Jana Reeds

Precious Love


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      Ich stieß die Tür auf und betrat den kleinen Raum. Sofort strömte mir ein Schwall kühler Luft entgegen. Ein paar Schritte vom Eingang entfernt befand sich ein Holztresen. Überhaupt bestand hier alles aus Holz. Der Fußboden, die Wände, die Decke. Das Mobiliar. Bilder der Unterwasserwelt hingen an den Wänden, neben Regalen, die mit allem Möglichen gefüllt waren, was man als Taucher so brauchte.

      Der Typ hinter dem Tresen schaute auf, als ich auf ihn zuging.

      „Hi, ich bin Dylan. Was kann ich für Sie tun?“, begrüßte er mich. Seine sonnengebräunte Haut und die ausgebleichten Haare verrieten, dass er eine Menge Zeit an der frischen Luft verbrachte.

      „Hallo, ich suche Lou.“ Ich kam vor dem Tresen zum Stehen. Kaum hatte ich die Worte gesagt, als sich auch schon seine Miene verfinsterte. Statt etwas zu sagen, musterte er mich von oben bis unten. Seinem verächtlichen Blick nach zu urteilen, war er nicht angetan von dem, was er sah. Keine Ahnung, welche Laus dem Typen über die Leber gelaufen war.

      „Und was wollen Sie von … Lou?“

      „Das ist vertraulich.“

      Sein Blick wurde noch unfreundlicher, er runzelte die Stirn und wir lieferten uns so etwas wie ein stilles Ich-schaue-nicht-zuerst-weg-Duell. Er bohrte seinen Blick in meinen und ich tat das Gleiche. Es ging ihn nichts an, was ich von Lou wollte. Ich war nicht hier, um jedem, der mir begegnete, von meinen Plänen zu erzählen. Im Gegenteil, ich würde sämtliche Informationen so lange wie möglich für mich behalten.

      „Tut mir leid, Lou ist gerade nicht hier.“ Alles in seinem Tonfall verriet, dass ihm überhaupt nichts leidtat.

      „Und kommt wann wieder?“ Auffordernd sah ich ihn an. Wenn der so weitermachte, würde ich mal ein Wort mit dem Manager reden. Darüber, wie potenzielle Kunden hier behandelt wurden. Kein Wunder, dass in dem Laden nichts los war.

      „Kann ein paar Stunden dauern. Ist gerade auf der großen Tour. Sie können es ja morgen noch mal versuchen. Oder schauen Sie doch mal auf dem Sunshine Key vorbei, da gibt’s auch eine Tauchschule. Sind nicht so gut wie wir, aber vielleicht finden Sie ja dort, was Sie suchen.“

      Der hatte echt Nerven. „Kein Problem, ich warte auf Lou. Wo ich schon mal da bin, buche ich gleich einen Einzel-Tauchgang. Die Wreck-Treck-Tour“, sagte ich einem spontanen Einfall folgend. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, zu den Wracks zu tauchen, die vor der Küste Floridas verstreut liegen. Bisher hatte ich mich nie dafür interessiert. Wenn ich unter Wasser war, dann, weil ich ein Korallenriff sehen wollte oder einen Adrenalinkick suchte, wie man ihn beim Tauchen mit Haien bekam. Aber zu irgendwelchen alten Schiffen zu tauchen? Dazu war mir meine Zeit immer zu schade gewesen.

      „Lou ist die ganze Woche ausgebucht und nächste Woche ebenfalls.“

      Ausgebucht? Klar. Hier drängelten sich ja auch die Kunden.

      Ich zuckte mit den Schultern. „Ich muss nicht unbedingt mit Lou tauchen. Ich kann auch allein runtergehen.“ Ich musterte diesen Dylan. Zeit, ihm mal eine Dosis seiner eigenen Unfreundlichkeit zu verpassen. „Geben Sie mir einfach einen Anzug und jemanden, der mich rausbringt. Oder dürfen Sie das nicht?“ Ich deutete auf den Tresen. „Ich verstehe schon, dass man als Rezeptionist wahrscheinlich nur Telefongespräche entgegennimmt und die Termine einträgt.“ Mit einem freundlichen Grinsen sah ich ihn an. Dylan dagegen wirkte, als würde ihm gleich Rauch aus den Ohren kommen.

      „Die Wreck-Treck-Tour? Wäre normalerweise kein Problem mit einem erfahrenen Taucher. Allerdings machen wir mit Anfängern nicht sofort die große Tour.“ Jetzt feixte er, offensichtlich sehr zufrieden mit seiner Antwort.

      „Ich tauche schon, seit ich laufen kann.“

      „Ach ja? Das sagen sie alle. Das Einzige, was ich anbieten kann, ist ein Tauchgang zur Benwood. Die liegt nicht besonders tief, ist aber trotzdem beeindruckend und bestens geeignet, um erste Erfahrungen beim Wracktauchen zu sammeln.“ Mit diesen Worten schob er mir ein paar Formulare rüber. Während ich die Vertragsbedingungen überflog, wandte Dylan sich Richtung Hinterzimmer, rief nach einem gewissen Kyle und erklärte ihm, dass er mit mir rausfahren würde. Ich wusste, dass dieser Dylan recht hatte. Allein mit mir auf die große Tour zu gehen, wäre unverantwortlich, auch wenn ich gehofft hatte, er würde die Sache nicht so eng sehen.

      „Hier.“ Ich kritzelte meine Unterschrift auf die markierten Linien und schob den Papierkram zu ihm rüber.

      „Alles klar. Willkommen bei Key Largo Diving. Wir duzen uns hier, ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus, Mr. Norman.“ Er betonte meinen Nachnamen mit einem sarkastischen Tonfall, dann hielt er mir seine Hand hin. Anscheinend hatte die Tatsache, dass ich jetzt zahlender Kunde war, seine Laune nicht gebessert.

      Ich nahm seine Hand. Sein Händedruck war fest, alles andere hätte mich auch gewundert nach dem Pissing-Contest, den wir uns gerade geliefert hatten.

      „Du kannst mich Tyler nennen“, sagte ich.

      „Okay, Tyler.“ Er drehte sich zu einem Kleiderständer, an dem jede Menge Neoprenanzüge hingen. „Größe M nehme ich an.“ Noch bevor ich antworten konnte, hatte er einen Tauchanzug von der Stange genommen und mir zugeworfen. Das Teil knallte gegen meine Brust, weil ich es nicht schnell genug auffangen konnte.

      „L“, knurrte ich und feuerte den Anzug zurück.

      „Sorry, mein Fehler.“ Dieses Mal reichte er mir die richtige Größe. „Umkleidekabinen sind draußen auf der Rückseite vom Office.“ Er schaute auf seine Uhr. „Wenn du fertig bist, komm zur Moonshadow, ich warte dort auf dich.“

      „Alles klar.“

      Die Moonshadow war ein kleines Motorboot. Neben unseren Sauerstoffflaschen, einigen Seilrollen und einer Kühlbox gab es gerade genug Platz, dass ich mich setzen und die Fahrt hinaus aufs Meer genießen konnte. Wobei „genießen“ nicht unbedingt das richtige Wort war, denn Dylan heizte über die Wellen, als wolle er den Kahn zu Bruch fahren. Wir hatten kaum Seegang, doch er schaffte es dank der überhöhten Geschwindigkeit, dass wir nach jeder Mini-Welle aufs Wasser knallten. Hätte ich Plomben in den Zähnen gehabt, wären sie nach dieser Fahrt garantiert rausgefallen. So aber spannte ich meine Kiefer an, hielt mich fest und sagte nichts. Ich war mir sicher, er wartete nur darauf, dass ich ihn bat, die Geschwindigkeit zu drosseln.

      Irgendwann stoppte er endlich den Motor und drehte sich zu mir.

      „Wir sind da“, sagte er unnötigerweise.

      „Super“, murmelte ich und zog das Oberteil des Neoprenanzugs nach oben, das ich vorher auf die Hüfte gestreift hatte, dann half ich Dylan dabei, das Boot für unseren Tauchgang vorzubereiten. Was bedeutete, den Anker zu legen, eine Boje aufs Wasser zu setzen und die Tauchleine daran zu befestigen. Als alles vorbereitet war, gab es das Briefing und den Sicherheitscheck. Dylan erläuterte die Besonderheiten der Wracks und was es zu beachten gab. Er war gründlich, das musste ich ihm lassen. Man merkte ihm an, dass er wusste, wovon er redete, und nicht zum ersten Mal einen Taucher auf eine Tour vorbereitete.

      „Nur damit das klar ist, da unten habe ich das Sagen. Wenn ich das Zeichen zum Auftauchen gebe, tauchen wir auf. Du wirst nicht allein in das Wrack tauchen, sondern nur mit mir gemeinsam. Keine Unternehmungen auf eigene Faust, du folgst mir und machst das, was ich bestimme. Alles klar?“ Mit dieser Frage beendete er das Briefing. Sie war unnötig, ich hätte schon ein totaler Anfänger sein müssen, um nicht zu wissen, wie ich mich unten zu verhalten hatte, aber wahrscheinlich wollte Dylan nur noch mal klarmachen, wer hier der Boss war.

      „Aye, aye, Captain“, murmelte ich sarkastisch.

      Meine Antwort brachte mir einen kalten Blick ein. Dann setzte sich Dylan auf den Bootsrand und ich tat es ihm nach. Gemeinsam ließen wir uns nach hinten ins Wasser fallen.

      4

      Lou

      Der Donnerstag gehörte in der Tauchschule zu den ruhigsten Tagen