Zusammen mit Frundsberg, Salm und den braunschweigischen, pfälzischen und sächsischen Prinzen haben Alba, Tilly, Pescara, Wallenstein, Piccolomini und Montecuccoli die großen Siege Habsburgs erfochten. Noch im 16. Jahrhundert war es nicht selten, daß Deutsche sechs, sieben, acht Sprachen sprachen. Es war aber durchaus nicht so, daß die Weltoffenheit und der Weltverkehr zu einer Überfremdung Österreichs geführt hätten. In den Gebirgsländern Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol überwogen durchaus die volkstümlichen deutschen Elemente. Selbst der Hof bewahrte trotz der spanischen Heiraten ein ausgesprochen deutsches Gepräge. Diese Heiraten waren Politik; sie entsprachen aber auch dem seelischen Bedürfnis der Habsburger, die so einheitlich gefärbt waren, daß ihre Mitglieder nur unter Verwandten sich ganz heimisch fühlten. Indessen die Aufnahme spanischer Frauen veränderte den Charakter der deutschen Habsburger nicht im spanischen Sinne: sie blieben weich, human, voll Humor und Spiellust, mehr oder weniger tätig, im allgemeinen ihrer königlichen Pflicht bewußt, aber in keiner Beziehung fanatisch. Die Musik, in die ihr Wesen eingebettet war, verlieh ihnen eine die irdische Sphäre leicht überschwebende Ungebundenheit, die sich bei den entarteten Sprößlingen, die zuweilen auftraten, in träumerischer Phantastik, mutwilligen Ausschweifungen, Nichtachtung jedes höfischen Zwanges äußerte.
Der krönende Mittelpunkt des Weltreichs Österreich war Wien. Altheilige Krönungsstadt war bis 1562 Aachen, Frankfurt, immer schon Wahlstadt, wurde Aachens Nachfolgerin, Kaiserstadt wurde Wien. Es ist die einzige Stadt Deutschlands, vielleicht des Abendlandes, die sich durch ihre Universalität und als Brennpunkt, wo Sinnlichkeit und Übersinnlichkeit sich zauberhaft begegnen, Rom vergleichen kann. Es ist, als sei die Muse der Geschichte durch ihre Gassen gegangen und als durchströme sie noch ein Nachklang ihrer Göttergesänge. Noch zu Beginn des 15. Jahrhunderts war Wien eine mittelgroße deutsche Stadt, deren Monumentalität und Herrlichkeit der Stephansdom war. Aber früh schon zeigten sich doch die beiden Elemente, die sie charakterisierten, das völkerverbindende und das musikalische. Der Oberpfälzer Wolfgang Schmelzl führte 1548 in seinem Lobspruch Wiens an, daß man in diesem Paradiese hebräisch, griechisch und lateinisch, deutsch, französisch, türkisch, spanisch, böhmisch, wendisch, italienisch, ungarisch, niederländisch und kroatisch sprechen höre und ferner, daß es nirgendwo mehr Musiker und mehr Instrumente gebe. Zur Zeit Maximilians II. hatte die Stadt einmal die Ausweisung aller fremden Kaufleute verlangt und erreicht, aber nur ein paar Jahre hatte sich dieser mit Wiens Lage unvereinbare Beschluß durchführen lassen. Aus dem Reich kamen fortwährend, von den Kaisern berufen, Künstler und Dichter, die hier ihr Brot fanden. Sie entwarfen Theaterstücke, Festaufführungen für die erzherzoglichen Hochzeiten und Einzüge, in denen Musen und Sirenen mit Zwergen und wilden Männern durcheinanderspielten, die dann von den Malern und Holzschneidern aufgezeichnet wurden. In die Rosen- und Rebenkränze der fröhlichen Stadt wand das Jahr 1529 den Lorbeer des Türkensieges. Unter dem Kommando des siebzigjährigen Grafen Niklas Salm, der Leitung des Bürgermeisters Wolfgang Treu, dem Beistand des Pfalzgrafen Philipp, deutscher Landsknechte und spanischer Ritter, wurde der Ansturm des siegesgewissen Sultans Suleiman des Prächtigen zurückgeschlagen. Wien war nicht kriegerisch, aber es war heroisch. Über seinen Lustbarkeiten und seiner Liederfreude rauschten die Adlerflügel, bliesen die Tuben des Ruhms. Das triumphierende Barock vom Ende des 17. und Beginn des 18. Jahrhunderts vollendete die Erscheinung, die das Zeitalter der Ferdinande vorbereitet hatte. Ein Menschenalter nach dem Dreißigjährigen Kriege, kurz nach dem Falle Straßburgs, bewährte sich Wien wiederum als Befestigung der Christenheit, wie Schmelzls Lobspruch es nannte, indem es wiederum und diesmal endgültig das türkische Riesenheer zurückwarf. Das getretene, verarmte, gedemütigte Reich erlebte in Österreichs Siegen unvergängliche Glorie.
Im Norden
Als der Abt Trithemius im Anfang des 16. Jahrhunderts einer Einladung des Kurfürsten von Brandenburg folgend nach Berlin reiste, bekam er von dem nordöstlichen Lande einen ähnlichen Eindruck, wie Polen auf deutsche Reisende des 18. Jahrhunderts machte. Brandenburg schien außerhalb der deutschen Kultur zu liegen. Alles kam dem Abt öde vor, die Leute seien ungebildet, lebten in ihrer angeborenen Plumpheit dahin. Die Bauern fand er nicht bösartig, vielmehr unterwürfig und sehr kirchlich, aber faul, schmutzig und dem Trunk ergeben; infolgedessen herrsche Mangel. Der traurige Zustand des flachen Landes verschlimmerte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts beträchtlich. Die schwachen und einsichtslosen Landesherren lieferten die Bauern, von denen im 15. Jahrhundert ein Teil noch frei war, gänzlich den adligen Gutsherren aus. Da diese begannen, sich durch Export von Getreide und Vieh zu bereichern, trachteten sie nach Vergrößerung ihrer Güter und erreichten ihren Zweck auf Kosten der Bauern. Anstatt ihr unrechtmäßiges Vorhaben zu verhindern, unterstützte sie der Kurfürst, indem er ihnen ein schrankenloses Enteignungsrecht gegenüber den Bauern gewährte. Damit sie ihre vergrößerten Güter möglichst kostenlos bewirtschaften konnten, ließ er die Versklavung der Bauern zu, wobei ihm die im römischen Recht ausgebildeten Juristen zur Seite standen. In Pommern wurden die Bauern im Jahre 1616 schlechtweg als leibeigen erklärt. Günstiger für die Bauern waren die Verhältnisse in Niedersachsen, wo sich so große Güter wie in Pommern und Brandenburg nicht bilden konnten, und wo auch die Landesherren den Bauernstand einigermaßen schützten. Es fehlten im Nordosten die Reichsstädte, in denen sich im Süden und Westen ein selbständiges und gebildetes Bürgertum entwickelte. Dasjenige politische Gebilde, das im Mittelalter den Norden beherrscht und belebt hatte, die Hansa, löste sich im 16. Jahrhundert allmählich auf. Sie beruhte auf Voraussetzungen, die dem Mittelalter eigentümlich waren: nur inmitten fließender Verhältnisse konnte ein so lockeres, nicht durch Zwang gestütztes Gewächs entstehen und sich halten, in einer sich zentralisierenden Umwelt fiel es auseinander. Die Landesherren, die ihr Gebiet fest zusammenfaßten, gestatteten den Städten, über die sie Gewalt hatten, die Zugehörigkeit zum Bunde nicht mehr; so fiel Berlin zum Beispiel ab. Schlimmer war die Konkurrenz der mächtiger werdenden Nachbarstaaten. Holland, das im Beginn des 15. Jahrhunderts die Natur selbst begünstigte, indem der Hering, eine wichtige Erwerbsquelle der Hansestädte, seinen Zug plötzlich an die holländische Küste nahm, wurde im Jahre 1433 mit dem Fürstentum Burgund vereinigt, dessen Macht ihm zugute kam. Auf dem Rathaus zu Lübeck steht die Statuette eines jungen Mannes mit sturmdurchwehtem Haar; sie stellt den Flüchtling Gustav Wasa dar, den die Lübecker aufnahmen und schirmten und mit einer Flotte nach Stockholm führten, worauf der Vertriebene König von Schweden wurde. Die bübischen Königmacher ließen sich für ihre wirksame Unterstützung einen hohen Preis zahlen, das Versprechen Wasas, nur den hansischen Kaufleuten in Schweden Handelsprivilegien zu gewähren; allein die Interessen seines Landes erwiesen sich, als er König war, stärker als die Pflicht der Dankbarkeit, ja vielleicht erregte die von den Lübeckern allzusehr betonte und ausgenützte Dankbarkeit doppelten Widerstand. Fast ebenso wie den Schweden hatte sich Lübeck den König von Dänemark verpflichtet; aber auch Dänemark entzog der Hanse seinen Schutz, um ihn den Holländern zuzuwenden. Alle die an die Ostsee grenzenden Länder, über welche die Hanse lange ein wirtschaftliches Übergewicht ausgeübt hatte, Holland, England, Schweden, Dänemark, Norwegen und Rußland, strebten jetzt, die Kräfte des eigenen Landes zu steigern, sich unabhängig zu machen. Noch einmal wurde durch Jürg Wullenweber der Versuch gemacht, die Vorherrschaft der Hanse im Ostseegebiet wiederherzustellen, ein Versuch, der mit einer inneren Umwälzung der aristokratischen und katholischen Reichsstadt Lübeck zusammenhing. Ganz besonders in Norddeutschland war die protestantische zugleich eine demokratische Bewegung. Nirgends so wie im Norden empfindet man die Berechtigung des Wortes, der Protestantismus sei die germanische Religion; an manchen Orten war es, als kehre die Bevölkerung damit zu ihrer Eigentümlichkeit zurück. In Osnabrück zum Beispiel hatte die altsächsische bäuerliche Einwohnerschaft von Anfang an den Klerus und seine Vorrechte nur widerwillig ertragen. Sie waren nicht etwa unchristlich, aber unkirchlich, sie wollten von der Bilderverehrung nichts wissen und wachten eifersüchtig darüber, daß ihnen der alte Gemeinbesitz an Wald und Weide nicht durch Klöster entzogen werde. Wie überall waren auch hier die Handwerker besonders empfänglich für den neuen Glauben, während die patrizischen Kreise, die Inhaber der politischen Gewalt, schon aus Rücksicht auf den Kaiser am alten festhielten. In den Hansestädten war der Gegensatz besonders heftig, weil hier durch strenge Vorschriften die Teilnahme der Zünfte am Regiment ausgeschlossen war. Die Geschlechter,