Ricarda Huch

Gesammelte Werke


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ein übermütiger, zuchtloser junger Mann und ein Dämon der Herrschsucht gegenübertraten.

      In den Chroniken wird erzählt, daß, während Heinrich III. sich in Rom aufhielt, dort eines Zimmermannes Söhnchen bei der Arbeitsstätte seines Vaters mit Spänen spielend sie in der Form von Buchstaben zusammenlegte. Zufällig kam ein Priester vorbei und las, daß die Buchstaben den Satz bildeten: Dominabor a mari usque ad mare – ich werde herrschen von Meer zu Meer. Er schloß daraus, daß das Kind einst Papst werden werde und machte den Zimmermann darauf aufmerksam, der es daraufhin zur Schule schickte. Es wurde gelehrt und kam in die kaiserliche Kanzlei, wo des Kaisers junger Sohn ihn kennenlernte und zu verspotten pflegte. Da träumte der Kaiser einmal, daß dem Zimmermannssohn, der Hildebrand hieß, zwei Hörner bis an den Himmel wuchsen, mit denen er seinen Sohn erfaßte und in den Dreck warf. Die Kaiserin legte den Traum so aus, daß Hildebrand Papst werden und ihren Sohn vom Throne stoßen werde. Auch erzählte man sich, dem guten Bruno von Toul, dem Papst Leo IX., sei Hildebrand im Traum in einem flammensprühenden Gewand erschienen, und indem er das Hildebrand erzählt habe, habe er hinzugefügt: »Wenn du je, was Gott verhüte, den Apostolischen Stuhl besteigst, wirst du die ganze Welt in Verwirrung bringen.« Sicherlich machte sich die bedeutende Persönlichkeit des Mönchs schon früh bemerkbar, sein Wille gebot in Rom, bevor er selbst Papst wurde. In seinem Sinne wurde auf der berühmten Synode des Jahres 1059 beschlossen, daß die Papstwahl künftig dem Kardinalskolleg, Klerus und Volk, den Wählern nach altem kanonischen Recht, nur die formelle Zustimmung zustehen solle. Dem Kaiser sollte das Recht bleiben, die Wahl zu bestätigen, was aber auch nicht eigentlich ein Recht, sondern ein persönliches Zugeständnis des Papstes sein sollte. Dadurch war der Einfluß des Kaisers auf die Besetzung des Päpstlichen Stuhles ausgeschaltet. Die Kirche zu befreien war ein großes und gutes Ziel; aber Hildebrand kam es nicht mehr nur auf Freiheit, sondern auf Herrschaft an. Es scheint in der menschlichen Natur begründet zu sein, daß Freiheit unter den Menschen sich selten verwirklichen läßt, was Goethe in den furchtbaren Worten ausgedrückt hat, man müsse Amboss oder Hammer sein. Die einen Druck abwerfen wollen, trachten gewöhnlich danach, ihn selbst auszuüben; wer die anderen nicht unterwirft, muß fürchten, unterworfen zu werden. Hildebrand, als Papst Gregor VII., erklärte förmlich den Anspruch der Kirche, den Staat zu beherrschen; er begründete das mit der Stellvertretung des allmächtigen Gottes durch den Papst. Es kam nun darauf an, den kaiserlichen Einfluß auch auf die Wahl der Bischöfe abzustellen; das wurde vorbereitet durch die Ausdehnung des Begriffes der Simonie auf jeden Eingriff von weltlicher Seite in die Besetzung kirchlicher Stellen. Wären die Bischöfe nichts als Priester gewesen, hätte man diese Auffassung billigen müssen; da sie weltliche Fürsten waren, konnte der König auf das Recht, sie zu ernennen oder bei ihrer Ernennung mitzuwirken, nicht verzichten. Die Bischöfe waren seit der Zeit Ottos des Großen die Stütze des Thrones gewesen; geschickter und gefährlicher konnte der Papst den Kaiser nicht angreifen, als indem er sie ihm entzog, sie ihm im Zweifelsfalle zu Gegnern machte.

      In dem Kampfe, den Hildebrand entzündete, waren zunächst für den Kaiser die Aussichten nicht schlecht. Die Neuerungen, die der Papst einführen wollte, waren zu einschneidend, zu umwälzend, als daß sie nicht hätten erschrecken und verwirren sollen. Der römische Adel, der durch die neuen Bestimmungen von der Papstwahl ausgeschlossen war, der niedere Klerus, der sich der reformatorischen Strenge, besonders dem Zölibat widersetzte, vor allen Dingen die Bischöfe selbst, sowohl in Deutschland wie in der Lombardei, waren natürliche Gegner des Papstes. Denn seine Absicht war, in der Kirche, die bisher aristokratisch verfaßt war, ein monarchisches, wenn nicht despotisches Regiment einzuführen, wodurch die Bischöfe päpstliche Beamte würden. Von der Natur schien der häßliche kleine Mönch nicht ausgestattet, um anziehend zu wirken; seine fanatische Wut hatte etwas zugleich so Imponierendes und Abstoßendes, daß man ihn den heiligen Satan nannte. Von seinem Namen schließend, hat man ihm germanische Abkunft zugeschrieben, auch die Möglichkeit, daß er jüdisches Blut gehabt habe, ist erwogen worden.

      Zwei Umstände aber gab es, die dem Papst zustatten kamen: der Aufstand der Sachsen gegen den Kaiser und des Kaisers Persönlichkeit. Zum ersten Male trat jetzt verhängnisvoll hervor, was so oft noch zu bitteren Kämpfen führen sollte, daß ein Riß durch das Reich ging, der den Norden vom Süden trennte. Es zeigte sich, daß die Sachsen nicht so mit den übrigen Stämmen verschmolzen waren, wie man besonders zu der Zeit hatte glauben können, als Sachsen unter den Ottonen als Stammland der herrschenden Dynastie bevorzugt war. Auch die Salier hielten sich mit Vorliebe in Sachsen auf; das wurde nicht als willkommene Gunst aufgefaßt, sondern als Bestreben, die sächsische Freiheit zu beschränken. Dem lag die Tatsache zugrunde, daß die Salier die Verminderung des Königsgutes durch Erwerbungen in Sachsen ausgleichen wollten, ein berechtigtes Bestreben, das aber die Sachsen zum Widerstand reizte. Zur Zeit Ottos des Großen waren die Erzgruben am Rabenberge bei Goslar entdeckt worden; da alles Bergwerk Regal war, den Königen zustand, bekam dieser Ort für sie eine besondere Wichtigkeit. Heinrich III. machte Goslar geradezu zum Mittelpunkte seines Reiches und gab ihm einen Teil des Reichtums, den er seinem Berge verdankte, in Bauten von unvergleichlicher Pracht wieder. Er errichtete am Fuße des Rabenberges einen Palast, der das Vorbild vieler königlicher und fürstlicher Pfalzen wurde, und nahe dabei den vielbewunderten Dom, von dem ein einziges Portal übriggeblieben ist. Hing Goslar den Königen treu an, so wurden im allgemeinen ihre häufigen Besuche ungern gesehen, die, da die Herrscher mitsamt ihrem Gefolge von der Bevölkerung erhalten werden mußten, teuer zu stehen kamen. Man empfand die Dynastie als Fremde, und vollends als Eindringlinge betrachtete man die Süddeutschen, die sie mitbrachten. Heinrich IV. wurde vorgeworfen, daß er die Leute von niedriger Geburt und daß er Schwaben bevorzuge; damals kam die Rede auf, daß ein Sachse sieben Schwaben wert sei. Das gebieterische Auftreten der Salier, namentlich das etwas hochtrabende feierliche Wesen Heinrichs III., sein kirchlicher Eifer stießen ab; immerhin wird von einem sehr stolzen und ungebärdigen Volke eher noch ein strenger Gebieter ertragen, der folgerichtig klare Ziele verfolgt, als ein Unberechenbarer, der bald despotischen Gelüsten, bald sinnlichen Antrieben oder bequemen Ratschlägen nachgibt.

      Es war ein Unglück für Heinrich IV., daß er seinen Vater mit sechs Jahren verlor, daß seine Mutter ihn, wie es scheint, nicht liebte, daß man ihn mit einer ungeliebten Frau verheiratete und bei ihr auszuharren zwang; aber alles das, wie auch der wechselnde Einfluß des barschen Anno von Köln und des verwöhnenden Adalbert von Bremen auf den Knaben, hätte auf einen anderen ganz anders wirken können. Es war augenscheinlich etwas Zersetzendes in seine Seele eingeboren, was den Keim der Größe sich nicht rein entfalten ließ. Es gibt eine merkwürdige Sage vom Grafen Wiprecht von Groitzsch, einem Kriegshelden, der in Heinrichs Schlachten kämpfte und ihm namentlich zu seinem letzten Siege über Rom verhalf. Als einst in Verona Wiprecht der tapferste aller Recken genannt wurde, gebot der König ihn herbeizurufen, er wolle ihn auf die Probe stellen. Wiprecht kam und wurde in einen Hof geführt, wo den Ahnungslosen ein Löwe anfiel, den der König vorher dorthin hatte bringen lassen. Der Held erschrak nicht, sondern packte das Tier und zwang es, sich zu seinen Füßen niederzulegen; dann fragte er den König, warum er ihn gerufen und was das alles zu bedeuten habe. Da der König schließlich gestand, daß er seine Mannhaftigkeit habe prüfen wollen, wurde Wiprecht zornig und sagte: »Ich habe als erster die Alpen überschritten, ich habe die Ehren und Siege erstritten, konnte der Anblick meiner Taten dir nicht genügen? Du hast mich zu eitler Augenweide einem wilden Getier preisgegeben; nun will ich dir nicht länger dienen.« Da fing der König an, sich zu fürchten, bereute, was er getan hatte und ruhte nicht, bis der Graf wieder versöhnt war. Wie Heinrichs Charakter in dieser Sage sich darstellt, so war er vielleicht wirklich: Mangel an Respekt vor den Menschen, Schwanken zwischen Übermut und Furcht, Unfähigkeit, die Grenze zwischen Zurückhaltung und Vertraulichkeit zu beobachten, mögen ihm manchen Anhänger entfremdet haben. Eine edle Gabe jedoch wog viele Fehler auf, daß er im Leben lernte, daß er Schwächen überwand und seine Kraft an Widerständen stählte.

      Als Gregor VII. im Jahre 1076 den jungen Kaiser mit dem Banne bedrohte, hatte dieser die aufständischen Sachsen unterworfen und befand sich in gehobener Siegerstimmung; auf einer Synode in Worms vereinigten sich die Bischöfe, mit Ausnahme der sächsischen, mit ihm, um den Papst abzusetzen. Sie warfen dem Papst ruchlose Neuerungen vor, durch die er Zwietracht in der Kirche gesät habe; er habe sich eine völlig neue und unrechtmäßige Gewalt angemaßt, indem er die Gerechtsame, die der gesamten Bruderschaft der Bischöfe