Miami mehr als genug Frauen gab, die nicht für mich arbeiteten?

      „Ich habe keine Geheimnisse vor meinem Bruder.“ Aha. Jetzt zumindest war mir klar, warum sich der Typ wie ein totales Arschloch mir gegenüber verhielt.

      „Freut mich, trotzdem geht es ihn nichts an.“ Egal, aus welchem Grund mein Vater glaubte, es sei eine gute Idee, mich mit dieser Sexbombe auf eine gemeinsame Mission zu schicken, ich war nicht so blöd, gleich herauszuposaunen, worum es eigentlich ging. Ich musterte sie, dann seufzte ich. Verdammt, sie war unglaublich attraktiv, sexy und erst diese Augen. Vor allem, wenn sie einen wütend anfunkelte, so wie gerade jetzt, kam der dunkle Blauton noch besser zur Geltung.